B67-4168
Sc&riften bcg Snftttutum Subaicum in Berlin $lv. 32
inzcnböv^ ue6 %x
n
(Stubien 5itr ©efdjidjte ber Qubenmiffion
$on
profeffov D. Dr. <5ufiaf Kaiman
unb
3ta£omts 2l6olf Sd>ul3e
Sf. 6. £)inrid)§'ftf)e SBudjfyanbhtng
1903
Donport.
2H3 bor bret Sjafyren ber jtoei^unbertjä^rigc ©ebenftag bon
3injenborf§ ©eburt gefeiert würbe, i[t befonberS fetner Sebeutung für
bie ©efa)icr)te ber $eibenmtffion gebadet worben. 2)ie gegenwärtige
^ublifation fott baran erinnern, bafj feinem £er$en, wie eS überaß
ber %aii fein foUte, £eibenmiffion unb ^ubentniffion gleia) nafye
ftanoen. @3 fonnten aber bie Semüfyungen ginjenborfS um bk
©bangelifation ber ^uben nia)t befbrocf)en werben, ofyne näheres @in=
gefyen auf bie ^ßerfönlidjtfeit unb ba§ SBirfen be3 bon n)m ju ben
^uben gefanbten (Samuel Sieberüiljn. 'Darum ift eine auf meine
Anregung fyin bon 2)iatonu3 21. ©ct)ul$e in -JiieSfb. berfajjte
Söiograbfyie 2ieberftiI)n<S meinem 2luffatj über gmjenborf Betgefügt
toorben. %n ber 2lu3fbraa;e bei ©ebanfenS befonberer jubena^riftlia^er
©emeinben innerhalb ber $ird)e (fo ginjenborf), neben ber ®trd;e
(fo 2ieberfül)n), berühren ficr) beibe mit ^been, meldte erft in neuefter
3ett mieber lebhaft erlogen morben finb. 2luct) be^alb ift e§ nid)t
überflüffig, bie 2lufmerffamfett ber ©egentoart auf jene Sßäter ber
broteftantifd)en $jubenmtffion fyinjulenien.
9Jiein 2tuffa£ ift in ,,©aat auf Hoffnung, 3ettfd;rift für Vw
ÜRiffwn ber Ätrc&e an 3SraeI", Seibjig, Qa^rg. 1889 unb 1890,
bie 2lrbeit bon 2lboIf ©d&ulge in „9iatb>nael, gettfcfyrift für bie
2lrbeit ber ebangelifdjen Sftrcfye an 3ßrael", (#erau3gegeben bon fßrof.
£. 2. ©trade) Serlin, ga^rg. 1894—90 juerft erfdfnenen, aber feitbem
iuefentlirf) umgearbeitet toorben.
Scrnfalem, 9. gjtörj 1903.
<3uftaf t>alman.
iu^aCt
©raf ßinjenborf unb bie ^uben ©.5.
©amuel £te&erfüt)n§ fiebert unb SBtrfen ©.50.
4§>traf Hit^tiSotrf öttS Sie J»6en.
Sßon ©. 2)olmon.
(££ ift eine oft, unb jmar fdjon öon gin^enborfg 93iograpt)en
(Spangenberg 1 ), auSgefprocfjene Vermutung, ba^ ba§> 9J?iffion3=
intereffe be§ ©rafen, ba§ fid) fdjon im Safyre 1715 in bem
Sunbe mit feinem greunbe öon Süöatteüille „jur Söefeljrung ber
Reiben unb ^mar nur foldjer, an bie fidj fonft niemanb machen
mürbe", 2 ) fo eigenartig äußerte, feinen erften Urfprung ber bamalS
öon £mlle au§ gepflegten, im Sarjre 1705 begonnenen lutfjerifcfjen
ÜMffionStätigfeit öerbanfte. Siefe SSermutung finbet ifjre befte
Seftätigung in einer 9tebe, meldte ginjenborf am 31. ?iuguft
1753 in Sonbon rjiett. (£r fagte bamatö 3 ): „Unter ben £>anf,
ben mir unferen SSorfatjren fdjulbig finb, gehört audfj bie
2lnmerfung: SJlit Senutjung &>nbfd&riftlicf>er Duellen au§ bem Slrdjio
be§ t^eologifd^en ©eminarS ju ©nabenfeß) unb bem Uniiäi3ard)iD ^u §errnljut.
2)ie früheren ©arfiettungen, für roeldje bie meiften meinet gebrudften unb
ungebrucften Quellen nic§t benutjt nmrben, fmb nac§ bem l)ier Mitgeteilten
ju ergäben bejm. 3U berichtigen. ©. Selitjfd) in ©aat auf Hoffnung 3 a ^ r S- n
(1863/4) §eft4©. 4 ff , aijenfelb: ©raf oon Sinjenborf unb Sieberfüfm (1873),
S)e le 9toi: Sie eoangel. <5r)rtften^eit unb bie Suben I (1884) ©. 359 ff.
*) Seben 3üt3enborf§ (1775) I ©. 51.
2 ) ^injcnborf: Naturelle Reflexiones (1749), Seiloge©. 7 (nadj meinem
oon ®raf Q. eigenljcmbig forrigierten (Sjemplare).
3 ) %. ©. <0arf: Quellen jur Sßeuen Srübergefdjicfjte (MS.) 33b. F,
©. 269. 2)a& biefeä noo) nia^t gebrückte gragment f)ier ooUftänbig mitgeteilt
n>irb, wirb burdj ben Sn^alt root)t tjmrciajenb motiviert.
[luttjerifcrje] SRiffton in £ranfebar. SBcnit feine oftinbtfctjen 23e^
richte mären, fo fjätten mir auef) feine <peibeubefet)ruug; benn
au§ ben Sefuiten^ unb ^ranäi§faner^eiben6ef errungen mürben
mir nietjt flug gemorben fein, bie tjätten mir nidjt 5itm hobelt
genommen. Stber ha mir fat)en, ha^ e§ in unferer beutfetjen
©pracfje 9ftenfct)en gibt, bie ben Reiben ba§ ©oangelium Der;
fünbigen, unb fie nefjmen'g an, fo tjaben mir gebaut: ma3
unferägleicrjen tun, fönnen mir auet) tun. Set) meifj ben £ag
unb bie ©tunbe unb ben 'ißlatj in <peuner3borf [bem SE3or)nfit3
ber ©rofjmutter 3in^nborf§] m Der Qtofsen Stube 5lnno 1708
ober 9, ba ict) ba§ erfte au§ ber 3 e ^ung tjabe Oon Dftinbien
lefen rjören, et)e noef) 23erict)te maren. 2)a ift auet) ba§ erfte
Verlangen bei mir entftanben; aber ict) t)ab'§ allein ntdt)t junt
Äonjept bringen fönnen, bt§ ?Inno 1714 ober 15, unb atfo balb
bor 40 Satjren im ^aebagogio gu £>alle. ^a ging id) einmal
mit SBatteöiHe jmifefjen ben roten Stafeten oor bem <paufe auf
unb ab, unb ba rebeteu mir mit einanber, bafe fiel) bie Reiben
boct) nietjt alle befet)ren mürben, bi§ mir grojg mürben; ma§
bann übrig bliebe, ba§ motlten mir §um §eitanb bringen. 2)a§
t)at fiel) in unferm ©emüt fo fort gemaetjt, biö e§ ?lnno 1731
jur ©jefution fam. 2lber barauf ftnb mir meber auS ber Sibel,
nocl) au§ ben 9teifebefd)reibungen, noct) au§ ben fel)r equiüoquen
Sericrjten gefommen, mie fie an bie Sozietät einlaufen au§ ben
engtiferjen Soften, fonbern bie erften 91 po fiel, ^ßlütfcrjau,
ßiegenbalg unb ©rünbter, tjaben un§ barauf gebraetjt;
mir tjaben fie gefetjen unb gefproetjen unb beinatje ein ganzes
Satjr an einem STifctje mit itjnen gegeffen, ba fie un§ bie Reiben-
fadc)e münbtiel) fo flar uub beutlict) gemaerjt, al§ mir'§ nietjt lefen
fönnen. £>at>on muffen mir ein banfbare§ 9lnbenfen begatten".
(£§ liegt natje anjunetjmen, bafj 3^ n ä enoor f g ~^ e ä u
Särael aus berfetben Duelle flamme. Sluguft ^ermann $rancfe,
felbft üon bem SSater ber beutfcljen Subenmiffion (£§bra§ (Sbjarb
in Hamburg (geft. 1707) im Sarjre 1682 lebhaft angeregt, mar
e§ ja, beffen Vorträge fpüter Sallenberg jur ©rünbung be§
f)allefcr)en Snftitutum Subaicum (angefangen 1728) oeranlafjt
tjaben. (£r l)at fietjerlierj auet) mät)renb be§ jungen 3i n ä cn0or ^
Slufentfjatt an ber ©crjule in £>atle (1710—16) in feinen
^ßrebigten über altteftamentlidje Xejte, mie er pflegte, bie ©aetje
her Suben roarm bertreten. Unb ßhtjenborf, oer im S0?ai 1721
al§ Sftacrjfotger be§ ^mei Saljre ^ubor entfcfjlafenen Ganftein in
ben SDienft bet Jjatlefd^en Slnftalten berufen unb nur burdj feine
Familie an ber 5lnnarjme ber Berufung gefyinbert roorben mar,
fcfjätjte bie ^rebigten $rantfe3, ben er nadj feinem Xobe in einer
Dbe 1 ) al§ einen „großen (Süangetiften" feierte, in beffen SRebe
baZ 2öort uom Äreug tjell geleuchtet fyabe,
„ber SBelt ein 2)onnerftrafjl,
ben Äämpfenben ein ©djroert jum Überroinben,
ben SBeinenben ein ©eelenabenbmaljl".
$)er Drben oom (Senfforn, ben ßin^enborf bamate mit
einigen abetigen $reunben begrünbete, nannte in ben urförüng-
licfjen, im Safjre 1714 abgefaßten (Statuten bie Suben nicfjt.
9lber e§ Ijeißt boct) im erften 9lrtifet berfelben 2 ): „2)ie ©lieber
biefer ©efeflfdjaft rooHen ba§ gange 9Jcenjtf)engefcfjlecrjt lieben",
im gmeiten: „Sie rooHen fein 93efte3 auf alle SBeife beförbern",
unb im britten: „Sie rooHen bie (Seelen mit ifjrem «Sdjötofer
unb, fobalb fie oom (Srtöfer mag miffen, auefj mit bem gu oer*
binben fudjen". 2Bo bie Siebe fo unioerfal aufgefaßt roirb, ftnb
bie Subcn ftcfjerlicfj ntct)t auSgefcfjloffen. Sefjr balb inbeä
mürbe bie Söefeljrung ber Suben au3brüctlicr) in bie (Statuten
aufgenommen. 3)a3 fieljt man au$ jenem Dteberfe eineä bem
Drben angerjörenben „regierenben §errn" üom Suni 1719, roorin
er erftärt, bah „er, al§ er p biefer ©efeUfctjaft au3 göttlicher
Regierung unb au§ eigener $8eroegni§ getreten, berfprocfjen rjabe,
nad) aüem Vermögen feinet üftäcfjften öefferung unb infonberfjeit
ber Suben unb Reiben 23eferjrung gu förbern". 3 ) ©ine ©pur
be§ in JpaHe gemonnenen Sntereffeä für bie Suben mag aud)
barin gefunben roerben, baß 3™5 en borf nact) feiner SRücfferjr gu
feiner Großmutter nacl) £enner§borf (1716) ein bort begonnenes
Xagebucfj mit „Thor Megora (beffer: Tur Megurim) s.
Series Peregrinationis" (Oteitje ber sßitgrimfcfjaft) über=
fdjrieb, 4 ) obroofjl er fonft ittd)t eben mit bebeutenben rjebräifdjen
») ^injenborf: Seutfdje ©ebidjte, 2. 2lufl. (1766), ©. 162 ff.
2 ) (3injenborf:) 33übingifcf)e Sammlungen XI (1743), ©. 651 f.
3 ) ©pangenberg: Seben 3inattrt>otf3 (1775) i t ©, 49.
4 ) §atl: Duellen (MS.) A., ©. 75.
ftenntniffen ba§ *ßäbagogium berltefe. 2)a§ erfte beutlicrje
3eugni§ finbet fidj in ginsenborfs Ijanbfcfyriftlicfjer Söefcfjreibung
fetner Snftruftionäreife in ben Sauren 1719 unb 20, betitelt: „Slttici
Söallfatjrt burdj bie 2ßelt in ©eutfcfjlanb unb in granfreidj."
$)ort er^lt er, Wie er auf bem Sßege nacf) ben Sftieberlanben
(ÜRai 1719) granffurt a. W. berührt fyabe. @r fagt babon:
„Sie (3- unb fein 9J?entor) !amen bann nacfj granffurt a. 50?.,
einer ©tabt, meiere ?lttico (b. fy. Q.) um feinet feiigen ^aten
D. (3pener§ willen, Weil er lebt, lieb fein wirb, welcher bafelbft
fjaubtfäcfjlict) gelebt unb gelerjret. @r befugte bort bie Suben-
gaffe unb «Stjnagoge unb erwog, wie balb e§ gefcfyefjen tonne,
hak 3§rael nacf) ber Haren Sßerfjeifjung ©otte§ feiig werben
fönne. ©arjer er e§ fefyr ungern fat), bafj man ba§ blinbe SBolf
alfo fet>r aufgietjt unb fdjraubt".
£)ie Steife ginjenborfg enbete im ©egember 1720 in ©djlofj
Haftel! in Sägern bei feiner Xante, ber oerwitweten ©räfin oon
ÄafteH, wo er burtf) ®ranff)eit länger, al§ urfprünglicf) be-
abftcfjtigt, ^u Oerweilen genötigt War. ©ort traf er bie jüngftc
Slomteffe, Xtjeobore, eben bamit befcfjäftigt, eine junge Sübin,
namen§ §lnna 9J?ofe, für bie SEaufe üoräubereiten. gingenborf
fdjrieb baOon am 7. ©egember 1720 an feinen greunb, ben
©rafen ^eufj XXIX., ber bie oon ^inaenbürf t;er§ltc£) geliebte
Xfjeobore balb barauf als fein Süßeib tjeimfütjrte 1 ): „©ie ©räfin
Xrjeobore, welctje ein t)olbfelige§ liebet ÜUJtibdjen unb ber
Suliana, welche mein Sruber befommen, weit oor^usiel)en ift,
fyat ein Subenmäbel, melcf)e§ am brüten Slbüentfonntag getauft
wirb, lange $eit felbft informiert". Stjeobore felbft er^lt in
iljrer Selbftbiograptjie 3 ) : „Sit biefer ßeit [al§ ßingenborf um
itjre <panb anfielt] rjatte idj audj fonft eine ernftlicrje Se-
ferjäftigung, inbem idj ein Subenmäbdtjen unterrichtete, baZ gern
wollte getauft fein unb ju bem Snbe oon meiner 2)?ama in
unfer <pau§ genommen war, oljngeacijtet oiele Suben im Ort
wohnten. Sei) liefe mir'§ fet>r angelegen fein, ifyr bie oon unferm
^ofprebiger aufgefegten 3 ra 9 en ä u lehren; unb weil mir btö
2 ) 3o^. Pitt: SDenlroürbigfeiien aur 5JrübetgefdjidE)te (MS.), 33b. V,
Aap. 12, § 125.
9 ) »rüberbote: 3at>rg. 11 (1873), ©. 32.
9_
fefyr grojj unb roidjtig üorfam, bei oöfligem SScrftanb getauft ju
merben, fo tat id) allen ^Ictfe, e§ Üjr audj midjtig unb fjer^^
beraeglict) §u machen, unb fie liejj ficr) ungemein begierig unb
motjl bagu an, ba bann bie STauffyanblung in öffentlicher Sftrcfje
gefdjal), nacrjbem ftc iJjr ©laubenSbefenntniä mit grofjer 33e=
megung it)re§ iper^enä abgelegt. 9J?etn SSetter gin^enborf u "b
id) roaren ^aufaeugen. <5ie befam ben tarnen ©optjia
Xljeobora Sienata. (£§ mar mir felbft roa§ fefjr 23eroegticr)e6
unb <Selige§ für mein £>erg. Unb id) liebte ba§ 9J?äbd)en gar
feljr unb nafjm midj ifyrer aurf) ferner im inneren unb Säujjeren
an, fo biet id) tonnte". 2tud) ^injenborf mar riefbemegt. ßum
©ebraucfje bei ber STauffeier bidjtete er ein Sieb, ba§ mir Ijier
mitteilen : ')
Schöpfer ber Statur — unb bcr Kreatur,
•pöre biefer ©eele ©freien,
3eug', aä) jeuge ftc oon neuem!
Öier ift Sßafferbab, — Sdjöpfer gro& »on Zatl
SOBeiä^ett au3 ber §öf>' — fd£>affe, bafe man fet)',
2Bie hu gerne Bei ben beuten
Seine Sagerftatt bereiten
Unb nad) beinern 33üb — fie erroecfen roilt.
©eift ber ©roigleit, — madje ftc bereit,
Safe fie nitfjt itjr 5ßfunb »ergrabe!
O bu eble ©otte§gabe,
©eufj auf biefeä Qauä — beine ©aben atö !
^injenborf brachte bie junge (Sfjriftin fpäter nad) feinem
@ute 23ertet3borf in ber Sauftij, auf beffen ^Territorium feit
1722 bie mätjrifc&e ©rulantenfolonie §errnt)ut cntftanb. ©ort
fjeiratete fie im Satjre 1726 ben l)errfd)aftlid)en ®ora- ober
^3aufd)reiber ©abriel Ärofer unb befam jur SluSftattung oon
^ingenborf 200 ©ulben ^atengelb. 2 ) £)rei Satire barauf erlebte
fie mie itjr 9J?ann eine ernfte ©rroedung, in bereu (Sifer fie
einen IjerglidEjen 95rief in ifjr Saterlanb fd)rieb, „bafelbft oon
') Sammlung geiffc unb lieblidjer Sieber, 3. 2lufl., £>errnE)Ut unb ©örlitj
bei 6. ©. SRardje (1731), 3?r. 175.
2 ) 3i"jeni>orf: Äurje Delation oon §errnfjut feit ber 2lbreife beS §errn
§eij, gefajrieben am 10. Suni 1727 (MS.), unter 9lr. 105.
10
ben SBunberbingen ©otte§ mit if)r 51t zeugen". 1 ) 3m Anfang
beS Satjreä 1731 tjatte fie fid) au§ nidjt merjr gu ermittetnben
©rünben bon ber <perrnt)uter ©emeinbe eine SBeite ferngehalten.
Slm 2. Slbril fanb ßin^enborf, al§ er, mie er aufteilen tat, bie
Sofung be3 5Eage§ (bamatä nodj nidjt gebrudt) in ben Käufern
Ijerumtrug, „bie 23aufd)reiberin bor 3?eue unb ©et)nen äerfloffen".
„öftren ÜJJtonn", er^ät)It er, 2 ) „rebete idj rur§ unb ernftlidj an,
bajj er bebenb fein (Slenb beitagte". S)aJ3 bamal§ feine
bauernbe (Sntfrembung ftattfanb, mufj man au3 bem Urteil
fdjtiefjen, ba§ ßinjenborf * m Satjre 1740 über fie fällte: 3 ) „£)ie
$rau 93aufdjreiberin liebt iljr 3SoI! unb mirb öon ifjnen geliebt,
batjer fie benen burdjbaffierenben 3>üben biel ©nte§ tut". 93alb
barauf Ijatte gingenborf ™bz% SSerantaffung, anber§ über fie 51t
urteilen. (Sin ©rief, beffen S?obie im Slrdjib ber Srüberunität
§u finben ift, geigt bie§ unb gi6t äugleidj einen Qüinblid in ben
rjeiligen (Sifer, mit bem ^ingenborf gu ben irjm nat)e getretenen
©liebern au§ bem .Sßotfe 3§rael gu reben pflegte. (£r fc^rieb
am 4. Dftober 1741, roärjrenb er auf feiner gtueiten Steife nacf)
3lmerifa roegen ungünftiger SBinbe im Äanal feftget)alten ttmrbc,
Dom @djtffe au§ an Renata $olgenbe<§: 4 )
„üftun, meine liebe Renata, ma§ ift au§ @udj roorben?
3>dj nuH§ (Sudj fagen, eine getaufte Sübin, ber bie SDede nodj
bor bem §ergen tjängt. SDfir ift nidjt§ abgegangen. S)a§ Samm,
ba§ mein §erg bei (Surer gangen <Sacfje getennet tjat, fjat midj
bteljer mandje $reube an Suben erle&en laffen. $)ie au§erroäf)lte
©djmefter ©rünbedin in ©otfja [Stinb einer ^ßrofetrjtenfamilie],
bie Wuctorin ber Sieber: ÜBenn frieg idj mein $teib ?c, ®nabe,
©nabc, fdjöne§ SBort 2c. unb SDem blutgen Samme 2c, roie aud)
D Sämmelein, gefdjladjt't ic, ift freiließ bie §aubtberfon barunter.
91ber aud) ®on Daniel üftunneg b'^Icofta, ber mid) au§ ®t.
XIjoma§ bi§ nadj 9J?arienborn begleitet Ijat, 5 ) ber nodj aus ber
') SMarium oon §ermJmi oon 1729 (MS.), untet betn 30. Januar un &
11. gebruar.
9 ) Sttarium oon £encnb>t 1731 (MS.) untet bem 2. Styrtf.
3 ) ginjenborf: Äleine ©djrifien, gebammelt in netfe^iebenen -Jtadjlefen
(fremnHise 9iac^lefe), 1740, ©. 739.
*) ßopie im Unitätäardjio, SRubrtf 16, 3lx. la, I, 1.
6 ) 3 m 3a(jre 1739, roooon fpäter j« berieten.
11
Snfcl Sanmique mit mir forrefponbicrr, unb ben icr) einmal unter
bcn 144000 [Dffenb, 7, 4] feljen merbc (boä lueife id)), f)ot
frf)on manche STräne um ba§ Samm öcrgoffen, ba§ Srjt nidjt
adjtet. Sei) meife mofjl, bafs S^r @uct) allemal mit einer grofjen
£>eitigfeit fcljmüden motfen; aber bic fyahc id) oon ^er^en »er*
achtet, unb ba$ i[t (Suer itngtüd. $)enn bie ^eiligen, bie nidjt
[uor ©ott] ©ünber finb, finb in ber Gemeine ber ^eiligen infam.
3<f) t)alt'§ mit ber ©ünberfippfrfjaft, bie D. Suttjer fein £>er-$
erfreute. 3d) bin mit meinen Sftitfünbern bei meinem §er§en
geblieben unb beim Samm. 3)a3 finb mir nod), unb ift un§
allen toofji 2Bo feib 3§r armes Äinb? — £)enft ntdEjt, bafs
id) (Sucf) atleä fürmerfen miU, ma§ Sl)t ber ©emeine gumiber
getan fjabt. 3>a§ finb bie (Sachen nidjt, bie mid) brüden. Set)
meifj, bajj ba§ folgen finb oon bem böfen ^per^en, ©trafen ber
Sluftjaltung ber 2Bat)rt)eit in ltngered)tigfeit, Vorläufer be§
9teid)§ ber £)ötle, ba ber SScrfläger ber ©ruber <perr ift. Strtegt
St)r mein gefegneteö liebet ^cr^en^lamm, mirb'§ mieber (Suer
gemogener $ürft, fo ift baZ aüe§ «ergeben unb bergeffen, unb
(£ure3 .^(Srrn greube über @ud) ©ünberin maetjt nnS alle
mieber gut auf (£udj.
2)a§ ift ba§ *ßünftdjen f mo icf) 6udE) nod) ermarte, unb
ba§ Stjr bod) üielleidjt nirgenbS finbet, al§ einmal mieber in
meinem £>aufe. Sn^mifcljeu bebenft, baß 3rt)t* eine ©enteilte
©otteä betrübt Ijabt, bcifo @ud) ber £>err mieber betrüben mirb,
menn fie nidjt für (Sud) bittet unb (Sud) öergibt. Slber moUt
Stjr, njoKtS^r feiig fein? 23oüt 3§r (Sud) um Sefum frönten?
öafet (Sud) auet) ba§ Sitte reu'n! SSie oft Ijabt 3(jr mir btö
öerfüroerjen unb nie gehalten! ©a§ ift üorbei. Sdj füffe (Sud)
bod) mit bem ^rieben be§ §(Srrn im ©etft meinet ©emütS.
3d) gebiete im tarnen meinet £>errn Sefu (Sfjrifti (Suerem
Reiniger, bafj er (Sud) öertaffe, fobalb 3>f)r moüt. 3>ctj ber*
fpredtje (Sud) Slbfotution üon allen (Sueren @üuben, fobalb Styl'
fie bebürft, unb bin (Suer treuer greuttb z."
^in^enborf t>atte im 3al)r 1740, auf bie legten fünf Safyre
jurüdblidenb, im Slnfcrjlufj an bie oben mitgeteilte 93emerfung
über bie „$rau Saufcljreiberin" bemerft: „Unb ba§ ift unfere
(Sonnerjon mit ben Süben". ©leidjmol)! mar bamit teine§meg§
bie einzige SBe^teljung be§ bamaligen Jperrnfyut unb be3 ©rafen
12
Sit ©Hebern auä biefem SSol! genannt. 28ir greifen, nad)bem
mir ginjenborfä SBe^ieljung gu feinem iübifdjen ^atenfinb bis gu
(Snbe öerfolgt, auf ben Stnfang biefeS SafjrgetjntS gurüd
9ll§ ginäenborf im (September 1730 in Serieburg in ber
SBetterau bie bortigen Snfpirierten befugte unb merjrfacf) für
bie ©rmecften ber bortigen ©egenb im ©djloffe be§ ©rafen §u
©arjn - Sßittgenftein gotte§bienftlid)e SSerfammlungen abhielt,
macfjte ba§ fold)e§ Slufferjen, bafc aucfj bie Subenfdjaft be§ DrteS
burcfj deputierte um Erlaubnis bat, baran teilnehmen gu bürfen.
(Sine ©cfjar öon etroa 20 Suben, Sübinnen unb ifjren SHnbern
erfcrjien benn audj im ©djloffe. ßin^enborf fcfjrieb baöon: 1 )
„5ll£ idj fie faf), entfcEjIo^ icf) mictj, bei großer @cfjmacfjt)eit r
ifjnen e£prefj ju prebigen. 3cfj uarjm bie Sßorte: 9Mcfjifebecr),
ber Äönig oon ©alern, mar ein ^Sriefter ©otteS be§ £öcfjften
unb fegnete ben 5lbrarjam (1. üftof. 14, 18. 19, öergticfjen mit
bem 110. $falm). hierüber rebete icfj mit inniger SSeroegung
unb großer greubigfeit öon unferm eroigen Mittler unb £>orjen=
priefter. 5IHe meine SemeiSgrünbe narjm id) au§ bem alten
^eftamente, brang aber immer auf ha^ 3 eu 9 m§ oe§ §e^en§,
auf ben ®ampf unb @ieg mit SafobS SBaffen (£>ofea 12, 4).
2)ie Suben mürben teils bi§ §u tränen gerührt". Siefe 9iebe
öor Suben mar nict)t bie einzige 3 w 5 enoor f g - SSenige Monate
fpäter ferjen mir ifm im §errntjuter (SrbauungSfaal in ®egen=
mart etlicher Suben in Slnterjnung an ben ©prucfj (^ßreb. 7, 29):
„Unter taufenb rjabe icfj einen 99?ann funben", „bom Sfteffia
burcfj'S gange s illte Xeftament" jeugen. 2 ) Serartige sBefucfje oon
Suben famen in £>errnt)ut öftere bor. 5lm 1. Slpril beSfelben
SatjreS (1731) erfrfjien ein Sube mit feiner grau im ©aftrjofe
unb mürbe bort „öon ben Srübern treulidj unb grünbtidj untere
miefen". 3 ) 3m Satire 1734 ift eS ein reifer ^rofettyt au£
Sraunfcfjmeig, melctjer bie ©emeine rennen lernen miß unb fein
<per5 Spangenberg aufbedt, ber it)m ba£ ßeugniS gibt, bafj „er
') ©pangenberg: Seben 3in§enborf§ I, ©. 628. ©eltfamertoeife fdjeint
3-§ brieflicher Seridjt in bie <jjänbe SaUenbergä in JpaHe geraten ju fein, nrie
ou§ bem SEBortlaut feiner ÜJKtteifong (Serid&ie Dom Inst. Jud. 6. gortf. (1734),
©. 5 f.), gefdjloffen werben mufj.
s ) 2)iarium oon £errnf)ut oon 1731 (MS.) unter bem 10. 3<"umr.
s ) SMarium oon §errn&,ut oon 1731 (MS.) unter bem 1. Slpril.
13
aufrichtig unb entlief) fei, aber otjne ©ott". 1 ) 3m £>erbft eben
biefeS SarjreS natjm ein anberer Sube auf längere 3eit feinen
äöotmfifj in £>ermt)ut. @§ mar ein 20jät)riger Süngling, namens
(Samuel, ben ein $reunb ber ©emeine au§ (Sorau mitgebracht
rjatte. Gür geigte balb (Spuren ernften Snftcfjgefjenä. Sn einem
(Schreiben , morin er feine Söufjftimmung unb fein (Seinen nad)
ßtjrifto unb feinem ©nabenbunb auäfpract), bat er bie (Verneine,
bafe fie burd) tEjre ^ürbitte itjm fämpfen rjetfe. Später flagte
er über Sftanget unb bat, ujn ftatt be§ bürftigen Unterhalt ge=
mätjrenben §ofebienfte§ (Scrjneiberarbeit tun gu laffen, morauf
man aucr) einging. Sll§ am 22. Sanuar 1735 ein anberer Sube
in §ermf)ut feinen «Sabbatt) abhielt unb ben ©otte§bienft be=
fuctjte, mürbe er bon (Samuel freunbticfj bettrirtet. (Snblict)
mürbe er aber ber Arbeit unb be§ 2ßarten§ auf bie Saufe über=
brüffig unb begab fief) in Hoffnung auf fdmeHere (SrfüHung
feinet 2Sunfcr)e£ nact) Berlin. 2 )
3m (Spättjerbft biefeS Safjreä machte gingenborf eine Steife
in bie (Scfjmeig, bie§mal olme alle Begleitung unb gum Seil §u
$uf$. (Sr fcrjrieb untermegS an feine ©emarjlin: 3 ) „©efällt bir
beineS 9J?anne§ ^ilgerfctjaft auf gut Sa! obämäfjig ? Sei) preife
ben ipeilanb fetjr innig, bajj icr) aucl) ein menig erfahre, ma§
SSanbern tjeifjt. 2)en Überrocf tjätte idt) füllen gu Jpaufe laffen;
ber brücft. O, ma§ man fiel) at3 Bequemlidjfeiten auSbenft,
finb matjre 23efct)merungen! Unb mer'§ auf feinen £>errn auf
alles lo§ magt, ber fjat'3 am beften." Bon bem SBege nact)
Baireutt) ergäbt er: „äfteine (Speifen maren brei Birnen unb
Brot an biefem Sage. Sei) mar ferjr öergnügt in bem Jpeitanb.
<So lang e£ Sag mar, t)atte eö megen be§ ©etjenä leine
©crjmierigfeit. Steine Büdner, (Schriften unb SßäfcEje tjatte icrj
im Überrocf. 3)a e§ um 5 Ut)r Üftact)t marb, bis 9 Uf)r,
ba mir anfamen, ging'S ein biäcrjen ferner; benn e§ gab fo
öiel Slot unb (Steine, bafj faft nidjt fortjulommen mar. 5Iber
ber <p(£rr tjalf gang gut burcr); bodt) renlte icf) mir ben einen
$ufj au§, ben guten, liefen Slbenb fjielt icf) bie fonntäglidje
*) ©iarium con 1734 (MS.) unter bem 5. 3Jtai.
9 ) Siarium oon 1734 (MS.) unter bem 28. Sluguft, 17. Sfooember,
24. ©ejemter, Siartum oon 1735 unter bem 22. Januar, 21. gebruar.
■) ©röger: ©efdjidjte ber erneuerten SBrüberfirdje (1852), I, ©. 269 f.
14
©ingftunbe auf meinem mutanten 323ege mit grofjer $reube.
— 3n Nürnberg, in ber Söttdjerrjerberge, gab idj ben legten
§eüer meinem Äutfdjer. $u TOtag ajj id) nidjt. 2lbenb§
mufjte id), um bie Seute nidjt böfe ju madjen, mir ein wenig
^eterfilienmurjeln geben laffen. 2)er liebe §eitanb fegnete e3".
$)iefer ^ilgergang mar gugteitf) ein 9Jäffion3gang. (5r fonnte
nidjt ablaffen, ben s Jieifegefät)rten, bie er traf, üon Sefu ju fagen
unb ju fingen. @o mufc er aucf) einem Suben, §erfdj gromb
au§ $üxtt}, bamatö begegnet fein, an ben er bann üon ^üricfj
au§ einen ©rief richtete. 35ie nadj aüen Regeln bamaliger
Jpöflidjfeit abgefaßte $lntroort gromb§, batiert ben 5. ©eaember
1735 üon gürtfj, ift nod) erhalten. ') 9Jton fietjt barauS, ba$
bie entgegenfommenbe Xeilnatjme unb Siebe be§ ©rafen auf ben
Suben einen tiefen ©inbrud gemalt rjatte. (£r fdt)reibt: „Set)
üerficfjere, bafc mie idj bie ßrjre gehabt, (Sro. fjodjgräfl. ©r^ellens
rjotje ©egenroart gnäbig ju ferjeu, mir nod) bi§ bato eine grofie
greube barauS mad)e unb gehabt fjabe, fintemalen üon ©ie ein
unb aubereS, fo jur ©otteäfurcfjt bienlid) gemefen, gefjört unb
üernommen, ba% id) balb niemals üon einem in ber Sßelt üer;
nommen, barüber id) mictj rjödjlid) freue, unb (5ro. Ijodjgräft.
Sr^eüenj, roeld)e§ Slnbenten niemals au3 meinem ©emüte fommen
roerben, nidt)t§ merjr roünfdje, nur bie frorje ©nabe unb (5t)re
ju genießen, ©ro. t)ocf)gräfl. ©jäeHen^ bermaleinft in meiner
fdjledjten öemotjnung nad) meiner Sßenigfeit aufzuwarten.
©djttefjücfj aber empfehle id) ©ie in ©otteS ©djutj unb ber
(Srlöfung SSraeliö, bajg felbige, roeldje in ber Zeitigen «Sdjrift
unb Sßroürjeten genugfam gegrünbet unb erroiefen, burdj bie
©nabe ©otteS unb beä ^eiligen ©eifteä alle äftenfdjen mögen
erleuchtet unb äugleict) un * er eme §erbe nact) ber gefegneten
SöeiSfagung mögen gebracht unb erfüllet roerben, felbige bie
©nabenjeit genießen, ©ott ben Slllmäcfjtigen ju rühmen unb $u
üreifen". SSon biefem Suben tjat $inäenborf brei Safjre füäter
gefagt, 2 ) er fei nid)t ferne öom 9fJeicfjc ©otte§, ta er ba§
53. Äaüitel be§ ^ßroütjeten Sefaja üon Sefu üerftefye, obroorjl er
ifjn al§ üotten ©Triften nid)t aner!ennen tonnte.
') Uniiäiäard&io, 9tobr. 16, 5»r. la, IIa, 6.
*) 6. unten ©. 21.
15
3lte ginäenborf im 3 rü M a ^ r 1736 ourcr ) e * n heftet ber
fädjjtfdjen SanbeSregierung aus ber <peimat oermiefen war, Ijat
irjn fidjerücfj ber 2öunfrf), unter ben Suben tätig %vl fein, mit
bemogen, im (Sommer jeneä Sarjreä in ber teuften, üon ßigeunern,
Suben unb Sieben beüölferten 9?onneburg feinen 3ßorjnfi| auf=
äufct)tagen. (Sfjriftian Saüib, ben er abgefcrjidtt rjatte, ba§ (Sdjlojs
ju beferjen, rjatte irjm gefagt: „2)a fönnen <Sie nietjt motmen!"
Unb alz ber ©raf ernriberte: „Srjriftian, bift 3)u nicfjt in ©rön=
lanb geroefen?" erftärte er: „3a, menn'3 roie in ©röntanb
toäre; aber ba !önnen <Sie nierjt rjin, (Sie muffen öerberben!"
gin^enborf fdjrieb, nact)bem er eingesogen mar: „£)a£ (Sdjlofe
felbft ift fcräcfjtig, aber gerabe roie bie üermünfcfjten (Scrjlöffer in
ben Sßroprjeten befcfjrieben roerben: bie Reifen, bie Söcrjer, bie
milben (Strand)' 2C 1 ) Söät einer SRebe über i>a% Güöangeiium
oom öertorenen <Sd)af unb ©rofcfjen machte er ben Anfang
feiner Xätigfeit. Söeroegt banften irjm bie fübifcfjen unb nidt)t=
jübifetjen Semotjuer ber Söurg, bajj er fiefj itjrer annehmen motte.
SefonberS maren e§ irjre öerroafjrtoften SHnber, benen ber ®raf
feine liebeüotte SCätigfeit mibmete. (Sie mürben beroirtet, befdjenft
unb täglicrj unterrichtet. 2 ) Ob bie ^Serfon jenes efyrmürbigen
SRabbi Slbrafjam, meiere in ©(aubrecfjtö (Säuberung jener Xage
eine fo tjerüorragenbe ^otte fpiett, rjiftorifd) ift, mufj inbeö fetjr
be^meifett merben. 3 ) «Sie ift roofjt nur bicfjterifcfje Sttuftration
ber mirftierjen (Sreigniffe. (Seiner felbft acfjtete 3inäenborf babei
nidt)t unb mochte mot)i mit ben 5lnforberungen, bie barauö
feinen gamitien= unb §au3genoffen erroucfjfen, unter benen fidj
auefj Sieberfüfyn befanb, 4 ) ^uroeiten redjt befctjirjerlict) fatten.
J ) 2lnfpielung an bie ©tropfe eine§ £iebe§ oon 3in?eni>orf Dorn %afyxt
1735 (©efangbua) oon 1741, 3lx. 1069): „3Bo feib i^r, ü)r ©djüler ber eroigen
©nabe, ifjr Äreujgenoffen unfer§ §errn? 2öo fpütrt man eure geheiligten
$fabe, forooljl bat)eim al3 in ber gern'? 2tö r SWaucraerbredjer, roo fiet)t man
eudj? 35ie fjelfen, bie Södjer, bie roilben ©träueb/, bie Snfeln ber Reiben,
bie tobenben Seilen finb eure r>or altera beftimmeten ©teilen."
*) ©röger: ©efdjidjte ber erneuerten Srüberlirdje, I (1852), ©. 300.
©pangenberg : geben 3injenbo*f3 I, ©. 978 ff.
3 ) ©laubtedjt (Defer) : £. in b. SBetterau 1, 2. 2lu§g. 1860. 2)odjj fdjemt Oefet
t>on 5. ©• §orft (über iljn be le Slot, a. a. D., ©. 323) einige 9todjr. befeffen ju b,aben.
*) 2lu§ Sieberfü^nS 3;agebud^ (MS.) fiet)t man, ba| er jc^on bamalä
99ejiel)ungen ju ben 3u^ en fuc^tc. ©r nab.m an einer Sefd^neibungäfeier in
Tübingen teil unb befua)te in ©einkaufen ben Rabbiner. SSergl. ©. 54.
16
(Sr fd)rieb bamalä öon fid) mit 9tedjt: „Über öiefer meiner
Sßaffion [ber Slrbeit an toten unb (Sienben] toage idj alle§
bar an; benn td) bin fo öofl SJcitleiben unb Erbarmen gegen
bie Sflenfdjenfeelen, unb mein §eilanb ift mir fo lieb, ba^ t§>
am SEage ift, raa§ idj fcfjon fafrificieret. Unb baZ ift ein
geringes, benn idj raage Seib unb Seben baran".
9luf ber Steife nadj Sieflanb, roetcf)c gingenborf öon ber
9ionneburg au§ antrat, fam er im 9tuguft 1736 in Segleitung
SieberfürjnS nacrj §atle. ©ort ergäljlte man ifjm üon einer
Sübin, namen§ Subitf) ©djaul, 1 ) raetcrje auf raunberbare 28eife
erraedt raorben fei. 21l§ fiebenjäljrigeS Sünb fyatte fie ein Silb
be§ ©efreu^igten gefefyen, ba§ auf fie einen fo ergreifenben (Sin-
brudt madjte, baf; fie toeinenb au§rief: „gu biefem ©ort mitl
id) midj aucfj befennen!" 35on batjer raar iiji eine ftete llnrufje
geblieben, bie fie, nadjbem fie tjerangeraadjfen raar, enblid) üer^
anlaste, in ein d)riftlidje§ §au§ gu flüchten, um ba ben 2Beg
jur ©eligteit gu fudjen. 3^ n ä en00r f fofc fie §u fid) fommen.
©ie erjäfjlt üon biefem 3 u f ammenire ff en : „@t fragte nüdj, ob
idj ein $olf @otte§ fefjen raotle? Set) antwortete: „Sa, ba§
ift e£, raa§ idj öon meiner Stinbtjeit an gefudjt rjabe unb ntdjt
erlangen fonnte". (£r fragte nodj einmal, ob e§ mein ganger
©inn fei; unb idj erraiberte: „Sa, öon ganzem {gerjen!" — Sd)
macfjte mid) alfo reifefertig, unb in 24 ©tunben raar idj fdjon
auf bem SBagen, um nad) §errnrjut gu reifen".
Sn Jperrnrjut traf fie 3^äfnborf, at§ er @nbe Suni 1737,
auf grunb einer (üsrlaubniä be§ Äurfürften öon ©actjfen, bortfjin
gurüdfetjrte. Sie ftagt, baf} fie öorrjer lange ßdt Eingegangen
fei, oljne ber (Stimme be§ an irjrem §ergen arbeitenben ©eifte»
©otte3 offene^ ©eljör $x fdjenfen. (£ine Unterrebung S^W n '
borfS mit irjr machte aber tiefen (Sinbrud unb braute fie raieber
„auf ben fttoed irjreö £>ierfein§". Sn ber bamal§ angelegten,
aber balb raieber aufgehobenen Kolonie ^ßitgerrurj emöfing fie,
2 ) 3" üjrem, non tyt in Ijoijem 2Hter mebergefd&riebenen „Sc6cn§s
lauf" (©emeümadjridjjien 1873, II, 3) nennt fie ben 2lugufi 1735 als bie
3eit iljreä Qalammtttbceftenä mü 3inicnborf. Serfelbe raar aber im 2Iuguft
jenes SaljreS nidji in ipalle. ©ie fyat fid) um ein Saljr Derredjnet. — ©ie
mar geboren am 1. ©epiember 1710 ju Dranienbaum bei 35eflau unb ftarb
am 30. Januar 1793 in 3eift (^oßanb).
• 17
ai§> man bei einer feueren Äranfljeit ifyren nafjen %ob fürdjtete,
am 3. Sftoüember 1737 1 ) bie tjeilige Xaufe, unb fjat bann, im
Sarjre 1738 mit bem mätjrifdjen ©julanten Sofepl) ®emutt) 2 )
in bie ©Ije getreten, mit ifjrem Wann im ©ienft ber 93rüber,
längere 3eit in ber Umgebung ßinjenborfS, öon 1750 an in
3«ft in £>oHanb geroirft. 2113 [ie als 83jät)rige ©reifin
entfdjftef, gab man il)r i>a% Zeugnis, tafo [ie in ber ©elbft^
erfenntniS unb bem Vertrauen auf ben (Srlöfer |e länger, befto
metjr fortgefdjritten fei, unb jum ©cfjtufe „roie ein gutes Stinb
itjre S£age üergnügt öertebte unb immer nur ^u toben unb 51t
banden fjatte". Sf)t $olt Ijatte fie nidjt öergeffen. Unabläffig
betete fie, bafc e§ bodj auefj fetig roerbe.
2)a£ 9Jäffion§merf ber Vorüber t)atte fidj in ben Saljren
1732—36 fcfjon geraaltig auSgebefmt. 3ln bie foeftinbifdje
Sftiffion unter ben Negern fjatte fid) bie grönlänbifdje unter
ben (S§ftmo§ angefdjloffen. 3 U oen Sappen im nörblidjen
©crjmeben maren SJäffionare gegangen. 3m norbamerifanijdjen
©eorgien ronrbe ben Snbianern, im fübamerifanifdjen (Suriname
ben Negern $>a% (Söangetium berfünbigt. 3 U oen Hottentotten
«SübafrifaS unb ben üftegern öon ©uinea maren griebenäboten
fcfjon auf bem SSege. Sn ben näcfjften Sauren folgten nod)
tuettere Unternehmungen. SErotjbem mürben bie Suben nidc)t
Oergeffen. ginsenborf fcfjrieb am 20. SKoöember 1736 an
©pangenberg, ber fiel) bamatä in Slmerifa auffielt: „Scfj mufj
mein Sluge auf folgenbeS tjaben, unb §mar genau: 1) auf <perrn-
t)ut, bafc e§ unüerrücft bleibe mit feinem Departement in Saufijj,
SBenben unb ©djtefien, 2) auf bie £eibenfacf)e, 3) auf's 3uben=
mefen, 4) auf ben Äönig öon ^reufjen in connexu ber @at^
burger, ber märjrifcrjen Srüber unb meines geiftlicfjen ©tanbeS."
Um fo auffaüenber ferjeint eS, ba$ er menige Sßodjen fpätcr,
als er feine Mitarbeiter im ©Stoffe 9J?arienbom 31t einer
2 ) 3l\d)t 1736, roie fie fdjreibt; benn 5ßtlgerru[) rourbe erft im §erbft
1737 angelegt. S. Sonjer: (ginige gefcf). SJiorijen iiöer b. SBrübergem. in
Elftem von 1735 6i§ 1855 (0. g.), ©. 8.
2 ) gofef ©emutf), geb. am 19. 3Mr} 1707 31t Sarläborf in 2HcU)ten,
ein 3af)r fang wegen feines ©tauöen§ im ®efcmgni3; 13 Saljre lang gelähmt,
entfc^Cief er am 27. 5Jooem5et 1783. ©ein „SeöenSlauf" in ©emetn=
nackten 1873, II, 3.
2
28_
Ä'onferenj um fttf) ücrfammelt rjatte, auäbrüdUcr) erflärte: 1 )
„2)ie Subenfadje ift nidjt barum ju fuäpenbieren, weil bie ,3eit
nod) nidjt ba rt)äte, fonbern lueil ber $tan nod) fcfjtef ift".
£>ie (Srfotge fd)ienen ifjm lüofjt mit beit aufgemanbten $8e-
miUmngen nidjt im (Sinflang 51t fielen. S)ie Urfactje baüon
juckte er baiin, ba$ ber richtige 2Beg nod) nidjt gefunben fei.
9lu§ biefem ©umbe tonnte er 51t ber 9iu§fenbung eine! eigenen
SJäffionarS unter fie fid) nicfjt entfdjUefjeu. ©eine 9lufmerffamfeit
blieb tro^bem auf 3§raet geridjtet. (£r kartete auf bcn rechten
ßeitpunft. 2)od) fjat er nid)t rüiberfpredjen tonnen, als ^mei
3a|re fpäter einer fetner beften ©e()ülfen au§ eigenem antriebe
eine 3ubenmiffion3tätigfeit beginnen rooßte.
(SS mar Seonbjarb ©ober, 2 ) ber erfte §eibenmiffionar ber
Vorüber in <3t. XrjomaS oou 1732—34, 001t bort jUtrüctgerufen,
um bau 3lmt eines Dberälteften ber mit §errnljut oerbunbeneu
iörubergemeinfdjaften 51t übernehmen, ber im Sommer 1738
ßiuäenborf erflärte, bajg, wenn aßen Golfern ba3 Süangelium
oertünbigt merbe, bie Suben itic£)t teer au^getjeu foltten. Sijili-
aftifdje Sbeen tagen i()m fern.
(§r fang bamat§, efje er feinen neuen 93ernf antrat: 3 )
1. SßieiS fei bem 93Iute,
SaS buttf) bie @vbe roattt!
Unb atteS ©ute
3ft of)ne bief) nur lalt.
•JUdjtä gilt, als> roaS bafyev gefloffen ;
JDenn warum roär' fonft ba3 93lut uergofjen?
2. Sticht unfre ©tärfe
3ft'§, bie 3^» j« unS &<rt,
Unb feine 3B erte,
Äein bi3d)en £un nod) 2at;
©onbern ©ein freies Siebeäerbarmen
3°9 SD" 5U ©ünbern, 31t £otcn unb Sinnen.
') Acta historico-ecclesiastica fratrum (MS.), I, ©. 1C8.
2 ) Sßgl. Äuvje Sebenäbefdjreibungen merfroürbiger Scanner II (1841),
©. 63 ff.; ». ©djrautenbadf) : SDer ©raf ^injenborf (1853), ©. 294 ff.
s ) £erml>uter ©efangbud) (1741), SRr. 1238. £>ie Datierung ift Ijanb*
fcfyriftlitf) bezeugt.
19
3. 3" Seiner Siebe
Äann unfer §erje rufm,
Unb ©einer triebe
©ebraudjen wir junt £un.
So geljt e§ fort burct) taufenb ©rabe,
Stefjenb unb gefyenb im ©treiterpfabe.
4. SBie get)t'§ fo roillig
2)em treuen Samme nacfj!
2Bie tfk*l fo billig,
2>em ©eine fcfyöne ©dE)mad}
3Sor'§ Sager brausen nacrjjutragen,
S)er ©icfi, lief? für un§ nn§ Äreuse fdfjfogen.
5. SBir TOoIl'n mit $reuben
3dm ju ©ebote ftefm,
2Benn mir audf) fcfyeiben,
3u ^tmt jufammen geb,n;
Srum bürfen mir niögt Slbfrfjieb nehmen,
2113 ob mir nict)t meljr jufammentamen.
9(n ben ©rafen ßinacnborf aber fanbtc ©ober am 17. 3n(i
1738 öon granffurt a. 9J?ain au3 fotgenben, nod) im Original
erhaltenen Scrjeibegrujj: 1 )
„Sieber unb teurer gnäbiger §err!
Sftun ift bie $eit ha, tafa ict) nun roerbe auf Sefu SBort
ge()n. 3dj t)ab' nidjtS als ©eine ©nabe; bie mufj micl) roieber
anroeifen, mie in ©t. StfjomaS. ©enfen (Sie an mict)! Unfre
Ijcutige Sofung rjat mict) fetjr erfreut unb bin getroft unb glaube,
bajg (Sr (Sein §au§ roirb roiffen aud) in Slmfterbam unter ben
Suben aufzurichten. Übrigen^ fann id) fo biet fagen, bafj id)
Sie innig unb äärtlid) liebe unb Sie mir teuer unb roert finb,
unb freue micl), Sie in Jpoltanb 51t empfangen. 3er) fuffe
Sie in unferm erroürgten ßamm unb bin 3l)r armer,
aber boct) üerbunbener Sruber ß. ©ober."
Sn 9Imfterbam liejj fiel) ©ober mit feiner grau 9tnna,
geb. (Sdjinbler, einer nid)t unbegabten Sieberbidjterin, im 3uben=
oiertet uieber. ©ort fjat er, fiel) felbft fein Sorot üerbienenb,
unter tuet (Entbehrungen burd) SSort unb SBerf feinen foeitanb
bezeugt. Sefonbere Äenntniffe, mie fie einem Subenmiffionar
UnitätSardjin, SRuBr. 16, 5Hr. 1 a, I, 3.
20_
nü^tid^ ftnb, fehlten bem ehemaligen Töpfer. Stber buret) Seftüre
ber ^eiligen ©crjrift unb ber Äird)engefd)ictjte fjatte er eine
gefunbe crjrifttidje (£rrenntni§ gewonnen, ©ereifteä Urteil,
nüchternes Sßefen, unermüblidjer ©ienfteifer, botle <pingabe an
ben £>errn geic^neten ifyn au§. <So fonnte er unb feine ifjm
gleidjgefinnte ©attin ben Suben als fjeüfameS SBorbitb djriftücf)
geheiligten SSanbelS unb 3Sorte§ bienen. 2tu§ feiner tränen*
reichen Arbeit unter 3§rael t)erau§ fang Seonljarb ©ober in
Ämftcrbam : l )
S)a§ Ijeifjt feine Sßrobe machen,
Ob man aUeö auf 2$" roagt,
3Benn ©r unter allen ©aa)en
Smmer nacb, bem tiebften fragt,
D6 nur rooHen SBege gefyen,
Sie roir niajt gerooljnet ftnb,
S)a, roenn aßeä gern gefa)et)en,
2Kan nodj roenig $reube finb't.
2tßer roer roirb etroa§ fagen
SBtber'3 ßreuj, ba $efu§ ©fijift,
2)er bie ©ünben brauf getragen,
$)amit eingeleitet ift?
Simmer madj'S nadj beinern ©inne,
Unfer treu erfunb'ner greunb?
SBenn idj nur für btd) geraume,
Ob mir '3 gleicf) oerloren fdjeint!
Seilten in biefem SSerf aulrjarrenben ©tauben§ traf Ringens
borf ©ober, alä er ©nbe Dftober 1738 in 5lmfterbam anlangte,
um fid) bon bort nact) SSeftinbien eingufdjiffen. ©r tjatte bamal§
Sßeranlaffung, bor feiner ^eife, bereu Ausgang gtoeifeltjaft fein
fonnte, fid) in berfdjiebener Ürictjtung nod) einmal beuttiefj gu
erftären. ®en feltfamen SBorrourf, er glaube, bafj man aud)
ofme mirftidie (Srfenntniä (Stjrifti feiig merben !önne f nne§ er
') 2Dir teilen bie urfprünglidje gorm be3 Siebes naa) bem ^errnfjuter
©efangbud) von 1741 (9tr. 1261) mit. 2)ie in ben ©efangbüojern ber Srüber
feit 1778 befinblidje, nidjt fetjr »ortetltjafte Umbicfjtung ftammt oon ©f)r.
(55regor. 3)ie Datierung beruht auf ^anbfcr)rifttict)er 33ejeugung.
21
gurüd, inbem er auSbrüdlicr) erHärte: 1 ) „Sdj glaube unb tjabe
fdjon oftmals bie (Srftärung getan, bafj fein SOTenfd) in einiger
Religion üon ber Sßett fann fetig werben, ber unfern £>errn
Sefum (Stjriftum nictjt als toarjrrjaftigen, emigen unb tebenbigen
©ott erfahret, unb ber nicfjt in bie SSerfötmung burctj ©ein
$8lut feine ©eligfeit fetjet. — (SS beftnbet ftd) otmmeit Nürnberg
ein gemiffer Sube, melier bie ©eutung beS 53. Kapitels Sefaia
auf unfern £>errn Sefum gugeftetjet. SSon biefem fjabe ict) gefagt,
bafc er nicrjt fern fei Dom ©tauben. Sebod) (}alte id)
roeber üjn, nocf) alle bie übrigen, bie uniern <perrn nicfjt als
für ein unb allemal getreugigt unb ferner als ben magren ©ott
befennen, feineSroegS für SBrüber. ^cJ) madje in alten SReben
Oon ber 23efel)rung ben 5lnfang mit 3>efu, unb nenne (Seinen
^eiligen üftamen bei allen Suben, ausgenommen gemiffe arme
9J?enfd)en unter ifjnen, melcfjen Oon itjren ÜBorfängern aus einer
befonberen 2)ummf)eit Oerboten ift, biefen üftamen anjurjören,
barjer man üon 3>l)m unter bem tarnen beS JpeitanbS ober
©eligmadjerS §u reben pflegt".
üftocfj öon STejel aus, einige ©tunben bor ber 2lbfat)rt (
nannte er in einem SRütfbtid auf ben (Sinbrud, ben er in
(Suropa ^urüdlaffe, an erfter ©teile bie Suben. (Sr fagt Oon
irjnen: 2 ) „2)ie Suben mären jiemltd^ mit mir aufrieben unb
mürben mid) üietleidjt am erften üor einen Söar SSraet tjatten,
menn id) i^nen ben 9)?effiaS nicfjt gum ©ott machte; unb id)
mujj ifmen üieten baS 3 eu 9 n ^ geben, mit melcfjen mid) mein
§@rr fjat befannt merben laffen, bafj fie unter unfern UnitariiS
ihresgleichen finben, unb ben Sefajam, menn er unferS Königs
Seiben unb §errtidjfeit befcfjreibt, gan§ fein Oerftefjen. (5S mill
ifjnen nur nicfjt ein, menn fie auf bie $rage: SSie fjeifjt ber
bie £)immel gemalt fjat, mie fjeijgt er, unb mie fjeifjt fein ©ofjn?
antmorten fotten. 3d) fönnte irjnen mofjl aucfj einmal fagen,
bafj baS SBiegenfinb, baS mir unb ber ganzen 2öelt geboren
morben, ber ©ofjn, ber mir unb ber gangen SSelt gu gut in
') ©rief an P. ©dE)ipf)out in ginjenborf: SCfjeologtfdje Sebenfen (1742),
©. 117 ff., unb Sübingifdje (Sammlung, VII (1742), ©. 57 ff.
2 ) ©djrei&en an einen Sruber, £f)eoI. SBebenlen ©. 104 ff. unb
33übing. Sammlung, VII, ©. 223 ff.
22
eine Grippe gelegt morben, ber ftarfe ©ott ift, ber ©ort mit unö
unb mir unb ilmen, otme bafj fie 3t)n fennen.
3dj gebe mid) aber nierjt baüor au3, baft id) fie überzeugen
ioitt. @rft meifc tefj nict)t, ob il)re $eit fct)on fo nat)e ift, bajj
fte ben fct)en , in meldjen jene geftocfjen t)aben, 2) benfe id):
ber ©eij, bie SSurjel alleä Übelö, muf; erft Weniger gehört
merben, menn fie bie Stimme beS Sorjneö @otte§ rjören follcn.
2)a§ id) ^eit meinet SebenS bie Speifcn nierjt gegeffen, bie itjnen
etjebem oerboten maren, bafj ier) ferjon oiele Siatjre ben Sabbati)
Zur 9tut)e, mie unfern Sonntag zur SSerEünbigung be§ (Soangelii
angemenbet, baö rjabe iefj or)ne s i(bfirf)t mit einem einfältigen
Jperzen getan".
(Sr)riften mie Suben unb Reiben rief ^inzenborf h n < lüQÖ
er bamate (am 22. Sfoöember 1738) fang: 1 )
Äommt, ©ünber, unb blidet bem eroigen ©ofjne
2luf'§ £erj, in bie -Kägelmat', unter bie ßrone
Unb fucfyt euef) notf) mehrere äujugefellen,
Sie ftdj mit eud) nor ben ©efreujigten fteßen!
%f)x Slrmen, bie Sltmut beö £eüanbs tnadjt reicher,
©ie öffnet ber ©nrigteit ©feuern unb ©peidjer;
Unb menn mir auö benen nur fttfjerlid) nehmen,
©o fann un3 fein ÜJtenfd) über hänget befd&ämen.
Sßer alle ©djulb bei fidt) gefugt unb gefunben,
2)er fjat einen offenen 2ßeg su ben Sßunbcn;
2ßer unter ben elenbeften ©djulbnem gefeffen,
SBirb bei ber ©rlebigung fein nid)t uergeffen!
Samuel Sieberfüfyn, ber fcfjon am 8. Dezember 1731 al3
Stubent in %ena burer) SDtonitiuS ben Eintrag errjalten r)atte,
in ben SDtenft be§ (Sallenbcrgfcfjen Institutum Judaicum
ZU treten, aber benfelben bamal§ abgelehnt, 2 ) mar feit 1735 bei
ben Sörübern, meift in ßinzenborfö Umgebung. Um bieje $eit
lebte er in §errnt)ut. Ob er bort (Gelegenheit f>attc, mit ben
feit ber Sugenb ir)m an§ §erz geluadjfenen Suben zu oerfcfjren,
ift ungennf;. gür bie fid) fteigernben Angaben bei Slrntfclb, 3 )
') ©. ©efangbud) von £ernu)ut uon 1741, 3lv. 1308.
2 ) ©. Gaaenbergö 33eritf)te, 8. ftortf. (1734), ©. 293, unb SieberfurjnS
XagebudjauSsug (MS.)- Skrgl. roeitcr unten ben 2luffafc über S.
3 ) ©raf dou ,3'»3cnborf unb Sieberfüfm (1873), ©. 28.
23
2)e le Otoi 1 ) unb 5Mmi£ 2 ) fet)lt bie Ijiftorifdje Beglaubigung.
(Srft im nääjften Safjre feljen mir ttjtt in bie eigentliche 9Wiffion§=
arbeit eintreten unb äugleicr) gin^enborf un0 feine ©emeine auf
bem ©ipfelpunft it)te§ SntereffeS für bie ^ubenmiffion.
IL
©l)e ®raf ßiiiäenborf üon ©*• Stomas juuicffcljrte, cr=
fd)ien auf ber Dftermeffe 1739 gu Scip§ig eine anontjmc ©cfjrift
unter beut £itet: „©onberbare ©efpräclje §nrifcf)eti einem
9teifeuben unb atterfjanb anbern ^erfonen oon allerlei in ber
Religion üorfommenben 2Ba()rt)eiten." 3n biefer Don ginäenborf
noctj im Safyre 1738 ootlenbctcn ©djvift mottle ber SBerfaffcr
mit einem weiteren ßeferfrete fielt) über bie midjtigften fragen
be§ ©laubenS oerftänbigen. ©egen ba§ (Snbe fommt er auf
bie Suben gu fpredjen, bereu fdjmäfylicfje SSeljanblung burd) bie
(Sfjriften er ju tabetu l)at. (Sr fagt, bajg man fie ftatt beffen
t)od)ad)teu muffe, unb gibt bafür folgenbe treffliche 23egrünbung:
1) w 3ft ein einiger SSubc, um beämiUen (fcfjreibt D. Suzer-
än beu Subcn Sefcl) fott man alle Suben lieb tjabeu.
2) SBtr tjaben ben größten Xeil ber ^eiligen ©djrift burd)
bie Suben.
3) (Sic finb alle leibhaftige ®inber be3 gefegneten (5em§,
be3 (Srftgeborenen in ber neuen 2Bett [nacl) ber ©ünbflutj; ja
ma§ uoetj metjr, bon unferm geifttidjen 23ater 31bral)am finb fie
ber ©ame, unb mir finb nur eingepfropft.
4) Sft'§ un3 auSbrüdlid) tierboten miber fie ju rühmen:
beim 1) tragen fie un§, unb mir fie nierjt, 2) fann fie ©ort
ttrieber einpfropfen unb un§ abfjauen [9töm. 11, 16—24].
5) Sinb fie nid)t meiter Oou ber (Seligfeit alö mir; benu
fobalb fie ftet) Oon ganzem ^er^eu ju ©ort menben, fo rebet
itmen 3>efu§ jum ^er^en, unb fobalb fie baä merfen, fo friegen
fie it)n fo lieb al§ irgenb ein (£()riftenmenfd) auf ber SBelt.
') Sic eoangel. ©§riftenl}eit unb bie Quben, I (1884), ©. 3G6.
. 2 ) „Samuel Sieberfü^n" In ?ß^56c, ^a^vbud^ be§ 2)tafomfjetU)aufe3
$u 2)re«ben (1888), ©. 46.
24
$)a§ fefye id) alle £age an einer Sübin, bie ber Jgerr !yefu§
ergriffen t)at f unb bie itjn fo innig liebet, bafs icli rnid) baöor
fdjämen mufj. 1 )
6) Unfre Suben fjaben met)renteil3 ein ©efüfyl, ba§ ben
mciften unter un£ fetjtet, eine (Sljrerbietung oor ©ort, einen
Steföcft öor bem ©efetje unb bor allebem, toaS fie nieinen, bafc
e£ ifynen befohlen ober Verboten fei. 9J?an fjat fid) geroifc ^u
bewahren, bafc fie mit ifjrem ©etjorfam unb $urcr)t un§ nicrjt
einen (£!el ermeden öor ben ungefjorjamen unb öerroegcnen
äftenfdjen, bie ben tarnen (Srjrifti nennen unb mdfjtS. nacfj itjm
fragen, bie bciZ (Süangeüum Ijaben unb jum Sftutmillen brausen".
£)a§ mar ginjenborfä ßeugnig üon 5§wtel an bie (Sfjriften.
@r gibt aber aud) meiterfyin einen 9^at, mie mau ben Suben
©tyriftum %u öerfünbigen fyahe, inbem er geigt, nne er e3 felbft
■^u machen pflegt. 2lud) bie§ 9J?ufter ift je$t nod) öon fyotjem
Sntereffe. ©teidj am anfange mirb burd) ben @a|: „3>ie
SHmra ift Ijerrlid), unb menn man ba§ (Söangelium üerfterjt,
lä%t fie fiel) noefj einmal fo gut Imlten," ber Sube über bie
Seforgnte beruhigt, ba^ man itjn öon bem ©efe|e abmenbig
madjen motte, ßugleicrj ro ^ ro a & er geforbert, bafj er at§ ein
red)tfd)affener 9D?enfd^ bie talmubifcfjen Säfterungen ßtjrifti mif^
billige. S)amit ift ber ©oben für eine friebtidje 5tu§einanber=
fetmng geebnet. Sie jübifdjen (Sinmenbungen gegen ben „©otjn
©otte§" roerben jurüdgemiefen unter Berufung auf (Sorüdje 30, 3:
„SBer Ijat alle ©nben ber Sßelt gefreut? Sie rjeifcet er? unb
mie Ijeifjt ©ein ©olm? SBctfet Du ba§?" unb auf «ßf. 2, 12:
„Büffet ben @orm!" £>em ©inmanb, bafj 3efu§ ja fein SSolf
mdcjt ertöft Ijabe unb alfo nidjt ber 9J?effia§ fein fönne, fe|t
ßin^enborf ba§ SBort entgegen: „3t)r bleibt allezeit, mie itjr
maret [b. r). im (Slenb], fo lange itjr öon (Sott megbleibet.
Söenn itjr eud) aber öor Sinn bemütigtet, fo ginge e§ balb
anber§". £>a§ ©üangelium, fagt er, ürebige genau ben 9fteffia§,
2 ) gmjenborf beult fykx an -Diagbalena SHugufte, meift genannt ©ftfjer,
©rünbeef (fpäter ßira)I)of), geb. SRaoerofäft), au§ einet Sßrofelntenfamilie
ftammenb. ©ie roar am 21. Dßober 1717 geboren. Seit 1735 fannte fie
ginsenborf. 21m 5. (September 1738 mürbe fie »on ü)tn in ©otfja für ben
Sienft ber Srübergemeinbe eingefegnet (f. ba§ ©ebenfbud) ifjreä <5ofjn§ Sjofua
3afob 3)a»ib Äircfe^of (MS.) im 33eftft be3 Scrf.). ®rft 1739 erfuhr fie, bafe
fie jübifa)er iperfunft fei.
25
mie itjrt bcfonber§ Sejajn ®ap. 53 betrieben fjabe. „©uer
Xatmub aber unb anbere ©toffen prebigen einen 9J?effia§, ben
fein «ßroj)tjet fo betrieben fjat." 3)er SSorrourf, bafj SefitS bie
Xbjora aufgehoben tjabe, mirb fobann burdj grünblicfje 93etef)rung
befdjmidjtigt. „SefuS, ein redjtfd) äffen er Sube bi§ in ben £ob,
fjat euer ©efe£ nie gebrochen". — ,,3d) ftofce mid) nietjt an
cud), bafj ifjr euer ©efels fjaltet; benn irjr feib babei t)er=
fommen; ict) aber bin Don ber neuen ©emeinbe, oon ber e£
rjeifjt: fie foH mägt erft ha§> ©efe£ mieberanfangen, ba§ ber §err
mit bem Dpfer feines Seibeö auf etoig erfüllt unb befcfjtoffcn
rjat. Sm übrigen tjalte icf) ntdjt nötig, bamiber gu biSputieren,
meit icrj 5. ©. gute (Seelen unter unö renne, 1 ) bie au§ Siebe §u
eud) fid) aller «Speifen enthalten, bie euer) Verboten finb". 9#an
ftebjt, bie SMenbung be§ ©efetjeS burdj ©Ijriftum aud) für
3§rael ftetjt .ßingenborf feft, bie Weitere ^Beobachtung be§fetben
aber miH er ben Suben freitaffen. Safe bie (Stjriften „ben
SSater, \)a§> 2öort unb ben Zeitigen ©eift aU ben einigen ©Ott
unb Regenten ber gangen Sßelt" be!ennen, mad)t er bem Suben
am (Sdjtufc burd) §inroei§ auf ©eift, Seib unb (Seele be§ nad)
©otte§ 2Mlb gefdjaffenen SQ?enjcr)en erf(ärlict). ©0 berfterjt gingen*
borf bei allem ©ntgegenlommen gegenüber jübifdjer ©enftueife bie
OoHe Sßarjrrjeit be«> (£rjriftentum§ in irjrem gangen (Srnft gu behaupten.
SBätjrenb bie „©onberbaren ©efprädje" in S>eutfcfjlanb
an§ Sidjt traten, tjatte ßingenborf ©elegenfjeit, felbft praftifdje
ÜÜäffionäarbeit an einem Suben gu üben. @r madjte nämtid),
im 23egriff, bie 9tüdreife öon ©t. STtjomaS nad) (Suropa an-
zutreten, bie 23efanntfd)aft eine§ portugiefifdjen Suben abeliger
Jperfunft, ©on Daniel Iftunneg ba (Sofia 2 ) (fo f treibt er
fid) felbft), ber in Portugal öon einer feit 1497 d)riftlid)en
$ami(ie jübifd)er §er!unft geboren, au§ feiner §cimat entflogen
mar, um bem allen tjeimlidjcn Subcn brofjenben ^euertobe gu
entgegen. 2Bir laffen gingenborf baüon felbft erjagten.
J ) gin^enborf *> e nft an fid) feI6ft , ogl. ©. 22 unb ©pangenfcerg:
Slpologetifdje ©rflärung (1751) ©. 140.
2 ) Sie gamüie Sftunnej "da (Sofia (mit bem ©rjnagogennamen ©uriel)
tyaite von 1640 Biä 1795 bie politiftfje Vertretung 5ßortugal3 in ben 9Weber=
lanben inne mit bem Xitel „(Sbelleute oon be3 ßönigä §aufe", f. ba (Sofia:
SSrael unb bie üßölter, ©. 314.
26_
(£r fd)ricb nn 2cont)arb 2)obcr nodE) Hont (Sdjiffe auä: 1 )
,,3d) ging [Don ©t. Stomas nad) <Sr. ©uftadj) über @t ©tuj.
5Idjt S£age mufete id) auf bei - ©ee tjerumfdjmeben, etje id) nad)
Güuftad) fommen fonnte. 2 ) Steine ©efäfyrren maren fo fyart
franf, baJ3 id) gang allein mar. (Sin portugiefifd)er Sube, ber
ein grofje§ ©ubjeft in feinem Steil ift, faf) mit biefe ad)t S£age
ju unb fam auf ben ©ebanfen, baf; id) ein ^eiliger fei. 3>d)
muffte tf)m fagen, mie ict)'§ morben mar. SDa§ tat id) ferjr gern.
Sd) tjielt bem £>eitanb üor, bajg id) ben Suben 3t)m geminnen
unb bem #eonf)arb at§ einen (Srftting bringen muffe. 3d)
fanb ©et)ör. SDanict üftunne^ ba (Eofta, beffen 95ater in SHffabon
oerbrannt unb er barauf nadj Soubon gefdu'fft unb bafelbft im
18. 3>ar)re erft befdjnitten, feitbem aber ein Kaufmann in
Samaifa gemorben ift unb ein Serjrer unter ben Suben (beim
er ift grunbgeletjrt), rjat ein meid) §er§ befommen. Sd) tonnte
irjn meinen madjen, menn icr) nur fang. SSemt id) einen 95er§
gefungen, muffte id/3 if)m erftären. (5r ift fetbft ein großer
^ßoet, (Snglifd), @panifd), $ortugiefifd) tann er perfeit, gran^öfifd)
foH er brauchen, irnS gegeneinanber gu erftären; nun lernt er
teutfd). — @r (jatte fid) in (Suftad) etabliert. S£>et ©ouOerneur
fagte: „(Sofia, id) miü irjm roa§ fagen. ©etj' er nad) ?lmfterbam,
unb bitte er ben ©rafen, bafe er ifjn mitnimmt; e§ ift mir leib,
bajg ein foldjcr etjrtidjer Sube unter biefen beftiatifdjen Stiften
foH ruiniert merben". <3o fyat er mir it)n faft refommanbiert;
benn $äfd) 3 ) ift ber ©ebanfen, bafj in Slmerifa nur eine Steligion
ift, ber 3ttl)eiften in STrjeorie unb 53eftien in praxi. Unb e§
ift ma$ baran. — Softa tut mir bie ^ropofition mit SEränen,
er tonne mid) nid)t öerlafjen. — 3)a gab id) bem Suben mit
feiner grau ba§ ®abinettd)cn unb id) blieb in ber Kajüte; benn
im Kabinett fann man nid)t fefjen. üftein Sube fitft bis nad)
1 ) SrafitS: (Sammlung »on 2lrc6>ftürfen (MS.) VI, 59. 3tf)nlid£)e3 fdjrieb
3in3cnborf am 15. 2lpril 1739 an feine ©emafylin, f. ebenba 9k. 60.
2 ) 3« ©t. (Suftad) naljm ginjenborf Gelegenheit, einem anbern ^uben,
9?a»f)ae( ba ßofta, eine 93oifd;aft 3U fenben. Qu einet perfönlidjcn SBerü^rung
fam eö aber niajt. ©. ben 33rief »on 9?apf)ael ba ©ofta an gtnjenborf »om
14. 2IpriI 1739, Unüatäarcfjto 9mbr. 16, II 5.
3 ) 2)er (Souoemeuc «on ©t. ©uftad£>, f. ben Äontcalt in 33iibing.
Sammlungen III <S. 830 f.
27
SRttternadjt unOermanbt neben mir; lefen, weinen unb beten ift
feine Arbeit. Wlit bem £>eitanb ift er fertig; er afforbiert nur
um bie ©ottfjeit; beim feine $rjilofopt)ie ptagt ifyn gemattig.
3d) bin in ©orgen, er mirö mir ju balb ein (Stjrift.
(Seine Siebe gegen micrj gefjt über alles, ma§ man beuten fann.
3d) weife nid)t f mo er bem §eitanb nütje ift; nadj einer SBeite
Ijätte icf) i$n am liebften unter ben Suben. (5r luifl bie ©erneute
fefyen unb um mid) fein. (£r ift bem £eilanb lieb, fie (feine
grau] fenne icf) nicfjt". 3m 9teifebiarium bemerft ßin^enborf u. a. : J )
„S)a ßofta fjat fdjon metmal gemeint unb gefagt, bafj e3 ber
2Beg ju feiner Heiligung ift, bafj er um midj fein barf. SDeun
ba§ ift bie Sfranffjeit, bie er mie alte tjat aufjer Sefu, bafj fie
Don nichts miffen al£ Don Sanctificatio [§eitigung], unb menn
tljnen bie ©nabe fein ©pott ift, mie maf)rf)aftig biefem lieben
Suben, fo ift fie irjnen ein grofjeä Äfet. SBenn er nid)t§
tut at§ unter ben Suben unfer Äorrefoonbent fein, fo finb bie
60 Xaler Xranööort für itjn unb fie nicfjt Dergeben§".
31m 2. Suni 1739 !am ©raf ^insenborf in ber SBetterau
bei ben ©einigen mieber an. ©o rafcf) unb gtücflicf) bie <peim~
reife gemefen mar, fo ferner fjatte er bodj unter ben ©trafen
ber Steife unb be§ Aufenthalts in ©t. SfjomaS gelitten. $)er
greitjerr öon ©djrautenbad), melier it)n bamatS fat), fdjitbert
it)n als ein 23ifb beS SammerS. £)od) eilte er, nactjbem er
ba Softa unb ben aufecr ifjm mitgebrachten Üßcger ben 25rübem
in üüftarienborn übergeben, in baS SSoigtlanb nadj (SberSborf,
fid) bort mit feinen SDfttarbeiteru gu beraten. 9tudj t)ier unterließ
er nicfjt, ifjuen üon bem Suben p erjagten, 2 ) ber bem ©rafen
<peinricf) XXIV. föeufj fpredjenb ätjnlicf) fefje.
©ine ber erften 9lmtSfjanblungen 3 w S enDüi: f § nac *) ^ er
yiüdtefyx naefj StRarienborn mar bie 9lborbnung ©amuel
SieberfüfjnS guv SubenmiffionSarbeit in 3tmfterbam. T>iefe
©ntfenbung mar iubeS urfprüngtid) nicfjt fein, fonbern ©oberS
©ebanfe gemefen. tiefer tjatte eS roofjl balb genug lebtjaft
cntyfunben, oa^ ein ju näherem (Singetjen auf jübifcfje ©eifteS-
art unb ©itte befähigter Timm auf biefem 5trbeitSfelbe un^
umgänglich fei. Bugleicfj mürbe er felbft burd) bie ^ßflidjteu
') Acta historico-ecclesiastica (MS.) I ©. 101 f.
2 ) Acta historico-ecclesiastica (MS.) I ©, 144.
28
feines OberältefienamteS bietfad) Don ber 9Jftffton§arbeit ab-
gezogen, ©eine Sitae nuteten ftdj auf SUcagifter ßteberfül)n,
ber nadfc) fetner im 3at)re 1734 erhaltenen Mation gu einer
orientalifdjen ^rofeffur in Königsberg ju fdjliefjen, nidjt ge=
tüö^nttctje ßenntniffe auf bent ©ebiet ber orientalifdjen ©prägen
befeffen rjaben mufj. 9?od) toärjrenb .Sinjenborf öor eintritt
feiner roeftinbifdjen IRetfe in Slmficrbam roar, forberte ©ober
Sieberfül)n auf, fein ©erjitfe 51t werben. Sie bamals geroedjfetten
Sriefe geben einen guten ©inbtid in ben anfprucfjStofen ©tun,
in meinem bamalS ba§ SKifftonstoerl getan mürbe. SBir teilen
fie be§t)alb auS^üglid) mit.
©ober fdjrieb am 27. Dcobember 1738 :>) ,,3d) fjabe fägon
etliche äftate geljört, bafj bu nicr)t ungeneigt müreft, einen S3eruf
mit unter bie Suben anzunehmen. £>ter ift ©clegentjeit. SS
finb biete £aufenb Suben rjier, ic£> roorjne unter itjnen. 2)ie im
£>auS bezeigen fiel) freunbtidj gegen mid). SSon ©egen fann id)
für biefe $eit m ^ x glauben als feljen. SSenn bu alfo SSiüigfeit
in beinern ^er^en finbeft unb eS mit mir magen millft, taft mir
einanber ©efjülfenfdjaft leiften, fo mirb eS mir lieb fein, ©u
roeijjt aber fdjon guin borauS, ba§ mir niemanb fein ©atarium
ober irgenb einen zeittidjen ober gebüljrenben ^uijen auf leine
Sßeife berfbredjen fönnen, fonbern bie S£reue unb bie (Erlaubnis
für unfre Selotjnung anfeljen, unb fo mtrft bu eS audj in
Slmfterbam finben".
£ieberfüf)n antmortete auS <perrnfjut am 1. Januar 1739 : 8 )
„©a id) beinen 23rtef erhielt, mar mir'S ferjr roidjtig, bajj id)
nun zum anbern 3M unter bie Suben gerufen mürbe. 2)aS
erfte 9J?at 3 ) tonnte id) mtdj z u nictjtS entfcfjliefjen, meil id) mit
mir felber biel zu tun f;atte. S)tefeS SDtal aber backte id): menu
bu mid) tjaben millft, mein <peilanb, fo miH id)'S für eine grofce
©nabe anfccjeii. gtuar menn id) auf mid) fetje, fo ftnbe id)
mid) gan^ arm un0 untüchtig bazu: beim SBiffenfdjaften madjen
bie ©adje nidjt auS. ®odj fann idj audj tticr)t leugnen, bafs
id) 2J?ut bei mir fütjle, auf ben §eilanb maS z u magen. ©afjer
') Unüäiäardjio 3ta6r. 16, 4.
2 ) @benba.
3 ) Sie frühere erfte Berufung ging r>om «paEefdjen Icstitutum Judaicum
flug, f. ©. 22.
2Q
miü icf) mid) bem JpSrrn in 9lmfterbam barftellen, et mag bann
mit mir madjen, tua§ er null".
(Sdjon am 16. Sanuar fdjrieb ©ober gurüd: 1 ) „©einen
©rief Ijabe id) erhalten unb fyat mid) gefreut, bafj bu bidj (jaft
mittig finben laffen, un3 gu föülfe 51t fommen; benn id) merbe
gegenwärtig nocfj mit fo öieter ©emeinarbeit überljäuft, bafj id)
an meiner Jpauptfadje faft gar nichts in langer ßeit fyabe tun
tonnen, als unterbeffen ben Jg@rrn anauftdjen, bajg (£r un§ eine
offene %üx geben möge, ©0 rjerrticlj e§ aud) unter ber (Verneine
ausfielt, fann idj bodj bei meinem SoS gar nid)t frörjlicf) fein,
roenn id) meinen Qtoed nicfjt aud) an ben Suben ermatte".
®ie 9?eife SieberfürjnS nadj 9lmfterbam 50g fid) inbeS bis
Sinn (Sommer rjin. 2 ) 2lm 27. Suti mürbe er üon gütäcnborf in
9)?arienborn „fonfirmiert", b. r> in bie ßatjl ber ©ruber auf=
genommen, treibe itjr Seben bem ©ienfte beS §errn 311 meinen
geloben. 211S er batb barauf nacfj feinem ^trbcitSfetbe aufbradj,
geleiteten ifyn bie ©egenSftmnfdje ber ©emeinbc. 3 ) ©er $rebiger
Sanggut fang in ifjrem 9camen: 4 )
£)u ^a[t bidj biSIjer Bcroiefen —
©ei miCionenmal gepriefen —
SBie'i bie ©emetn begehret §ai;
3)enn bu jä^Ieft it)re Bahren,
Sieroeil bein ©eift aß tf)r Segelten
2>Ijr felbfi erft norgebetet fjat.
@3 ift auf bid) geroagt;
SCßic "Du e3 jugefagt, — fo beroeiS bid^ !
©oH einer jieijn, — geleite ib,n,
Unb madj' ib,n auf bein Slmen fcif)n!
Sßetdje Hoffnung, toeldjeS Verlangen Sieberfütm bamatö
befeelte, bafür üermeift er felbft 5 ) auf fein bamalS gebtd)tete§
*) ttnüatöardjfo 3iubr. ]6, 4.
2 ) 21m 27. 2lprü 1739 reifte Sieberfüfm non §errnljut unb lam über
Serlin, ©ottja, ßaffel am 12. 3"K nadj 2Jlarienborn. ©■ SieberfiifjnS £agebudj=
auSjug (MS.) im SBefttj be3 93erf.
8 ) 2ludj Bon ginjenborf unö 3KoIt^er befinben fict) im ttnitätgardjiü
Slbfdjtebälieber an Sieberfüb.n.
4 ) IX. 2ftu>ng sum §errn^uter ©efangbud) (1741) Sflr. 1508. Sie
b,ier mitgeteilten geilen ftammen auS 33. 4 unb 5, ba3 ganje Sieb f. ©aat
auf Hoffnung 1880 ©. 4 f.
5 ) ©. Sieberfüfjnä 2luffa$ im Unität§ard)iD SRubr. 16, 4,
30
jübifdj'beutfd)e§ Sieb: 1 ) „3>i§roel f fomm §u beinern bor'gen
tarnte". 3m SBerfjtymtngSMut be§ MtlerS foH SSrael bo&
fommene ©enefung finben ; bann fjat eS bon [einem töieber-
fefyrenben 9J?effia§ (Srtöfung au3 aller gegenwärtigen üftot 51t
erwarten.
2Bäf)renb Sieberfüfjn in 9lmfterbam feine Arbeit antrat,
ridjtete gin^enborf al§ (£rflärung bafür, ba^ er nic^t felbft mit
ber Söotfdjaft bom ©efreiiäigten ju ben Suben gelje, ein Sing-
blatt an bie Smben ber Umgegenb bon SÖcarienborn, 2 ) welcrjed
abfidjttidj feine SSerfünbignng be3 (SbangeliumS enthält, fonbern
erft banadj begierig madjen foflte. (£§ fjeiftt in bemfetben:
„31)* lieben Stoben in biefer ©egenb ! 3d) wollte eudj gern
fefjr toben wegen eurer bisherigen unb nun fo bietfyunbertiätjrigcu
^ünftlidjfeit in eurem ©efetj; id) wollte mid) mit eud) über
unferä ftönigS unb ©otteS erftauntid)e §ärte Wunbern, ber
eud) nacl) eurem großen unb Ijimmelfdjreienben ©ötjenbienft, 58er=
gelungen unb ©reuein nie über 70 Safjre £jat sabbeln taffcn,
nun aber balb 1700 Saljre in ber äufjerften Verlegenheit oljue
Stempel unb Opfer läfjt, ba il)r gar nichts getan t)abt unb nur
eifriger in eurer Religion gewefen feib at§ bor unb nad) eurer
SBerftörung, wenn eud) nidjt euer eigene^ §erg fagte, bafj
eure jetjige fyartnädige 3Inbact)t bie Urfaclje ©eines ©rimmeS
über eud) fei". ÜJcacrjbem ßtngenborf auSeinanbergefetjt f)at, wie
lebiglid) ber 511 jeber $eit öon 3§rael gezeigte eigenfinnige
Söiberftanb gegen jebe göttliche Offenbarung fidj barin 51t STage
lege, fäl)rt er fort: „2)a§ ift bie Urfadje, marum idj eud) biStjer
nod) nidjtS bon meinem &amm gefagt, baS idj bodj in fo bieten
©egenben ber 223elt brebige unb brebigen laffe, unb ba§ mir
bod) nie au§ $er a unb 9J?unbe fommt. £)a§ ift bie Urfadje,
warum idj meinem ^eunneg b'9kofta fo wenig at§ eudj babon
') XII. 2lnb,ang jum fcerrnljutet ©efangbud) (1745) 5Hr. 1993 unb (Saat
auf Hoffnung 1879 S. 177 f.
8 ) yiuv in biefe geit barf ba§ Flugblatt ^mäenborfä gefetjt roerben,
ntdjt erft 1740 — fo Sefttjftf), Sfeenfelb; benn nur t-on 3««' bi$ -yiooember
1739 voav ber barin ermähnte ba ©ofta in ginjenborfä £aufe. 2tucb, erjftiert
fjanbfdjriftlidf) eine im 9ioüember 1739 oottenbete f)ebrcufd£)e Überfetmng. $n
ginjenborfs „kleinen ©ajriften" (fretroitt. Ütadjlefe) 1740 fte^t ein anbereö,
nid)t Don ^tojenborf »erfaßtes ©^»reiben an bie ^"ben. 3>ie Duettenangabe
bei 2ljenfelb ©. 12 ift irrtümlidfj.
31
uorfage, 06 er gteiclj in meinem £mufe unb $8rote ift unb mid)
gewiß al§ meine Seele liebt. Styr müßt erft euren 'Sinn änbern,
itjr müßt erft STinber Werben, it)r mtifjt erft eure (Setbftgerecrjtigfeit
fahren (äffen unb glauben, baß il)r Oertorene ©ünber feib, bie
jemanb brauchen, ber fiel) it;rer erbarme ^eit(icr) unb eroig.
9l(3bann, meine um ber Sßäter willen geehrte 93äter unb
um meinet and) um euetj gefdjladjtetcn SammeS willen innig
geliebte greunbe, miß icl) eucl) mit greubeu- unb Siebestränen
üou bem oorfagen, otme ben icl) meber leben nort) feiig werben
will, unb mit bem icl) lieber in ber §ötle, aU ol)ue i()n im
.Stimmet fein wollte. 3l)r wißt wof)l, wen icl) meine; aber e*
ift nod) ein Sehern hamphorasch". 1 )
Su jener ßeit warfen bie folgen ber weftinbifeljen 9Jeife
^iu^enborf auf ein fd)Wcre3 Sh'anrentagcr, oon bem er eine 3eit
lang nidjt wieber jju crftcl)cn meinte. Dcocl) in ber taugfam
fortfcl)reitenben ©enefung begriffen, Hef3 er fidjS nidjt ncljmcn,
am 12. Dftober, bem 3}erfbf)ntag ber Subcn, bie ©emeinbe 51t
einer befonberen $cier ^ufainmen^urufen. 2 ) ÜNadj einer 9Jebe,
in Welcher er and) be§ mitanWefcnben ba ßofta gebad)te, unb
einem SSittgefang für ^Sraet war ,3in3enborf fo l)ingeriffen Oon
laudier S£eilnal)me für bie Suben, baß er ber ©emeinbe ein
irjm im 5tugenblide ^uftrömenbcS Sieb oorfagte, in wetcIjcS fic
in tiefer Bewegung einftimmte. darauf fiel er auf bie Äniee
unb bdek für ba§ unter bem $tud) ftetjenbe Sßolf ber $er=
fjeißung. @r flefjte 511m £>errn, haft ba (Sofia boct) nicfjt umfonft
fo lange bei iljnen geweilt tjaben, fonbern an jenem SEage unter
ben 144000 $erfiegelten au§ 3§rael erfdjeinen möge. 3J?it
einem ebenfalls ba (Sofia geltenben gürbittegefang ber ©emeinbe
ging bie $eier, bie, wie e§ fd)eint, gtetcf|§eitig al§ $8erabfd)iebung
ba (SoftaS gemeint war, ju (Snbe. @ie würbe in fpäteren
Safjren öfters, aber nidjt regelmäßig, wieberl)olt. 3 )
') ©in Sehern hamphorasch b. B. ein unau£>fpred)licfier -Kante, roie ber
^e^ooaname. Sie legten SBorte fehlen Bei 2tjcnfelb unb be le SRoi unb finb
nacB, bem 3Jtanuffript im lXnitätöarrf)io (StuBr. 16, 4) 31t ergangen.
2 ) ©ine Banbfcftriftlicße Säuberung ber $eier, rooBJ au6 bem Siarium uon
ginjcnborfS <Qau3gemeinbe ftammenb, finbet fief) im Unitätöardjit), SRuBrif 16,
16. 19, baö Sieb 3üijenborf3 im IX. 2Int). 3. §errn&. ©efangBucfi, 3lx. 1412.
3 ) ©. meinen 2luffa|: Sie $eier be3 $8erföf)ntage3 in ber Srübergemeine,
Saat auf Hoffnung 1885 ©. 186 ff.
®er eigentliche ßtüect be§ Stufentfjaltö ba (5ofta§ bei
ßingenborf mar nad) bem, roa§ ber ©raf bei ©elegenfyeit jener
geier öon irjm fagte, nictjt erreicht roorben. ©eine £)oct)act)tung
für Sefum mar groar geftiegen; aber ba er nodj immer nur
barauf ausging, ein großer Zeitiger §u fein, ftatt aU ©ünber
SSerforjnung gu fuctjen, blieb ba§ eigentliche SSefen unb Sßerf
ßrjrifti feinem £>er§en fern. £>a (£ofta§ grau blieb bagcgeu
eine geinbtn be§ (5t)riftentum§ unb brängte in irjren äftann, bafj
er 9Jcarienborn ttrieber oertaffe. ßubem f an0 fid) bort bod)
feine redete (5jiften§ für it)n. @o entließ man itjn nact) £>oüanb.
Üftod) im Dftober reifte er ab. ^ingeuborf empfat)! ifjn mit
fotgenben ßeilen an ©ober unb £ieberfutjn: 1 ) „©a (Softa fann
roegen feiner rafenben grau nictjt bleiben, er tjat fict) auägebeten,
nact) Slmfterbam gu getjen. Set) t)abe refotüiert, itjm fo lange
bi3 auf 100 Staler unter bie Sinne 511 greifen, bi§ er ein
SDcäfter ift, ober fict) fonft tjelfen fann. ©r liebt un§ innigft; tajg
fie [bie grau] nict)t3 merfen. 9?un ift er Sein unb £ieberfül)n3".
2)er SSerfetjr ba SoftaS mit ginjenborf bauerte brteftid)
fort. üftad) ben im Unitätäarcrjiü aufbemarjrten Briefen 2 ) gebaute
er im üDcarg 1740 öon Slmfterbam nad) bem £>aag übergufiebeln,
roo er billiger §u leben tjoffte, ging aber im grütjjatjr 1741
nact) Söeftinbien gurüd unb liefj fict) in Süngfton auf Samaifa
nieber. ßingenborf ()ätte itjn gern nact) Sftorbamerifa gebogen,
um itjn nrieber in SBerbinbung mit ben Srübern 51t bringen.
2)er Sßrief oorn 16/27. Sanuar 1742/3, in toelctjem ba (Sofia
einen batjin getjenben SSorfctjlag abletjnt, roeil „er ba$ arme
SSolf in ^ßrjilabetörjia nid)t betrügen fönne", ift ber lefcte noctj
erhaltene. Sltle (Schreiben ba (SoftaS finb 3eugniffe eme ^
^injenborf in ber Stat fetjr ergebenen @inne§, fie enthalten
aber auffaflenberraeife feine StuSfage über ba3 SSert)a(ten
ba (Softa§ gum Sfyriftentum. ©od) mufj ßingenborf noc f) fpäter
anbere Sriefe oon itmt ertjalten tjaben. (£r fagte im Satjre 1747
in einer 9iebe, nactjbem er fein S3efanntmerben mit ba Sofia
') ttaitäßard&to, Slubr. 16, II, 5. $a§ Srieffraament (Äopie) ift nitf)t
unterzeichnet, aber fid^erlid^ oon .ßinjenborf.
8 ) 9tubr. 16, II, 5. Sieben franjöftfdje 93riefe ba SoftaS an 3injenborf,
3 auä Slmfterbam, 1 au$ ©ura9ao, 3 au§ 2>amai!a, finb Dortyanben, aufjerbem
ein fyott'änbifcfjer auä Sura^ao an 2ieberfüf;n.
33
unb fetner grau gefdjilbert: 1 ) „«Später firtb fie nad) Samaifa
gegangen unb finb bort mot)lt)abenbe unb angefefjene Seute ge*
roorben. üftun tjabe id) gerabe in btefen Xagen einen 23rief Don
irjnen auS Samaita betontinen, in metd)em fie fdjreiben, fie
mürben nimmermerjr, fo lange fte auf ber 2Bett finb, baä 23itb
ber ©emeine aus bem ^er^en Dertieren, nod) oergeffen, ma§ fte
ba gehört tjätten. Übrigens finb fie nod) immer Suben unb
tjaben fid] nod) nicfjt aus bem £>anfe rjerauSfinben tonnen. (Sie
(äffen fdjliefjlid) bie gan^e ©emeine grüben unb itjr fagen, ba^
fie berfelbeu ftetö eingeben? fein mürben." 2)aS ift bie letzte
unS befannt gemorbene Spur einer Se^ietjung gu biefent in ber
%at merrmürbigen Suben. 2öaS ^inaenborf an ty m Q e * an ^tte,
mar offenbar boerj nidjt üötlig oergebenS.
Stafe ber üon gin^enborf gepflegte SubenmiffionSgebanfe
in feiner ©emeinbe ge^ünbet tjatte, fielet man barauS, bafs in
eben jenem §erbft 1739 ein junger 9ttann fid) öon £>errn()ut
aus jum XRiffionSbienft unter btn Suben melbete. Sofjann
©ottlob gritfdje, Stanbibat ber Xf)eotogte, fctjrieb am
15. Stoücmber 1739 an Sieberfüfyn, 2 ) inbem er eine rjebräifdjc
Überfettung beS ginsenborfferjen Senbfd)reibenS an bie Suben
beilegte: „Scfj bin in mir felbft ferjr arm unb ad)te mid) %ux
SSerfünbigung beS (Süangetii überhaupt ganä unmürbig, bin aber
bod) üoHer 9J?ut unb £rteb, eS ben Suben and), eben mie bu,
JperäenSbruber, ju fagen, mie gut idj'S als ein armer Sünber
bei ben SBunben beS §citanbS, ber für mid) unb fie am Stxcu^
gegangen fjat, fyabe. (£§ ift mir pm öfteren aufgefallen
unb midjtig geroorben, einen Spaziergang an bie potnifcfje
©ren^e 51t tun, um 5U feigen, ob fie fid) etmaS bon bem in
biefem Satjr 3 ) gefjofften ÜReffiaS mollen Oorfagen laffen. 3d)
Ijoffe, bafj mir ber <perr StriegSrat bon ©erSborff ju einem §of-
ober $önigt. $ßaJ3 mirb tjelfen fonnen; follte eS aber nid)t fein,
fo mei§ id) bod), bafj bor 1700 Sauren mein $afj am Streuje
») »rüberfcote 1865 ©. 243.
2 ) Unüäßard&w, 5Ku6r. 16, 4.
s ) ©ine Seredjnung ber SRefftaSaett auf 1739 ift mir nicf)t befannt.
%)0(f) ift ferjr benfbar, bafj niele ^uben bamalS fidler auf bie 2tnfunft bes
2Jlcffta§ regneten, ba im Dftober 1739 mit bem jübtfti&en %a§xe 6500 bie
SERitte beä 3«^rtaufenb6 anbraa), innerhalb beffen ber afteffiaS erraartet rourbe.
3
34
gefdjrieben morben". 9(botyf) öon 9ttarfd)al(, ben ginjenborf
einmal 1 ) als „ber ©emeine SBaumeifter" beäeidjnet, bemerft bagu
auf bem 9?anbe: „$)eine Arbeit unter bem Sßolf beS alten
SöunbcS ift mir mictjtig. 3d) roünfdjtc felbft einer betner geringsten
§anblanger 31t fein, unb mer meifj, roa3 gefrfjiefjt?" Sie Steife
$ritfcr)e£ nacl) ber polnifdjen ©renge fam au§ unbefannten
©rünben nid)t jur 9tu§fü£)rung. 2 ) Seonljarb 2>ober üerliefe nod)
im 9couember 1739 2(mfterbam, um fid£> anbcrer Arbeit §u-
5umenbcn. lim fo eifriger aber mar ßieberfittjn in regem ÜBerrefyr
mit ben Suben, 51t bereu ©efellfdjaften er Zutritt erhielt, bei
bereu Rabbinern er 33ele()rung fudjte. 9?id)t nur in Umfterbam,
fonbern in einer ganzen 9teif)e üou rjoltänbifcrjen ©tobten fuüpfte
er SBefanntfdjaften an unb fanb für fein ßeugniä mandjeS
miliige Dfjr.
51ud) au einer anbereit (Stelle famen bie Vorüber mit ben
Subeu tu 93erüf)rung. 3m fübamertfanifdjen (Suriname nal)men
nid)t menige an ben IjauSlicljen (SrbauungSftunben ber bortigeu
äftiffiouare teil unb hörten, ba e3 ben 93rübern Verboten mar,
(Säfte äu^utaffeu, üor bem §aufe burd) bie bünne Srettermanb
begierig §u. 23efonber§ mar e§ ein 9?abbi, ber mit ben trübem
freunbfdjaftlid) uerfeljrte. @in hierüber im ^oüember 1740 ab-
geftatteter Seridjt 3 ) ermedte in SD?arienborn bei bem bort meilenben
jungen Äanbibaten Otto SSilrjelm §affe 4 ) btn lebhaften Xrieb,
ben Suben (Surinames \)tö (Suangelium §u oerfünben.
Sr entbedte fidj am 15. Suni 1741 fdjriftlid) ben mit ber
©emeinbeleitung beauftragten Srubern unb berief fiel) barauf, ba§
er mit Suben fetjon gu tun gehabt Ijabe. ,,3d) Ijabe mtcf) mit
ilnien", fdjreibt er, „gar nidjt auf ^Deputationen unb meitläufigeä
Überäeugen au§ «Sdjriftf teilen, bie fie gemeiniglid) anberS crllären
al§ mir, eingelaffen, metcr)e§ fünft bie gemötjnlicrje Sftetljobe
') (grfcaft auö ben 2)ipt»djen (I) o. 3. u. D. 35o§ ©jempfar be3 SScrf.
Ijai eigenfiänbige yiotata 3i"3enborfä r-om IJaljre 1747.
a ) 3?ritfdE)e ift oljne ^roeifel berfelbe, roeldjer naefj 13jäf)riger ©efangen=
fd^aft um Gfyrifti mitten am 23. üftooember 1760 al§ Deportierter in Äafan
ftarb, f. Srüberbote 1873 S. 290 ff.
3 ) Söübing. Sammlungen II S. 103 f.
4 ) 9Mä)t $effe, fo 2lr.enfelb, be (e 5Roi. §affe mar am 7. Wim 1718
geboren, f. ba3 ©ebenfbuä) (MS.) oon % % S. Äird^of.
35
gemefen; fonbern idj rjabe ifynen gleidj ma§ oon bem großen
Opferlamm gefagt, baZ aller Sßett unb befonberä it)re 8ünbe
burd) feinen %ob abgetan, unb bafe fie bod) biefen für ben
2fteffia§ annehmen möchten, unb babei rjabe id) an ben meiften
foldje Scftürjiutg gemerft, ba^ fie aucr) §u(e|t nid)t§ metjr fagen
fonnten, al§: ©er liebe @ott mirb fid) ja unfer erbarmen!"
^in^enborf rief £mffe p fidj unb machte irjm feinerfeitö
ben Sßorfdjlag, nad) ?lmfterbam ju gefyen, roor)l um ben im
(September nad) (Sngtanb abreifenben Sieberturjn ju erfetjen.
3ugleid) fagte er ifjm, metdje Aufgabe feiner roarte. £>affe mar
tief bemegt. ©eine (Srregung ift auS bem £ag§ barauf an
^in^enborf gefanbten <3d)reiben nodj tjerau^ufütjlen. (Sr fagt
ba: 1 ) „3dj miü rjingefyn nad) 2lmfterbam unb unter ben Smben
morjnen unb auf meine Sämmer Sfjm bem ßämmtein roa§ üor=
meinen unb Sljm gute Söorte geben, bafj ®r mir felbft ©ingang
fdjaffe unb mir etiidje öon ben ©rftlingen jumeife . . . £)a§
liegt mir befonber§ babei an, bafj id) unter ifjnen ein lebenbigeS
3eugni§ fein möge, bafj bei* öon itjnen fo fet)r oeradjtete S£t)ola
[©etjenfte] merjr at3 äftenfd) fein muffe". 2)er S3rief ift nidjt
otjne einen etma§ fcr)märmerifd)en (Sinfdjtag, roa§ fierjerlicrj nidjt
otjne ßufammentjang bamit fterjt, ba$ baZ ©emüt unb bie
Senfmeife 3i n ^ en ^ or f g in i ener 3 e ^ begann, einen ejeentrifetjen
3ug an^une^men. ßinjenborf uerfprad) fid) gemifj toon £>affe
einen Subenmiffionar, ber met)r, al§ ßieber!ür)n e§ tat, in feinem
<Sinne arbeiten merbe unb fid) uom blofjen geugniffe be§ ge=
freujigten ©otte§fot)ne§ nidt)t auf ©ebiete öerirren, meldje
^inäenborf af§ uebenfäcpcrje anfal). SG3at)rfdt)einltdt) ift §affe
nodj im Jgerbft 1 741 nadj Slmfterbam gereift unb tjat bort feine
Arbeit begonnen, meldje nidjt ofyne (ginflujs gemefen fein foH.
9lber fdjon 1743 rief irjn ber §err burdj ben 5£ob jur
emigen 9?urjc. 3 ) (Sin 2)enfmat bei §affe befeelenben 9#iffion§=
*■) Seibe 33riefe befinben ftd) im Unität§ard)u) SRubr. 16, 1.
s ) 9?aä) Sfeenfelb ©. 52 roäre §affe erft am 19. 2lprü 1743 für ben
3Riffion3bienft abgefertigt roorben. 23am.it ftimtnt S)aoib Sranj, Srübertjiftorie 2
(1772) ©. 428. 3of). Pitt, SDenfroürbigfeiten (MS.) IX, 19 § 244, redmet
bie Sätigfeit §affeS inbe§ r>on 1741 big 42, bie „§iftorifd)e 9lad)ridjt oom
SBrübergefangbud) (1835) ©. 214 Don 1741 big 43. $n Diptychorum pars II
(1750) roirb ber tob §affeg auf 1745 angefetjt, n>oE)t burd) ein SBerfefien.
3*
36_
triebet ift biä fjeute baä urfprünglidj in eine gürbitte für 3§rael
auägerjenbe Sieb, 1 ) beffen 9. 93er«S bie ©igenart be§ 9Jciffion§~
^eugniffeS ber trüber treffenb fenn^cic^net:
3)em Samm ift nidjtS ju fditedjt;
Sför fetb if)m alle redjt.
2Ba3 niemanb mef)r rann leiben,
SQ8a§ alle 9Jlenfct)en meiben,
3)a3 barf 5um Samme lommen,
Unb ba toirbS angenommen.
fieontjarb 2)ober rjatte fcijon im 3al)re 1740 bie Anregung
äu ber 5lbfaffung eines ÄtrdjengebetS gegeben, roelcrjeS im fonn=
tägiidjen $rürjgotte§bienfte bie bi§ bntjin ööllig freien (lebete
öon öriibern erfe^en fönnte. 'Die beutfcfje Sitanei £utt)er3
foUte babei gu ©runbe gelegt werben. Sofyanneä Sanggut nnb
ßinjenborf führten ben ©ebanfen auö. §ier fanb nun ^um
erften 9ftat bie $ürbitte für Ssraet bie Üjr julommenbe Stätte
im fonntägüdjen ©emeinbegebet, eine Statfacrje, bie mit ber anberen
äufammenljängt, bajj mit ber <peibenmiffion aucrj bie Suben*
miffion gum erften Sftal offizielles 2Ber! ber ©emeinbe geroorben
mar. Scfjon im 3at)re 1741 mar bie Litanei im ©ebraucl). 2 )
$)ie ättefte {ebenfalls üon ginzenborf felbft rjerrüljrenbe $orm
ber gürbitte für Israel lautete: 3 )
(2)u roolleft) bie jelm ©tämme S^rael t>on t^cer ©etbfuctjt unb
Staferei erlöfen unb ir)re Sterftegelten bemalten;
3)en Stamm %üi>a ju feinet 3eit nad)r)olen, unb feine @rftlinge
unter un3 fegnen!
©rr)öre un§, lieber §©rre ©Ott!
3)ie befonbere (Srroärjnung ber gerjn (Stämme mar oeranlajjt
burd) bie Vermutung ßingenborfS, oa B °^ e unftät manbernben
Snbianer SforbamerifaS, unter benen bie Sörüber arbeiteten,
^actjfommen ber gefjn «Stämme feien. 4 ) $)ie Don ©elbfudjt unb
ffiaferei rebenben glucljmorte StfofeS (5. 2J?ofe 28, 22. 28) faf;
J ) XI. 2lnt)ang aum §errnl)uter ©efangbudj (1742) 9lr. 1708.
2 ) ©. ©iarium o. £erml)ut com 13. SRooember 1741 nadj „©ebenftage
ber erneuerten 33rüberfirct)e" (1821) ©. 251.
3 ) XI. 2Inr)ang junt §ermt)uter ©efangbuet) (1742) 3lx. 1740 unb
Common Prayer (1744) 9fr. VI.
*) ©. bie SDlittetlungen oon ©fttjev ©rünbeef im Unitätäarcr)u> SRubr. 16, 1.
37
er an iljnen erfüllt. 3 U Den ©tftlingen in ber SDfttte bcr
©ruber mirb gin^enborf ©ftfjer ©rünbecl gerechnet fjaben, mcitcr
2)aüib 5lirct)t)of, itjren fyäteren ©atten (1739 in Seidig getauft),
3ubtt§ £>emut geb. ©dtjaul (ügt. ©. 16 ff.), üielleictjt autf) fdjou
einen Sßauti, füäter in ^errnfyag, einen ©crjroafjn in Sfteujal.v •)
®ic üon ginjenborf i- m Safyre 1755 itnb enbgiltig im Satjre 1757
feftgeftetlte $orm ber f^ürbitte, roelctje übrigen^ narf) feiner gcit
fefjr Derfürjt rourbe, gibt bem ©ebet für biefe jübifdjcn 93rübcr
itnb (Sctjmeftern eine noci) beftiinintere Sfiidjtung. £)te gau^e
prbttte lautet gute^t: 3 )
©rlöfe bie jeljn ©tämme S^tael »on ityrer 23lmbf)eit,
Wafye tm§ mit itjren SBerftegeften Befannt.
§ote ben Stamm ^uba ju feiner ,3eit ganj natf),
©egne feine ©rfttmge unter un3 ju ^eiligen ß'ljitten [©emeinben],
23i3 enblidj bie $üHe ber Reiben eingegangen ift, unb alfo baä
ganje 3§rael feiig roerbe!
©er fjier öon ßinjenborf ausgekrochene ©ebanfe einer
Silbung üon befonberen jubencljriftlidjen ©emeinben mar erft in
füäteren Sauren gu einem förmlichen „$lane" entmicfelt morben.
®odj er^tt (Sftfjer ©rünbecf, 3 ) ba§ ber ©raf ftf)on 1740 in
©ottja if)r gegenüber geäußert tjabe, baf3 er eine „Subenf^iUe"
fammeln molle. 2)ie für ßljriftum gemonnenen „(Srftlinge" au§
3>uba follten fiel) nidjt unter ben £>eibenct)riften üerlieren, fonbem
at§ 5lngelb unb Sßorjeicfyen ber bereinigen wollen (Srnte inmitten
ber ctjriftlidjen ©emeinbe eine eigene ©emcinfcfjaft bilben.
S)a§ ©efangbucf) ber ©rüber erhielt nun aucl) im IX. unb
X. 5inljang (1741) bie erften 3§rael§lieber, nämlicl) aufeer bem
58erföt)ntag§liebe ßinjenborfg (^ r - 1412 ) im b bem 9lbfdjicb§*
grufj £anggut§ an Sieberfütjn (9fr. 1508) ein Sieb üon bem
9Iug§burger Soljann Sfjriftian £)uüb, geft. 1793 in <perrnf)ut 4 )
(9fr. 1372): „§ldtj, tjeif ger Sube, mann fommt beinc Stunbe iC,
unb ein Sieb öon (Sftfjer ©rünbecf (üflx. 1452): „Samm, bn
meifjt'g, baft icf) biet) innig liebe k."
*) (grftalt auä ben Sipindjcn (I).
2 ) £itanenen=5Bücf)lein (1757) ©. 55.
8 ) 2tuffat$ Don ber Q^enfadie, Unität3ard)ii> SRubrit 16, 1.
4 ) §iftortfd)e 9tadjrid)t com Srübergefangbud^ (1835) ©. 221.
38
8o mar unter ber Pflege ^injcnborfS e ^ ne $ttdjen*
gemeinfcrjaft entftanben, tueldje in iljr nacl) allen (Seiten ftcfj
au§ber)nenbe§ äJftffionStoerf ba§ alte SSolf ber SSerrjeiftung ein*
fcrjlofj unb fogar bereit mar, in ifyrer eigenen SOtttte ben (griffe
gläubigen au§ SSraet eine felbftänbige ©ntmidelung 51t einer
©onbergemeinbe §u geftatten. £)iefe§ bebeutfame 3iet mar im
Safjre 1741 erreicht.
III.
(Sine Subengemeinbe gu fammeln, mar in ben legten beibeu
Satj^elmten feineä Seben§ ein ßinjenborf biet bemegenber
©ebanfe. S)a im Greife ber bamat§ nod) nidjt böEig %u einem
$ircr)enfombler, äufammengefcrjloffcnen 23rübcr trotj ber bon
3in§enborf burcrjgefetjten allgemeinen Stnnatjme ber 2htg3burgifcc)en
ßonfeffion luttjerifdje, reformierte unb „märjrifdje" ©efinntrjeiten
nebeneinanber it>r 93eftefjen rjatten unb eine ballige ©leicfjförmigfeit
in ben gotte§bienftlicfjen ©ebräuerjen nicljt borgefctjrieben mar,
ftanb einer befonberen ©emeinbe mit djriftlicr) umgeformten unb
umgebeuteten jübifdjen Sräudjen nid)t3 im SSege. „9SMe gtüdlicr)
mollten mir un3 fcfjä^en" — jagte ßm^enborf im Sarjre 1755 1 )
— „menn mir bie erftgebornen S3rüber in unferm £>au§,
empfangen fönnten? Sftögen fie bort) it)r ©efetj mitbringen
menn fie nur an ben Jpeilanb glauben, menn fie nur bie 93e=
fdmeibung otjne ipänbe unb ba§ 5ibtun be§ fünblicfjen $teifct)e§
buret) ben Seictjnam Sefu annehmen!" gin^enborf f)offte r eine
foldje ©emeinbe merbe ber Slnfang einer 93efef)rung Ss3rael3 in
größerem Sftafeftabe fein. @ie „merbe burd) if)r eigen eö 3eugniS
*}ßrofett)ten maerjen". £>iefe braftiferje Sßerfbeftibe mar baö ben
©rafen bei biefer @act)e eigentlich Semegenbe. Sin eine neue
jubendjriftlicrje „$ird)e", mit metdjer etma gar bau SBert"
!irct)licr)er ©ogmenbilbung einen neuen Slnlauf nehmen follte,
badjte er nicljt.
£>urd) ein jubenctjrtftücfjcS (£t)ebaar follte feltfamermeife
bie Subengemeinbe inauguriert merben. £>ie 2öitme be§ 23tü>
') SMffc. im »cTt| beS SSerf.
39
rjauer§ SWicrjaef ©rünbctf, 2J?agbatene ?(uguftc (Gsftf)er) geb.
^aücrofSft), a(§ ^ocfjtet einer ^3rofeujtenfamilte , unb ber
^rofetrjt £>abib föirdjrjof fcfjienen 3üt3enborf für bicfen gmecf
geeignet. Dbmorjt bie gartfinnige 2)id)terin für ben nur 511
praftifdjen ©efdjftften braudjbaren Wlann nid)t eben pafjte,
roiüigte fie in bie irjr angetragene SSerbinbnng ein. 91 m
6. $ebruar 1746 fanb in äJcarienborn bie Trauung ftatt. Sei
biefer ©etegentjeit tonnte nun gum erften ÜD?al bie iöefonbcrrjeit
ber neuentftanbenen ©emeinbe an§ Sidjt treten, ©eörjalb oerliel)
gingenborf ber freier einen jübifetjen 2(nftrid), ber fomit nicfjt
al§ biofje (Spielerei ju betrauten ift. 1 )
Sn bem gur STraurjanbümg rjergcridjteten ©aal prangte
über bem @tut)l be§ $rebiger§ ber rjebräifd)e Söudjftabe ^rjam,
ber an ben Thole (©eljenftcn) erinnern follte, uon glüölf
•ßämperjen erteu d)tet. Btoötf Gljepaare uad) ber ,3at)l oer
©tämme 3§tael§ fafjen fjiuter bem Sßlafce be§ Bräutpaars. S)ie
&ird)entitanei ber Vorüber ttmrbe gebetet btö §u ber auf bie
©rftlinge au§> Israel bejuguefjmenbe ©teile. 2 ) £>ier folgte eine
Hon ©antuet Sieberiüfjn abgefaßte Ä'antate, 3 ) bereit ^ejitatioe
Steber!ür)n fetbft uact) ber in ben ©tynagogen übltdjcit ©mg-
roeife oortuug. ®ie freilief) red)t unfdjönen ßieber, reidjlid) mit
jübifdjen 2lu§brüden burdjfefct, fteflten bem SBerfbtenft ber Suben
bie ©etigfeit ber an Efjriftum gläubigen ©emeiue gegenüber,
gotgenbe Sßrobc mag genügen.
£>er bie SEBett — fdnif unb erhält,
2)er nafym böser wc-dam 4 ) an fid) ;
2tngft unb 9?ot, — ben ßreuseötob
2itt et für unfre ©ünb roittiglid).
@r üergofj fein teures 33wt,
Saä madjt unfre ©ad)e gut.
2Benn nun biefcä 23tut gebridjt,
Reifen alle mizwos 5 ) nitf)i.
') Sie fofgenbe ©djtfberung berufjt auf bem S8ericr)t im UnitätSardjiu,
SRubr. 16, 1, 5. 2)ar>on, bafe ^injenborf bamatä ber SBitroe ©rünberf ben
Jlamm @ftf)er gab (fo 21rjenfelb), ift mir nidjtS befannt.
a ) ©. ©. 37.
3 ) 3 u S a 6e sum jroölften 2tnE)ang be3 §errnfmier ©efangbudpS (1747),
9lr. 2260.
4 ) gleifd) unb SBIut.
5 ) Sie guten SBerle.
40
ßtii^enborf Ijielt bie ^raurebe. @r crfiärte: „<3o lange at§
mir uns fernen nad) (geeiert, fo tauge ()aben un§ bte lieben
Suben am £>er-$en gelegen, unb unfre ©emeine ift aud) ntc£)t
einen ?lugenblid ofme üftamenjuben gemefen, fo lange fie ftet)t.
Setit glaube er a6er roatjre Suben in ber TOitte ber ©emeine
rjor fid) ju fernen, beren SSerbinbung als ein bebeutfameS 3eicr)en
ju betrauten fei, ba fo oft ferjon äfjnlicrje ©rcigniffe eine neue
^rjafe in ber ©efcf)id)te ber ÜMffion eingeleitet rjätten. $mar
fei öor ber £mnb noer) nid)t bie SBefetjrung Oon gan$ SSrael $u
ermarten; er rjoffe aber, bafj fiel) nun ©rfttinge in großer ftafyl
ben Srübern anfdjliefjen mürben, darauf folgte ber eigentliche
Xrauaft. ©er Bräutigam ftedte naefj jübifdjer (Sitte feiner
Sraut fetbft ben Dftng an ben ginger unter ben rjebrüifdjen
'Jraumorten: „Sdj fjeilige bid) mir burd) biefen S^ing naef) ber
2ßeife ber feiigen ©emeine!" 1 ) Sieberfütjn fprad) ebenfalls in
rjebräifcfjer <Sprad)e ben ©egen über ba% $aar unb fcrjlofj mit
bem Sßunfct): „$)er ©efreujigte behalte eud) etotglidt) in feinem
©eiteumaat!" £)ie gange ©emeinbe bekräftigte e§ mit lautem
jübifdjem „Omen".
5lircf)t}of follte nad) ber Trauung nad) Stmfterbam jierjen
unb bort ben Einfang ber jübifcfjen ©emeinbe madjen. 2 ) Sieber-
füfjn, ben 3in<$enborf ben „ÖfonomuS beS 2tnbrud)§ 3§raet3"
nannte, 3 ) foüte at§ bie leitenbe ^erfönlicfjfeit itjn begleiten,
tiefer ©ebanfe tarn aber nicfjt jur ?lu<§füt)rung, fo roenig
bamalS, at§ im 3sal)re 1748, als gin^enborf auf feinem ©ute
§enner§borf in ber Saufit} einen $tüget beS (SdjloffeS biefem
$mede roibmen wollte, ober im Satjre 1750, ba er einer (Srjnobe
in §errnt)ut feierlid) erflärte: „5luf eine Silbengemeine ift merjr
al§ jemals anjutragen." 93ei ber letjtern ©elegentjeit mürbe
befdjloffen, in ßtjetfea bei Sonbon, als einem Orte, mo titele
Suben moljnen, ein £>auS gu laufen, in toeldjem Sieberfütju unb
Äird)t)of moljnen foltten. 4 ) Äircljfjof banfte bem ©rufen in
1 ) Sei ben 3»^" lautet bev <Sd)Iufe : „naef) ber SBetfe 2J?ofe3 unb
3§rael3."
2 ) 2>tefe unb bie folgenben 9lotijen über ben jübifeljen ©emeinbepfan
finben fitf) in bem Sluffatje von ©ft^er Äirdjtyof, UnuaiäardjiD 16, 1, 6.
3 ) ©rfraft auS ben 2)iptoii|en (1746 ober 47).
*) ©. ben ^rotofottauSjug oon Sessio XVI ber ©nnobe am 2. Sejem&er
1750, unitätSardju) 16, Ib.
41 .
öffentlicher Si^ung burd) §anbfuf} für feine Semüfyungen §um
23eften feinet 93otfe§. ^ingenborf feierte balb barauf am
27. Sanitär 1751 in ©egcnmart feiner erften SOfttarbeiter mit
fieben Sörübcrn unb Sdjmeftern an§ ^Srael bn§ erfte „3uben=
feft". $)ic 5lgape (ßiebe3mal)l) ber jübifdjen Ecclesiola bor
bem 53ilbe be3 mit bem «Speer ©urcrjboljrten galt ifym al§ 93or=
fpiel ber großen 5Hage bon gan^ S^racl um ben, melden fic
burdjftodjen fjaben (ügl. (So. Sof). 19, 37 mit Sad). 12, 10).
®afj trot$ aliebem nid)t§ gcfd)a(), lag nicr)t baran, baft Bingen-
borf etma ben ©ebanfen enblid) fallen gelaffen l)ätte. (£r fyat
Oielmeljr nod) 1758 ©ftrjer £ird)l)of gegenüber fid) cinget)enb
barüber geäußert nnb fogar in bem Safjr, meldje3 feinen §eim=
ruf hxatyte, ifjr berfprodjcn, feine ©ebanfen baoon nod) einmal
auSeinanber^ufetjen. 5Iucf) öftrer felbft mar bafür geroonnen.
(Sie fdjrieb am 30. September 1764 an Spangenberg: ,,^d)
gmeifele nierjt, bafj e3 mit ju ber Gemeine ifyrem 9^uf unb
®iftin!tion gehört, eine Subenffjille in fiel) §u fammeln, bie
unter irjrer ©ireftion an einem aparten Drtdjen morjnen müfjte".
2lber fie fügte tjinju, ^ingenborf Ijabe it)r mitgeteilt, bafj fein
$lan an bem Sßiberfprudj feiner Mitarbeiter gefdjeitert fei.
(Sinige fürdjteten, bajj eine foldje Subengemeiube eine fernere
finanzielle ßaft merben fönne, anbere, bafj bie fid) felbft über=
laffenen $rofetl)ten um fo leidjter in§ Subentum äurüdfaüen
mürben. Unb in ber SEat, jübifdje ßfjriftengemeinben lönnen
nidjt gemacht merben, am menigften fonnen (Sfjriften au§ ben
Reiben fie fünftlid) tn§ Seben rufen. Sie fönnten nur aus
eigener Snitiatiue djriftgläubiger S^raeliten inmitten be§ fübifdjen
Solfeö entftefjen. Saft au§ 3i n 5 en * 50r f^ ©emeinbeplan nichts
mürbe, ift beSfjalb mdjt ^u beflagen. (Sin bleibenbe§ ©enfmal
ber baran gefnüpften Hoffnungen finb inbe3 bie iübifct)=bcutfd)en
lieber £iebcrfül)n3 unb anberer, meld)e, für ben ©ebraud)
jener ©emeinbe au§ 8§rael beftimmt, in ba§> ©efangbudi ber
Srüber aufgenommen mürben. 1 )
Samuel Sieberfüfjn, übrigen? Oon nidjtiübifdjer §erlunft,
ftimmte mit ßingeuborf barin überein, ba§ eine iübifcr)=cr)riftlid)e
') $ierf)er gehören befonberä bie „jübifdEMeuifcfien Jahnen" Sftr. 1993
6i3 2002 im jroölften 2InE)ang be3 alten §errnf)uter ©efangbud)«! (f. ©. a. £.
1879 ©. 177 ff. unb meine Semetfung baju ©. a. §. 1880 6. 5). 3flan
42__
®emeinbc ein begef)ren§roerteö £icl fei, obmofyt er bicfetbe merjr
al§ eine felbftänbige ©röfje inmitten SSraelS bad)te, in bereit
gntroidetung fid) bie Sänften mcfjt unnötig mifdjeu folltcn.
©od) tat andj er nicfjtS ^ur Sßerhrirflicfjimg be§ ©ebanfenS,
fonbern begnügte fidj mit ber gelegentlichen ©iumirfung auf
Snben, roeldje er auf feinen Reifen traf, ober bie ifyn am Orte
feiner 'Jätigfeit at§ $rebiger ber trüber auffudjten. Mmäfytid)
fteUten fid^ inbeS Differenzen ^oifdjen ifym unb gin^enborf in
betreff ber 9J?ett)obe ber Arbeit an ben Suben tjerauS, bie fid)
niemals ööHig au3gteid)en liefen, ©er Sfnlajj gnm offenen
StuSbrud) be§ £onf!ift§ mar ein amtlicher 93eric£)t p in roelcfjem
#iebertut)n feine Sßeifc, mit ben Suben 511 berfetyren, f Gilberte.
Sm SWärg 1757 legte er benfelben ginjenborf 00r - ©iefer
fctjrieb eine 9teit)e üon ©emerfungen an ben 9?anb, metclje in
bem ©atje gipfelten: ,,3d) will an ber 3>ubenbefe()rung leinen
XetI r)aben!" Sieberfüfjn antmortete befd)eiben, aber in
entfdjiebenem 'Jone, moburd) bie ®luft §tntfcr)en beiben Männern
fid) nod) mef)r ermeiterte, ofjne bafj inbeS eine perfönüdjc
$einbfcf)aft barauS entftanben märe. ^in^enborf marf Sieberrufyn
uor, er mad)e bie Snben 51t ©ojinianern unb trage e§ nur auf
23erftanbe§beferjrung an. Sieberfürjn berief fiel) für feine Sftettjobe 1 )
auf bie t)eitige @d)rift. ©ie Urfadjc ber ©iffereng lag nid)t
in mangelnDer SHecrjtgläubigfeit auf feiten £ieberfut)n§, gegen
beffen £ef)rauffaffung, mie er fie in feinem für bie ^ugenb bc=
ftimmten Set)r6üdf)tem 2 ) niebertegte, fictjerltcr) meniger Sebenfen
^u ergeben finb at§ gegen manche 5(uffteIIung ßinaenborfs.
Sßielmefjr ging ber festere baoon au§, bafe bie d)riftlid)c 58er=
fünbigung nur ba% ftum Sntjatt ()aben fönne, ma§ bireft 3ur
d)rifttid)en $arbtnalerfaf)ruug ber Rechtfertigung beim Süd auf
ben gefreu^igten ©ottmenfdjen füljre. (£r be^eidmete 1742 at§
oergIeidE»c aber audj ebenba 9fr. 2218 (oon ©ftf)er Äirc6>f), 2160. 2260
(Sieberfüfin), 2093. 2187. 2248 (3inaenborf), 2106 iGf)rift. 9lenat. v. ^injem
borf), 2262, 2273 (ginjenborf ober Sieberfü^n).
*) Sgl. bie eingefyenbe Sarftettung ber 9Jtt|fton3metfjobe Steberrtifynä üon
g. 33. ©f)aroe, ©. a. £ 1888 ©. 103 ff. u. ben folgenben Sfoffafc über Sieberfüfjn.
2 ) „®ie 2eE)re $efu (S^rifti unb feiner Slpoftel", S3arbn 1774.
2)ie fpäteren unter anberem %M erfdjienenen Stuflagen finb mefjrfacfj oer-
änbert.
43
feine ben Subcn gegenü&et: beobachtete 90?ctf)obe, ') „aflemat
Oorau^ufetjen, ba^ ÜÜ?ofe§ unb bie ^ropfjetcn Oon feinem nnbern
©ott gemufjt fjaben al§ Don bem, ber SUZenfdj loorben ift, nnb
ben ifjre SSäter an§ §0(5 gegangen fjaben. §öre, &>raet! bn
fjaft feinen ©ott als Serpüa, beuten ©ort! 3So ift ein $otf,
beffen ©ott Eingegangen ift, Sefuä §u werben? — im übrigen
nicfjt §u bi3putieren, fonbern ben 90?ann anaufefjen, ob bie ®ecfc
noefj öor bem ^erjen fjängt, unb wenn ba§ ift, ifjn laufen gu
laffen". SSer aber wie ginjenborf oag ©oangettum bafjüt
formulierte, bafj ber (Schöpfer Genfer) gemorben unb geftorben
fei, unb erft naefj ber Slnnafjme biefer üföafjrfjeit oon einem SSater
btcfe§ (3ctjöpfer§ unb (£rtöfer§ ju reben geftattete, fonnte freilief)
auf $erftänbigung mit Suben roenig rechnen unb ftellte fief)
51t gleich in offenen SStberfürucf) ju jebem, ber wie Sieberfüfm
an Oon Suben anerfannte unb ifjnen oerftänblicfje Sßafjrfjeiten
anjufnüpfen unb babei bie sßrebtgtwetfe ber auZ bem jübifcfjen
23otf tjerauägewacfjfeneu ?lpoftel nacrj§uafjmen fucfjte. (£§ ift
beflagen§mert, bajg 3 u1 S enoor f i e langer befto mefjr ben Oon
il)m aufgehellten £r#u3 cfjriftltcfjer SBerfünbigung für bie einzig
richtige gorm berfelben fjtelt unb baburefj unfäfjtg mürbe, fiel)
mit anbern, bie nicfjt gan^ feiner Slnficfjt waren, %u üerftänbigen.
3>n biefer (Sinfeitigfeit 3ütä e Hborf§, loelcfje feine ©emeinbe ur=
fprünglicfj, menn auef) in abgefcfjWäcfjter $orm, übernahm, fcfjen
mir bie Urfacfje, weäfjalb eS ben örübern fdjwer gelang, bei
Golfern mit entmicfeltem 3)enrTeben üom üüättelpunfte ber
©cfjrift au§ neue unb entfprecfjenbe formen ber §eil§üerfünbigung
5U finben. <pier liegt auef) ber ©runb, wcSfjalb bie 3suben=
miffionStätigfeit ber Vorüber, bie einen fo fcfjönen Stnfang ge=
nommen i)atk, feinen Fortgang fanb. Sieberfüfju§ 5tnfcf)auungen
mürben ^mar Oon ber ©tmobe be§ SafjreS 1764 mit mefjr 93er;
ftänbnte betrachtet als Oon 3^ä enoor f- ^ er Uöm ©eifte ber
©emeine getragen mar feine ^ätigfeit nicfjt. 3ubcm mar bie
ßeit mutigen, jugenblräftigen 33orgefjen3 Oorüber unb feljrte
nicfjt gurücf. ?U§ öieberfüfjn im Safjrc 1777 ftarb, mar er, mie
man au§ ben furj Oorfjer wegen beS ©ef)eim6unbe3 in 9Imfterbam
J ) Naturelle «Reflexionen (1746) ©. 40, 33at&»fd)e Sammlungen (17(50).
©. 209.
44
mit ifym gepflogenen Uuterljanbtungen ber UnitätSbireftion 1 )
fjerau§füt)lt, innerlich Oereinfamt.
2In biefer ©teile werfen mir einen 9rüdblid auf ^in^enborfä
altgemeine (Stellung ju SSrael unb feiner Hoffnung, ©eine
©ebanfen in biefer Dftcrjtung tjaben fiel) nie mefentlict) Oeränbert.
Sn feiner in ben Sarjren 1725 unb 26 tu ©reiben fjerau3=
gegebenen 2öod^cnfdt)rift „£)er teutferje ©ofrateS" fe£t er einmal
(im 23. ©tücf) feine ©ebanleu Dom SSefcn be§ SljriftentumS im
®egenfa| gur rjeibnifdjen unb jübifdjen Religion auSeinanber
unb rebet ba fotgcnbermafjen :
„Sei) prätenbiere üou meiner ©ottrjeit, bafc fie ber allere
meifeften Kreatur att^u meife, ber aflert)öcfjften Kreatur allju
rjod), ber atlerpradjtigften Statur aü^u ^errltcf) fei. Set) öertange
nad) meinem Sßerftanbe, bafj fie fiel) entroeber gar nidjt, ober in
einer folcfjen ©eftalt offenbaren muffe, bie meine ober eine
anbere gefunbe Vernunft nidjt ftüger, gefctjicfter unb paffenber
au^äufinnen gemußt tjätte. §ier fterjft bu, mein Sube, bu öer=
ftreuteS $8otf auf bem Hngefidjt ber (Srbe, ba§ beine Setjrfätje
mir oernünftiger erfdjeinen muffen als bie bisherigen [ber Reiben],
meit bu ein unfidjtbarcS unb geiftlidjeS, aber bocl) ein ÜBcfen
glaubft, ba§ fid) bereiuft offenbaren mujj. üftur barüber finb
mir entgegengefetjter Meinung, bajj bu noerj barauf Ijoffeft, e§
merbc fommen, ictj aber glaube, eS fei bageroefen. SDu glaubft
nidjt, meifer Sube, baf; bie Offenbarung ©ottcS bei ben $D?enfdjen
fielen fönne, bu glaubft nidjt, ba^ eS bernünftig fei,
roenn'3 bei ber Kreatur, ber ungereimten, ftünbe,
roem fie als itjrem ©ort ben Dpfcrtjerb anjünbe.
35aruin glaubft bu, ba§ er fiel) fclbft 51t erfennen geben mufj.
®a§ glaube idj audj, bu seicieft ein Sud), ba§ biefeS oberfte
SBefen befdjreibt unb oon ir)m fagt, bafc eS auf (Srben fommen
merbe. 3d) l)abe aber noefj ein 93udj, roetdjeS jenes 23ud)
aüerbingS für ein ßeugniS Oon ifjm auSgicbt, aber jugteid)
forbert, ba§ man ^u itjm felbft gerben muffe, meit er fiel) bereits
einige ßeit auf (Srben fetjen laffen unb als ein Genfer) mit
ben äftenferjen gcnmnbelt l)abe. 2)a3 ift eine $t)ilofopf)ie für
meinen $opf, id) meife mdjt, ob aus Sigentiebe ober marum,
aber id) bäcfjte nid)t, bafj id) eS beffer gu macfjen muffte".
') ©. raeiter unten.
45
3)amtt fjctt gin^enborf ba§ Subentum, fofern e§ baä Sitte
Xeftament repräsentiert, anerfannt, ^ugleicf) aber geltenb gemacht,
ba§ 2Bid)tigftc fei im Sitten S£eftament, bafc e§ bie äJcenfdj-
toerbung @otte£ anfünbigt, meldje bann im leiten SEeftament
al3 gefcfjerjen bezeugt roirb. £)ier aber liegt ber ®iffenfu§
äroifdjen bem Stoben unb itnn. ©ic SJceinung ift, bafj ber Stobe
ftd) mm fragen folle, ob nidjt biefe Sejeugung einem Söebürfniä
feines? eigenen ^ergenS unb 93erftanbe§ entgegenkomme. $)iefe
grage anzuregen, tonnte fonacfj für ^ n ä en00l 1 t>ie einzige
Stufgabe ber Stobenmiffiou fein; unb nacfj altem, \va§> mir über
feine eigene 23efyanblung ber Stoben mitgeteilt tjaben, mar e§
eben ba%, ma3 er fetbft bei ifjnen erftrebte. „Unfer ^lan unb
Serjre ift furj, mir öerfteigen unS nid)t meiter, atä bafj ber
(Sdjöpfer ber <Qeitaub ift. 2Bir frtjenfen Urnen alle (5inftd)ten
unb ©erjeimniffe, menn fte nur in bem einigen $unft erft mit
un3 übereintommen unb fobann mit un§ fingen: 2Bo mären
mir bod), menn fein £>cilanb mär?" 1 ) ÜJhir tjat .Sin^nborf
je länger befto brmgeuber geforbert, t>a$ eine mirtlidje §cr^en§-
bufje mit ber 93et'ef)rung uerbnnben fei. ©r fagt einmal: 2 ) „(Sie
nehmen bie Sveligion an, meil fte ftd) au§ ber 2MbeI legitimiert;
aber fie fmben nidjt baZ gehörige ©efitfjt Hon bem auf ifynen
liegenben $tud), oon ber 23lutfd)ittb an icjrem ©cljöpfer, ber ifjr
Vorüber morben ift. ©ie tränen, bie einmal alle ©tämme
nadjtjolen muffen, menn fte ba§ geidjen ™ oer: ©ette, barein
jene geftodjen rjaben, feljen merben, mujs ein jebroeber red)t=
fdjaffener Stobe, menn er fict) 511m §ctlanb befetjrt, nierjt üorbei^
get)en. (£3 mufj bei ifjm, menn er fd)on lang begnabigt ift,
noefj immer über bem S)enfmal ber ©djulb feines ißoiU ftille
gärjrtein fetjen".
@§ ift nietjt ganj gutreffenb, menn $titt in feiner „Xtjeotogie
3inäenborf§" I (1869) <3. 544 fagt: „^injenborf mar über^
jeugt, bafj bie $eit ^ rer [° er Stoben] £>eimfud)ung nod) nid)t
fo üorfjanben fei, mie für bie Reiben." Sto feinen testen Sagen
tonnte er motjt flogen: 3 ) „9Jcan fann fid) iljrer ntdt)t feljr an-
2 ) Siebe ootn 25. Januar 1750, MS. im Sefifc be3 Söerf. 2Iu3 berfetben
Duette ftamtnen bie fpäter jitierten 9iebeftücfe, roo nid^tä anbereä angegeben.
a ) 3tebe Dom 3utt 1751.
3 ) 3?ebe Dorn 10. 2lprtf 1760, UnitätSardnü 16.
46
nehmen, itjre (Stunbe ift uod) nictjt ba". Slbcr biefer 9lulbrud
bei 9Ser5agenö entfprictjt feinelmegl bem, mal er früher oft
tjoffnunglfreubig aulgefprodjeu tjatte. £)afj el jetjt bie .ßeit ber
„(Srftlinge", nidjt bcr ooflen (Srnte fei, galt U)tn aud) oon ber
§eibenmiffion. „(Sl ftefjt nidjt in unferer Snftruftion, baJ3 mir
gange Stationen, Sänber unb unfein belehren f ollen; foiibern
mie mir fetbft eine 5tu^roaf)l finb, fo erwarten mir aucf) nur eine
(Srftlingfcrjaft aul ben Reiben". 1 ) $)er Terminus a quo, ha
mir auf grofjc, auf Scational-, auf SMtteitbef errungen gum ge=
fd) (achteten Sammlern gu rectjnen fjaben, ift, menn ber teufet
nid)t meljr tuirb bie Reiben Oerfüfyren bürfen (Dffb. Sot). 20, 3.)". 2 )
©enau ebenfo bad)te ßingenborf Oon ber 23efef)rung ber Suben,
mie er el in ber <£raurebe S?ird)l)ofl (6. $ebruar 1746) unb
fonft oft aulbrüdlicl) aulfpractj.
SDie ©runblage biefer Überzeugung mar bie fjeilige (Scfjrift.
©r überfefcte Dtömer 11, 12. 15. 25 :») „Senn il)r Slbmeidjen
bie SBelt reid) mad)t, unb Ü)r <Sd)abe ber Golfer Profit fein
fann, mal mürbe el nidjt ausgeben, menn fie beifammen mären?
Sft atfo it)re äkrruerfung ber 9Belt 2lulföt)nung, mal mirb'l
anberl fein, luenn fie mieber aufgenommen merben, all ein
Seben aul bem SEobe ? Sd) luitl eud) aber ein ©etjeimnil fageu,
i()r ©ruber, bamit il)r nidjt nur auf euer) beutet, nämlid) id)
mill fagen, ba§ ein Seil oon Slrael in einer großen ©erftodung
ftetjet bil gur ©infammlung atlel bei, mal gum §eibentum
gehöret, ba atfo gang Slraet errettet mirb". ©omie für
$ingenborf für bie ©egenroart bie Setefjrung einer Hulmaljt
Oon Suben unb Reiben feftftefjt, fo fieser glaubt er aud) eine
fünftige ©efetjrung ber gangen SSölfer. Snbegug auf biefe letztere
umfctjreibt er einmal ben ©ebanfen bei ^ßautul oon S^öm. 11, 25 :
„(£l fann efjer ben Suben nidjt reetjt geholfen merben, el
muffen erft bie übrigen aulermärjlten Suben nadjeinanber feiig
merben, bamit barnacr) bal gange %>£md miteinanber fann feiig
J ) Siebe »om 18. SDiai 1748, f. Sieben über bie oier ©üangelien VI
(1792) ©. 302.
2 ) 9iebe oom 19. 2Rai 1746, f. 3eifter Sieben (1747) S. 189.
s ) Ü&erfefcung be§ 9ieuen 2eftament3 II 2. 2lu3g. 1746. Sie etftc
2Ut3ga&e oon 1739 enthält feine Varianten x>on Sebeutung.
47
merben". 1 ) Um biefe 23otlenbung Säraelä tiefe er feine ©emeine
in ber im Satrce 1744 ^erfaßten „SSunbentitanei" mit ben
Sßorten beten: „1)u 3eid)en oeä ÜRenfdjenfotynS, erfdjeine bem
3§rael nad) bem gleifd), efje bn in ben SBolren fommft!" (5r
meinte bamit, bajj bie Suben in itjrer OM^at)! bocf) nod) üor
ber erfdjredenben £)errlicfjteit3erfd)einung ©tjriftt eine (Srfaljrung
äfjnlid) ber be£ £t)oma§ machen möchten, inbem fie bei ben
SBunbenmaten be§ <peitanb§, meiere ßinjenborf für ba§ „ßeidjen
be§ äJ?enfd)enfot)n3" rjtilt, ifjn al§ ifjren §errn unb ®ott er*
fennen. 2 ) S)iefe§ ©reigniS foü bann ba£ «Signal geben 311
einer allgemeinen ßumenbung, fomotjt ber erftorbenen
djriftlicfjen, als ber rjeibnifdjen Golfer 51t (Sfjrifto. „Sa mirb
alle* üollenbet merben, ma§ ber <peüanb üerfprodjen fjat; er
roirb erfannt nnb geheiligt merben, erft an feinen ^inbern
3§rael, barnad) nnter allen Nationen". 3 ) SSrael fetbft mirb
aber ^u ber $efet)rnng ber anbern Golfer mitroirfen. „$n ber
testen Qdt öor ber ^errlic^feit mirb man erft fetjen, u i)afc au3
bem Stamm entfpriefjen foll'n — in biefer legten $eit — bnrd)
metdje ©ott aufridjten moüY — fein üteid), bie ßfjriftenrjett"". 4 )
äöotjl um bie gleiche fttit erwartete gin^enborf eine erfte
3Bteberfunft be§ §errn 51t feiner ©emeine oljne äußere ßeicfjen,
öor ber Sßett öerborgen, moranf ein Sßerferjr mit Ujm folgt,
ätjnlid) bem ber jünger mit i()tn mäljrenb ber 40 £age öor
feiner <pimmelfat)rt. 5 ) £)iefe $eriobe, mätjrenb tuetdjer ber
Satan ben Sauf be§ @uangelium§ unter hm Golfern nidjt
wirb fjemmen bürfen, fdjliefjt ab mit ber §errlicrjr'eit§erfd)einung
be§ igerru, ba feine güfte au ^ bem Dlberg ftetjen merben (ögl.
Sadj. 14, 4 mit Slpgefd). 1, 11). S)a wirb benn aud) ber im«
gläubig gebliebene Xeil 3§roel§ unb ber SSölt'er mit 3Scl)f(agen
') Siebe 00m 8. Sluguft 1747, f. Sieben über bie JBunbenlitanei (1747),
©. 299.
2 ) ©fienba <3. 303 f.
3 ) Siebe »om 12. 2Jlärj 1751.
*) Siebe com 16. SDejcmbcr 1755, f. Sieben über biblifdje £e#e I (1763)
©. 548.
5 ) Siebe 00m 19. 20. 2Jlai 1751 unb com 18. Januar 1748, bie lebete
f. SiScurfe über bie 2lug3purg. Sonfeffion (1748) 6. 199 ff. »gl. Skrfucf)
}U einem ßtjvtmico ber $ird;entage (1757) ©. 11.
48
unb «Sctjreden ferjen, in roelcfjen jene geftodjen tjaben (bgl.
(Bad). 12, 10 mit äRattlj. 24, 30).')
9tn einer für biefen 9Ieon anbauernben «Sonbererjftenä ber
Suben jmeifelte 3üi5enborf nid)t. „<Sie roerben itjre <Succeffion
nidjt nur in anbern Sßölfern fortfetjen, fonbem roerben auct) —
roie bie 9itjone burct) ben ©enfer (See fliegt, bafj man iljreu
©ang feljen fann — tonnen gefefjen roerben als ein aparter,
auägegeidjneter $ug SJcenfdjen, als ein eigenes ©efdjtedjt, bis
baS ©erjeimniS ©otteS mit itjnen Oollenbet ift". 2 ) ßutüuftig
roerben fie beStjatb aud) eine eigene ßtjriftengemeinbe bilben. 3 )
Wlan nimmt fie fo lange üorläufig in bie djriftlictjcn Äirdjen
auf, „bis iljrer roerben fo oiel fein, bafj fie eine eigene §ütte
braudjen". 4 ) 9tn eine (Sammlung ber 8 üben in s $aläfrina, ben
Neubau cineä Tempels u. bgt. rjat ßinjenborf Ul ^ gebactjt,
aud) nictjt baran, bafj baS befetjrte SSraet einft eine centrale
«Stellung im 9ieicrje ©otteS einnehmen muffe, £)aJ3 eS bann
gläubig fein roirb unb bem §errn bieuen bürfen, ift ber 2>n=
begriff feiner enblictjcn (Setigfeit. $ür ^in^enborfs SStaelS*
fjoffnung mar offenbar baS S^eue Steftament allein mafjgebcub.
£)ie attteftamentlictje ÜBeiSfaguug fudjte er im Sictjte ber SBoH*
Offenbarung ©otteS in (Stjrtfto geiftlid) §u berftefjen.
©S roäre nid)t $u oerrounbem gcroefen, roenn ßinjenborf
nad) bem «Sdjeitern feiner ^ta'ne unb mandjer fctjmei^lidjen
(Srfatjrung mit ^ßrofetijten, öon benen er furj öor feinem @nbe
flagte, bafj „fie fid) nie redjt belehren, unb einem lofen SBogen
gleichen ", 5 ) in feiner Siebe ju SSraet am (Sctjluffe nadjgelaffen
tjätte. SDaS Gegenteil ift gu beobadjten, unb mir muffen barauS
fdjtiefjen, bafj biefe Siebe in feinem Snnern tief begrünbet roar.
3>m Satjre 1757 fagte er oon feiner 9?eife in bie (Sdjroei^, bafj
er fie um ber Suben roiÜcn unternehme. 6 ) Sm Saljre 1758
fanbte er $>abib ^irdjrjof nad) Äleiuüolen, bamit er ben
») «Rebe oom 23. Slpril, 7., 8., 11. 2lugufi 1747, f. SRebcn ü&er bie
SBunbenlüanet ©. 4. 297. 302. 319.
2 ) «Rebe am „Subenfeft" (27. Januar 1751).
S J «Rebe oom 25. Januar 1750.
*) Sieben über bie äßunbenlüanei ©. 302.
6 ) 3tui einer Diebe ginjenborfS am 19. «Jfyrtl 17(30, Umtäi3ardE)iü IG.
6 ) 6. ben Sluffa^ oon ©ftyer ©rün&etf, Unitätöardjio 16, 1, 6.
49
jübifcrjen 5lnt)ängern (Sabbatljaj Qeb'iZ oerfünbe, bafs ber ex-
fdjienene SWeffiaä, ben fie glauben, fein anberer alz 3efu3 öon
s Ji%axett) fei. gum 3at)re3fcf){uffe 1759 rebete er aucf) öon
£ieberfütm§ nictjt erfolgtofer SEätigfeit mit anerfennenben Sßorten
unb geigte, bafj troij be§ üorfjanbenen ©egenfatjeä feine
perfönlidje geinbfdjaft befiele. üftotf) einen SWonat bor feinem
SEobe, am 10. 2lörit 1760, mahnte er feine ©emeinbe, ten Suben
Sichtung unb Siebe 311 beroeifen, 1 ) unb auf bem (Sterbebett be=
getdtjnete er im Sofungäbüdjfein be§ Sat)re§ 1761 ben Stag, auf
metcrjen ber ÜBerföfjntag ber ^uben fiel, 2 ) bamit bie Vorüber auct)
fiinftig ifjrer bor bem ®nabentf)rone ©otteä nictjt bergäfjen.
®a§ ®ebtt für ^§raet, mie e§ in ben ©otteSbienft ber
©emeinbe eingeorbnet mar, ift al§ ein bauembeä SSermäcrjtniS
3in§enborf§ feit feinen Sagen in ifjrer 9J?itte nicfjt berftummt.
SBurbe aud) lein Subenmiffionömerf mefjr begonnen, fo l)at bocfj
ber fonft fo fjäufige SBiberfbrudj gegen ba§felbe fjier nie taut
merben fönnen. 9J?an märe fonft gu bem (Stifter ber ©emeinbe
in fcfjneibenben SBiberfbrucfj getreten. Unb roenn im Safjre 1884
bie ©tinobe ber beittfcf>en UnitätSbrobinä für itjren 93e^irf,
1889 bie ©eneratftmobe ber Unität naefj bem antrage ber füb=
afrifanifetjen SJciffionare für ifjre fämtlidjen ÜÜäffionäftationen
in ber <£>eibenmelt ben Söunfcfj au§fbracfj, bafj jäljrlicf) in ber
$eit be§ 93erföf)ntage§ ber ^uben eine %Zxad gemibmete ®ebet§=
üerfammtung abgehalten roerbe, 3 ) fo mar e§ ficfjerlicf) ba§ 23i(b
be3 S§rael§freunbe§ .ßinsenborf, ba§> in ben fircf)ticf)en Körper-
fetjaften feben Söiberfbrud), ber fief) rjätte äußern roollen, erftiefte.
Sn gin^enborf lebte trojs allem, ma3 man an Üjjm tabeln mag,
ein fjunfe ber Siebe beffen, bem fein äRenfdj im Erbarmen
gegen bie§ berfefjrte ©efdjledjt gletct)fam. 3)arum fönnen anbere
üon ifym lernen.
*) ©. UnitätSardjit) 16, 1 b.
2 ) 33gl. meinen Staffag 6. a. §. 1885, ©. 186 ff. unb 2ie&erfüfjn3 «Rebe,
©emeinnadjridjten 1837, VI.
3 ) ©. bie Sammlungen bev SefdEilüffe Beiber ©nnoben.
4
(trottet J^uUvMfyng JjbtUn
ttttS ^itßen.
$on 21 b. ©djulje.
L £te&erfitf)ng SeBen.
u
1. ^ugenb unb ^ünglinggjaljre. 1
Sieberfürjn raurbe am 23. 3Q?är§ 1710 in Berlin geboren.
(Sein SSater, Sodann Srjriftian £teberfüt)n, war fönigticrjer £>of-
golbfcrjmieb unb erfreute fidj infolge feiner 05otte§furct)t unb
Slufridjtigteit ber befonberen ©unft be§ ®önig§ griebrict) Sßittjetm I.
öon ^reufjen. Sieberfüfjnä Altern waren befannt mit $£). S- ©pener,
8- $• <Stf)abe, 31. §. brande un ° eroberen bewährten @otte§=
männern jener geit unb unterhielten regen SBertetjr mit §alle.
3n feiner Staufe erhielt ßieberfürjn ben tarnen (Samuel, wie
er felbft glaubte, nicrjt ofme göttliche ^rooiben^ „Weil üjm berfelbe
öielen (Singang bei ben Suben gemactjt t)at". 93on feiner frütjeften
Sugenb unb öon feinem SSertjättnis) gu feinen (Sltern erfahren
mir nidjt biet. Slucf) miffen Wir nicrjt, ob er mehrere ©efctymifter
t)atte; nur ein SSruber wirb beiläufig erroäfjnt. <Scf)on in feinem
fünften Sebenäjarjr (1714) übergaben bie (Sttem ba§ Äinb einem
frommen (Scfjutmann mit tarnen SBruno in Siel tau (Stettoro
bei ^Berlin), mo er bi§ 1719 in ©emeinfcfjaft mit feinem Sßruber
erlogen mürbe.
3n biefer geit ertoactjte infolge eine§ befonberen SretgmffeS
feine fpäter fo brennenbe Siebe gu 3§raet. 23runo t)atte 1718
a ) SSergl. befonberä bie „(Stgenfjänbige 2luf3eidjnungen S.'§ über fein
Seben unb ben Umgang mit ben 3"ben big 1739" (Unität§=2lrtt;io ju £errnf)ut
9Uibr. 16. 9lx. 4. 21— @). ©enaueren SftatfjraeiS ber Duellen f. im 2lnl)cmg.
51
feinen Zögling auf eine 9\eife nad) Meppen bei $ranffurt a. D.
mitgenommen. 9H§ fie nun auf bem 9?üdmeg Hon $ürftenroalbe
nact) ^Berlin in einem 33oot auf ber ©bree fuhren, lief} er feinen
Unten 2trm in§ SKaffer fangen unb fctjtief barüber ein. (Sin
fctjmer mit giegetfteinen belabener ®at)n ftiejj an ba§ SSoot unb
quetfcfjte Ste6erfüt)n§ 2trm. Einige mitreifenbe Suben famen itjm
fogteict) ju <pilfe, muffen bie SBunbe mit 23rannttt>ein au§ unb be<
matten fie fo bor fctjtimmen folgen. S)iefe S£at ber Söarrntjeräigfeit
machte einen tiefen ©inbrud auf Sieberfütjn, „fo bafj er, fo oft er
tjernad) Suben falj, fiel) allemal freute unb eine Siebe jjit itjnen füllte".
Sm Sarjre 1719 übergab itjn fein SSater ben 9Inftatten be§
Jpalle'fctjen 2ßaifenf)aufe§, mo er bis 1724 feine ©tubien mit
großem $teif; unb, ba er ein aufjerorbentlid) begabter Änabe mar,
mit gutem (Srfolg fortfetjte. @d)on bamatS fütjlte er fidj befonberS
jum «Stubium ber tjebräifctjen ©bractje tjingegogen. !ftad)bem er
1725 unb 1726 in 93ranbenburg auf ber ©albernfdjen <2ct)ute
feine ©djulbilbung bollenbet tjatte, be§og er 1727 gu Dftern bie
Unioerfität §atte. ©er <paubtgegenftanb feines ©tubiumS
mar aud) t)ier mieber bie l;ebräifct)e (Sbradje. £>ie unter ber
Seitung be£ gelehrten ßfjriftian 93enebi!t 9J?ictjaetiS gefammelten
Äenntniffe barin famen ifjm fpäter fetjr %u ftatten.
Sn£mEe motjnte Siebertufjn 1728 in bem£>au§ beS Dr. Sänge
unb tjörte bort burd) einige Jperrntjitter SSrüber, metctje in bem=
felben §aufe logierten, üon bem gefegneten anfange ber mätjrifct)en
Stotonie in £>errntjut unb bon ber SSerbinbung einiger (Stubenten
in Sena, meiere allein für ben §eitanb in biefer SSett leben
mollten. SDiefe 93eroegung unter ben ©tubenten unb Sßrofefforen
in 3ena mar buretj einen S3efuct) 3in5enborf§ im (Sommer 1728
neu belebt roorben unb fanb giemtief) roeite Verbreitung unter
ben ©tubenten ber STljeologie. 1 ) 2Itä ßiebertutjn babon tjörte, reifte
er äunäctjft einmal befudjsmeife naefj Sena unb fiebelte baraufljin
5U Hftictjaeli 1728 gan§ batjin über. In theologicis tjörte er
ben ^ßrofeffor SBubbeuS unb in ben orientatifetjen ©bradjen
^ßrofeffor £t)tnbe, bem er biet oerbanfte. lud) mit ber äßotffifctjen
Sßfjitofobtjie mürbe er befannt, bie gerabe bamat§ in Sena auftam
unb biete ©emüter bemegte. Sr er§ätjlt felbft, bafj er „auet) fetjr
ftarf mit barauf fiel unb fiel) balb bariu bertieft Ijätte, menn nietjt
') ©pangjenßerg: Seben ginjenborfS. III, 487 ff.
4*
52
ein befonberer Umftanb baämifcrjen getreten märe". 2Ba§ für ein
Umftanb ba§> mar, roirb nictjt beridjtet; bieHeictjt feine JReife mit
ben ©at^burgern, bon ber er in bemfelben ßufammenrjange eräät)lt.
Sn Sena mar Sieberfürjn einer bon ben Anfängern ber greifctjulen,
rooburctj er mit ©bangenberg, ©temenS nnb anberen erroecften
©tubenten, bie fict) fbäter ber 93rüb ergemeine anfctjloffen, befannt
mürbe. TO ©bangenberg fcfjtofj er äSeifmacrjten 1729 einen
befonberen greunbfct)aft§bunb, ber fie auf SebenSgeit miteinanber
berbanb. 1 )
3m Sntjre 1731 erhielt Siebertufjn bie Slufforberung, in ben
©ienft be§ Snftitutum Subaicum be§ $ßrof. (Saflenberg §tt treten. 2 )
(Srroar motjt baju geneigt, liefs aber eingetretener ^emmniffe tjatber
ben ©ebanten mieber fallen. S)oct) bot fict) itjm balb barauf eine
neue (Megentjeit, näfjere 23efanntfct)aft mit ben Suben an^ufnüpfen.
3lt§ nämlid) am 3. Suli 1732 eine ©ctjar bon etroa 1000 ©alg=
bur giften ?lu§roanberern burct) Sena §og, ba erfaßte ifyn
ber Xrieb mit itjnen gu reifen, teit§ um ju fetjen, roa§ an tiefen
Seilten märe, teils auct), um fie mit ber ^rebigt be§ @bangeüum§
ju bebienen, moju er bei itjrer Slnfunft in Berlin auctj orbentlict)
befteüt mürbe. (Sr rjiett itjnen bat)er täglich einen öffentlichen
®otte§bienft. $n (Sberämalbe nun fanben fict) unter bem SSoll
auct) einige Suben, meiere ben $ug aufmerffam betrachteten. 2luf
Sieberfütjnä 3 ra 9 e » ^^ fi e f ur ©ebanlen bon biefer ©aetje tjätten,
antmortete ein alter, etjrbarer 3>ube: „SSir beuten babei an bie
3eit, menn ber 9J?afd)iacf) fommen mirb. 2)a roerben mir aud)
au§ bem Sanbe, mo mir jetjt jerftreut finb, au^ietjen unb in
foletjen Raufen nact) ©reg 3§roet (Sanb 3§*aet) gießen nad) ber
SBertjetfeung, bie mir in Xfyoxa, üftebiim unb Stetrjubim (in ©efe£,
Sßrobtjeten unb ben anberen fjeüigen ©ctjriften) babon fjaben".
darüber lamen beibe in ein tauget ©efbräet), unb ber Sube roie§ ben
©runb biefer Hoffnung au§ ber S£t)ora nact). ®a§ mar Sieberfütjn
„noct) roa§ ganj üfteueä". (Sr fdjreibt babon: „Set) tjatte roofjl
') 9iadj einem im 33e[i^ oon 5ßrof. 2)amtan fieftnbtidjen Sfagjug au3
einem eigenfyänbigen äJianuffriot £ieoerruIjn§.
*) $rof. ©attenöerg in ber 8. gortfetmng feineä „33erid£)te§ oon einem
SSerfud;, ba§ arme jübtfdje Sßolf jur ©tfenntniä ber d^riftlictjen Sßa^r^eit anju=
leiten", ©. 293, nennt feinen -Kamen; aber ber SEageouttjauSjug fdjeint barauf
^injubeuten, bafj unter bem „jüngeren <Stubiofus>" Sie6erifüt)rt ju oerfteljen ift.
53
Oon einet Subcnbefeljrung in Jpatte gehört. 3d) prte ifjn aber
mit Sefdjeibenfjeit an. SSeit id) fdjon bamal§ bie Sbee tjatte,
bajä mit allem ©imputieren nicfjtS au§geridjtet mirb, fo bezeugte
idj nur, bafj icf> ben Suben aHe§ ©ute bon bergen gönnte unb
glaubte, ber liebe ©ott mürbe fid) itjrer nodj einmal erbarmen".
3>m meiteren Verlauf be§ @efpräcf}§ fragten bie Suben nad) bem
©runbe ber $u3manberung, unb Sieberfüljn ertlärte iljnen, bafj ber
©eiuiffen^mang, ber auf bie Seute ausgeübt morben fei, fie
b%u genötigt tjätte. 31u§ biefer Unterrebung merrte Sieberfütm,
bafj e§ nötig fei, ben Suben gujugeben, bafe itjre Hoffnung nidjt
gang unbegrünbet fei; unb barin mürbe er burd) feine fpätere
$rarj§ nodj beftärft.
2)iefe§ erfte ©efprädj mit einem Suben erregte in Sieberfüfm
einen Xrieb, auf biefer Steife merjr Gelegenheit gu fudjen, mit Suben
inS ©efprädj 51t fommen. Unb ha in allen ©tobten $ommern§,
metctje fie burd)gogen, fid) jübifcrje gamttien befanben, fo befud)tc
er fie in irjren Käufern, rebete freunbtidj mit irjnen, unb meil er
fdjon Oon ben Senaer Slnftalten tjer ein großer $reunb ber Äinber
mar, mie er beim überhaupt eine ganj au§ge§eidjnete ©abc befajj
mit ßinbern umgugefjen, narjm er ftdj befonberä ber ^ubenfinber
an, ergäbjtte iljnen eine £iftorie au§ SDtofe unb ermahnte fie jur
©otteäfurdjt, ma§ ben ©Itern motjlgefiet. „2)a§ ging fd)on fo
meit," ergäljlt er felbft metter, „bafe, at§ mir nad) @totp tarnen,
ber $ü?ardjecommifariu§ redjt böfe auf midj mürbe unb fagte,
mag id) immer bei bie berfludjte Suben madjte. ®enn fo pflegen
bie (Sfjriften fid) au§§ubrüden, bie bod) ttyren §eilanb felber nid)t
fennen nod) lieb fjaben". Sn Königsberg rjielt fid) Sieberfüljn
14 STage auf, befudjte fleißig bie ©rjnagoge unb audj bie Suben in
iljren Käufern. Söeil er untertoegS im $8erfef)r mit ben Suben ftcf)
fo biet Subenbeutfdj angeeignet tjatte, bafj er fid) geläufig mit
tfjnen in tfjrer ©pradje berftänbigen tonnte, fanb er fcfjneU ©ingang
bei itjnen. 216er er erfutjr feljr balb bie SSarjr^eit be§ $autinifd)en
SßorteS: „23linbt)eit ift SSrael miberfatjren". £)od) gab e§ gu=
meilen ©etegentjeit, öon §ergen miteinanber gu reben, „fo bafc
fie mandjmat gang meidj mürben". SDer elenbe ßuftanb bkfä
93otte§ ging ßieberfürjn immer mefjr gu £>ergen, unb meil er bod)
au§ bem bisherigen Umgang mit irjnen erfat), bafj fie oft
gerührt maren, fo tiefe er fid) biefen erften Sßerfudj nidjt reuen.
54
5113 £ieberfüt)n in ber <patietbergifd)en Ätrdje (in Dftyreufjen)
öon ben ©aljburgern 2lbfd)ieb genommen f>atte, reifte er mieber nad)
Berlin jurücf. Sn ©angig fal) er fiel) auf ber 2)urd)reife unter
ben Suben um, „ob fidj jemanb ftnben mödjte, ber um feine
©eligfeit befümmert märe; aber e§ fal) fdjtedjt au§". 2lud) in
^Berlin befugte er bie ^uben fleißig imb l)atte manche Unterrebung
mit itynen be§ 3snf)alt§, bafc mir alle uufeüge Kreaturen finb,
mir mögen Suben ober ©ojim fein, menn mir nidjt raiffen, bafe
mir ©nabe unb Vergebung bei ©ort Ijaben. ®a Sieberrufjn merlte,
bafj er eine Berufung ^um ^rebigtamt am 2öaifent)au§ in Berlin
ermatten fottte, er ficr) aber bei feinen 22 Satjren nod) ^u jung
üorf'am, fetjte er balb feine 9iüdreife nad) Sena fort.
§ier la§ er anfangt priuatim Collegia biblica unb erraarb
ftdj ^u <pimmelfat)rt 1733 ben ©rab cine§ 9J?agifter3. -Kacljbem
er gu ^Sfingften beSfetben Satjreä in ©efellfdjaft einiger brannten
eine Steife nad) 5tug3burg unternommen t)atte, mürbe er burd)
(Senior Urläperger, melier mit §u jener Sieifegefeltfdjaft gehörte,
gu ben ©atgburgern nadj ©eorgien gerufen, liefen 9tuf, fomic
einen fotdjen nad) $önig§berg al§ ^rofeffor ber orientalifcljen
©prägen (1734) lefjnte er jeboct) ah, ha er bei einem 23efud) in
(£ber§borf ginge nborf kennen gelernt fjatte unb ©elegentjeit
ertjielt, bicfen auf einer 9reife nad) §ermt)ut ^u begleiten. ©§
mar ja fdjon lange fein fetjnlidjfter SBunfdj geroefen, <perrnl)ut,
moüon er fdjon mandje§ gehört unb mit beffen Sörübern er fd)on
feit 1728 gutjlung gemonnen tjatte, 51t befugen. 3tm 1. Sanitär
1735 traf er bafelbft ein. Sßärjreub feinet breimöcljentlidjen
5lufentt)alte§ farj er, „bafj ber Jpetlanb fjier feine befonbereu
©naben unb fein $euer unb Jperb in biefer ©emeine Ijatte", unb
er befdjtofj baljcr balb, gang borttjin gu gießen. gunädjft mitjgte
er freilief) nod) ein Safrc in ^ena aushalten.
Sngroifcfjen mürbe 3^ ] 5 en borf aus? <2ad)fen oerbannt (1736)
unb nafmt bat)er für bie folgenbe $eit feinen Slufentrjatt auf ber
s Jtonneburg in ber SSetterau. SDortbin folgte if)m Siebcrfütm,
nadjbem er am 20. Slprit Sena oerlaffcn fjatte. Sßeil er in ber
bortigen ©egenb, befonberS in ©einkaufen, §anau, grant'furt unb
auf ben Dörfern üiele Suben fanb, crmad)te in if)m öon neuem ber
Xrieb gur Arbeit unter i()nen fo lebenbig, baf; er fte fleißig befud)te
unb ebenfo oicle 25cfudjc and) mieberum bon ifjuen cmbftng.
55
21ucrj gingenborf *) at ftdj fc ber Suben jener ©egenb mit marmer
Siebe angenommen, ©ie Suben it)rerfeit§ gelten biefe beiben
für Chaside ummöth hä-'öläm (fromme ber Sßeltbötfer).
@§ mar ifmen „ein grofjeS SBunber", bafj jene ficf) itjrer unb nament=
tict) aucfj irjrer $inber, metcfje Sieberfürjn „tägticr) einige ©tunben
informierte", fo tiebreicf) erbarmten. SDer freunbtictje Umgang Sieben
fuf)n3 bemirfte, bafj bie Suben ein gute§ Zutrauen h u ü) m fafeten.
,,3cf) fteüte itjnen manchmal tfyren elenben 3uftanb bor", berichtet
er, „bafj ein jeber nur auf 'öläm ha-ze {i>a% geitticrje) erbictjt
fei unb faft niemanb an ba§ 'öläm ha-bä (ba§ gufünftige Seben)
bäcljte. SDie meiften geftanben aüe§ §u, entfctjulbigten ficr) aber
mit ©orgen ber üftatjrung, melcrje auct) gemifj ein grofje§ §inberni§
bei biefem SSolf, mie teiber auct) bei bieten fogenannten (Stjriften
finb". £)ie Suben tjörten Sieberfü()n§ Unterrebungen gern gu, nur
nictjt, menn bie 3tfebe auf bie ^erfon ^efu tarn. (£r überzeugte ftd)
tjier, bajg, menn ber <perr nictjt bie §ergen auftue, nictjtä au§p;
richten fei. 216er äugteicrj gemann er bod) aucfj bie Überzeugung,
ba§ mancher Sube buret) biefe Unterrebungen §um 9^acr)benlen
gelommen fei unb menigften§ erfannt rjabe, bafc, menn er auct)
nur ein rechter Sube fein motte, er fictj gu ©ott beteten muffe,
ßieberfüljn fjinterliejs, aU er biefe ©egenb berliefj, einen tiefen ©in-
bruef bei ben Suben. @ie bebauerten tebtjaft, bafj er nur fo fur^e^eit
f)ier tjatte meiten tonnen, ©o fcfjrieb §. 23. ber (Etjaffan (b. fj.
Dorfanger) bon ©einkaufen noefj gum 5lbfd)ieb einen 33rief an
irjn, morin er bezeugte, hak noerj niemanb fo tiebreicrj mit it)nen
gerebet rjätte, unb er bantte gugleicfj für alle genoffene Siebe
unb $reunbfcfjaft. 2)er gange Stufentrjalt mährte nur bon 9)?ai bi3
Suli 1736. Stm 30. Suli reifte Sieberfüfjn mit bem ©rafen 3^ n S en=
borf roieber ab, um irjn auf einer Dfoife naefj Sibtanb gu begleiten.
®iefc Steife führte gunäcfjft nad) Berlin, infolge einer Stnberung
be<§ 9teifebtane§ blieb Sieberfütjn längere geit in 33ertin, obmotjt
e§ itjm nierjt lieb mar. ©afür benutzte er aber ben s #ufent(jatt, um
öfters gu brebigen unb bor allem berfäumte er feine ©elegenfjeit,
fidj unter ben Suben umguferjen. ©teictjgeitig unternahm er bon
rjier au§ größere Reifen nad) ^ot3bam, Sßittenberg, «Stettin, ja
bi§ naefj Bresben unb Sena Ijin. 3n Berlin tarn er mefjrfacfj
mit einem berftänbigen unb befrfjeibenen Suben namenä Sagaruä
in§ ©efbräd) unb ging mit if)m bie meffianifcfjen SBeigfagungen
56
burdj. Seboct) legte ber Sube fie nad) 9lrt ber Rabbiner anber§
als ßieberfülm au§. Seigerer fatj befonberS bei ber 33el)anblung
üon Sefaja 53, roetcr)eö feiner Meinung nad) „bie alterbeutlidjfte
SSeiäfagung auf ben 9tteffia§ ift" f bafj man auf biefe Sßeife in
unfruchtbare^ ©imputieren f)ineinfommt, unb fo fing er an, haiau
§u gtoeifeln, ob bie Suben überhaupt burd) bie Sßeiäfagungen in
bem ©efetj unb in ben ^roptjeten ju überzeugen finb, bafc SefuS
ber 3Jceffia3 fei, roetl fie bod) bei ber falfdjen 9tu§legung§roeife
ifjrer Rabbiner bleiben.
3m öftober befudjte Sieberfütjn bie <Stabt Söranbenburg,
luo er üon feiner ©djuläeit tjer befannt mar. (Sr fanb fjier einige
)übifd)c Familien unb namentlich, einen für befonber§ tjeilig
geltenben (Slwfib. liefen befugte er unb fragte it)n, mie er
baju gefommen märe, ein ßrjafib §u merben, unb erfuhr, bafj
biefer äftann au§ (Sorge um fein ©eelenrjeit fiel) biefer aSfetifdjen
8eben3roeife ber Gttjaftbim Eingegeben fjatte, um bei @ott @nabe
gu erlangen, $ür bie SBerfünbigung be§ (SüangeliumS tjatte er
jebod) fein Dtjr, unb Sieberfüljn merfte balb, bafj e§ oergebenS
fei, e§ il)m aufbrängen §u roollen. Sn berfelben <Stabt rootjntc
2ieberfüb,n aucf) ber STaufe eine§ Suben bei.
äftärft 1737 fam er nad) $ra.nffurt a. £). ©ort fudjte er
ebenfalls f ogleid) roieber mit ben Suben in§ ©efpräcb, ^u fommen ;
e§ gelang ir)m aber nid)t, ba „bie Suben gu fet)r auf ben §anbel
erpicht maren". Sn biefer $eit fnüpfte er eine ©efanntfdjaft mit
Sablonäft) unb ©rilla an,. melier letztere in ber Subenfadje fefjr
erfahren mar. SSon $ranffurt au§ befudjte er feinen greunb
ßlemen§ in ©orau unb prebigte bort in ber (Stabt* unb ©djtofj'
fircfje ju Dftern 1737. ©araufljin roünfcrjte ilm ber ©raf oon
^ßromnitj als £>ofprebiger angunefjmen; aber Sieberfüljn fc^lug ba§
anerbieten au§, ba fein @inn nad) <gerrnt)ut ftanb. @r fet)rte
5unäd)ft nadj Berlin ^urüd, oon mo er (Snbe Stßai nadj Sena
abreifte. 9luf biefer Steife traf er mit einem Suben gufammen,
begrüßte ifjn mit: „Schölem!" (triebe!) unb unterhielt fiel)
jübifd) -beutf d) mit ifjm. ©er $oftitlon begann baljer, itjn für
einen Suben gu galten, Oerjerte itjn, nannte itjn 9)?aufd)el unb
erflärte fdjliefjtid) : ,,©u f»aft ben $011 üerfatjren, idj merbe bid)
angeben". @o mufete e§ Sieberfüljn an fid) felbft erfahren, mie
bie ©tjriften ben $>uben $u begegnen pflegten, C£r liejg e§ fiel) ge-
57
bulbig gefallen, bi§ enblid) oon einigen anberen ÜÜätreifenben bem
s ^o[tilIon bebeutet würbe, ba^ er im Unrecht fei. darauf bat ber
Sßoftillon fetjr um ©ntfdmlbigung. Sieberfurjn öergab gern atleö,
nacrjbem jener oerfproerjen fyatte, feinen Suben metjr fo 311 berjanbeln.
Waty met)rmonattid)en Steifen unb Drbnung feiner angelegen-
Reiten in Sena fam er fdjtießtid) am 9. 3(uguft 1737 nacr)
<perrnrjut unb ließ fid) bort gu längerem 9luf enthalt nieber.
£>errnt)ut würbe in jener 3 e ^ t)äuftg üon Suben au§ bem
benachbarten Söötjmen befudjt; bereu natjm fid) Sieberfüfjn treulid)
an. 33efonber§ einer mit -Kamen £>aüib befugte ifjn regelmäßig, unb
fie tonnten öon ^er^en miteinanber reben. 2)abib fcfjloß au§
bem Umgang mit ben Srübern, ba^ fie ein anbereS SSolf feien
als bie anberen (Sfjriften unb fragte bafjer nad) bem Unterfctjiebe.
Sieberfürm antwortete, baß jwar alle (Stiften Sefum mit bem SJcunbc
befenneten unb §u itjm fagten: „§err, iperr!" aber bie meiften
täten nidjt, wa§ er fie gelehrt fjätte. (Sie, bie Vorüber, bagegen
fuditen bie Sefjre it)reö 9J?eifterS aucl) auszuüben, öor allem ba§
®ebot ber üftäctjftenliebe, weldjeS iljnen befonberS einleuchtete.
Statoib gefiel aEeS fetjr gut in §errnl)ut, unb er bezeugte: wenn
alle ßl)riften einen foldjen SSanbel führten, fo Würben bie Suben
faft auf anbere ©ebanfen fommen unb glauben, bah an ber Setjre
etwa§ fein muffe. (Sr ging nie otjne Bewegung öon £ieberfüt)U fort,
unb biefer ift gewiß, baß 2)aüib „einen §aten in feinem bergen"
behalten tjat. 93i3 2lpril 1739 oerblieb Sieberfüfjn in Jperrnrjut, oon
wo aus er öerfdjiebene Steifen unternahm. (£§ gefiel irjm f)ier fo
gut, ba^ er gern fein ganzes £eben an biefem Drte angebracht
tjätte. ®ennod) glaubte er fiel) nidjt weigern jju bürfen, einem
an ifjn ergerjenben 9?uf nad) 5lmfterbam $otge 31t leiften.
2. SieBerfitynS Berufung nad) 2lmfterbam unb ber bauialigc
£uftanb ber Rubelt bafel&ft. 1 )
Sn felbftlofer Eingabe tjatte 2. ^)ober öom ©ommer 1738
bi§ bal)in 1739 unter ben 3>ubeu in ?lmfterbam gewirft. 9ll§
ifjm aber bie Arbeit über feine Gräfte ging, txx er gleichzeitig
aud) ba§ 3lmt eines ©eneralälteften ber Srüber belleibete, forberte
er Steberfürjn in einem 23rief 00m 27. üftooember 1738 auf, fein
») Sßergl. @. 18 u. 27.
58
®efjilfe in ber Arbeit ju roerben: „Sdj rjabe fcrjon etücfje 9J?ate
gehört, bafc bu nid)t ungeneigt märeft, einen Seruf mit unter bie
Suben anpnerjmen. <pier ift (Megenbjeit. ©8 finb biete 1000
Suben fjier; id) mobile unter ifmen. Sie im §au8 bezeigen fiel)
freunbtid) gegen mid). SBon (Segen fann id) für bie ßeit nod)
mefjr glauben al§ ferjen. SBenn bu alfo SBiUigfett in beinern
Jper^en finbeft unb e§ mit mir magen millft, bajg mir einanber
©efjitfenfcfjaft leiften, fo mirb e§ mir lieb fein. ®u meijst aber
fcfjon im borau§, bafj mir niemanb fein <3alarium ober irgenb
einen gettlidtjen unb gebüfjrenben !ftu|en auf feine SSeifc 0er=
fprecfjen fönnen, fonbern bie Xreue unb bie (SrtaubniS für unfre
Selofmung anfeüjen, unb fo mirft bu e§ aucfj fjier finben in
5lmfterbam. finbeft bu aber einige Urfadje, bafj e3 nicfjt fein
fann, fo roerbe id) aucfj gan^ rooljt mit bir gufrieben fein; aber
lafj micf)§ nur batb roiffen, mie bu gefinnt bift. S)u mürbeft
bocf) mocjt gern ein ßogie für biet) fjaben, meld)e§ man, mie man
miß, unter ben ^ßortugiefen unb beutferjen Suben tjaben fann;
bu barfft mid)§ nur miffen taffen".
darauf antmortete Sieberfüfjn oon £>errnr)ut au§ am 1. Sanitär
1739 mit fotgenber 3ufage: ^ a tef) beuten SSrief erfjielt, mar mir§
ferjr roiccjtig, bafj icl) nun ^um anbern 9J?at unter bie Suben ge-
rufen mürbe. S)a§ erfte Wlai 1 ) fonnte id) mid) §u nid)t§ ent-
fcfjliefjen, meil icf) mit mir f eiber biet gu tun tjatte; biefe§ ÜJM
aber bacfjte icf): menn bu mid) rjaben miüft, mein §eilanb, fo
miß id)'§ für eine grofje ©nabe anfebjen. 3mar lüenn ^ au f
mictj fefje, fo finbe id) mid) gan^ arm unb untüchtig ba^u, beim
3ßiffenfd)aften mad)en bie ©ad)e nid)t au£; bod) fann id) aud)
nic^t leugnen, balg id) 9J?ut bei mir fütjte, auf ben §eüanb ma£
5U magen. Neigung unb SSiüigfeit l)abe id) gur @ad)e. ©afjer
mill icf) mief) bem §errn in SUmfterbam barftetlen; er mag bann
mit mir mad)en, ma§ er mill. 2)en hinter über möcfjte id)
gern §errnfjut nod) genießen unb fobann auf ba§ $rüf)jarjr bie
Steife antreten. Wlit bemSogie fjat'S mofjt ßeit, bi§ id) fomme;
bod) möcfjte id) gern bei bir im £>aufe motten".
2)ober ermiberte fjierauf am 16. Sanitär 1739: „©einen
Srief fjabe id) erhalten, unb fjat mid) gefreut, baf; bu bid) fjaft
*) SBergl. oben ©. 52 bie Berufung in ben Sienft (SallenbergS 1731.
59
miitig finben Inf f en , mir -ut £>i(fe 511 fommen; benn id) roerbc
gegenwärtig nodj mit fo Diel ©emeinarbeit überhäuft, bafj id) an
meiner <pauptfad)e in langer .ßeit faft gar nid)t3 fjabe tun tonnen,
als unterbeffen ben <perrn an^ufie^en, bafj er un§ eine offene
^ür geben möge. ©0 f)err(id) e§ and) unter ber ©emeine an^
ftef)t, fann idj bod) bei meinem Sog gar nidjt frötjtid) fein,
luenn id) meinen gmed nid)t and) an ben Suben erhalte.
2öegen beS £ogie§ nrirb eS roorjl fo gerjen, bafj mir in einem
<pau3 roofmen fönnen. ©ein kommen fommt nur auf bid) an,
meiere £eit bu bie 9?eife antreten miQft".
Sie angeführten Briefe djarafterifieren gut bie ©timmung,
in meld)er biefe 93rüber tfjre Arbeit auf fid) nahmen, ©benfo
fpiegett fid) £ieberfüf)n3 ©efinnung mieber in bem iübifdj-beutfdjen
Siebe, meld)e§ er bamat§ bidjtete:
^iöroel, fomm 51t beinern üor'gen SRanne;
©r miß bid) gern befret'n »on allem Sänne.
@r fyat ba3 Sepher Crisus 1 ) aufgehoben
Unb null aufä neue fid) mit bir oerloben.
2)ie Lo ruchamo 2 ) foll 3U ©naben fommen,
©er Meliz 3 ) Ijat fid) ibrer angenommen:
©er f)at fein Solf SiSrol bei ©Ott oertreten
Unb für un§ Poschim 4 ) Chesed 5 ) auSgebeten.
©ein Slut, baä 3ur Cappore 6 ) längft nergoffen,
Äömint au§ bem Kodesch 7 ) nun auf uns» gefloffen
Unb roäfcbt un3 rein oon aßen unfern ©ünben.
2Bir follen Rephue schleme 8 ) brinnen finben.
©er Tolah 9 ) ift gewiß Maschiach Zidkenu 10 ).
2ld) fäm er nur bimhera bejamenu").
2Bir roofl'n in unfern Zoros 12 ) ju ibm eilen,
©er un<8 gefd)Iagen bat, ber fann un§ feilen.
@r roirb fein Soll 3><3rol »on allem Söfen
Unb au3 bem Golus' 3 ) nod) geroiß erlöfen.
©ann nierben mir bem Tolah Schevach 14 ) bringen;
Unb Boruch habbo b'scham Adonai 15 ) fingen.
J ) ©djeibebrief. 8 ) 3Kdjt 00m Sater geliebt (öof. 1, G). 3 ) ©er 9flütler'
gürfpredjer. 4 ) (Sünber. 5 ) ©nabe. 6 ) Serfölmung. 7 ) Sem .^eiligen
(®br. 9, 12). 8 ) Sollfommene ©enefung. 9 ) ©er ©ebenfte. 10 ) SRefftaä,
unfere ©erecljttgfeit. 1J ) Salb in unfern Sagen. ,2 ) 3Jöten. 13 ) ©efangenfdjaft.
14 ) £ob. 15 ) ©elobt fei, ber ba fommt im tarnen beS £errn.
2lnmerfung. 2lu&er bem oben jitierten Siebe 0lv. 1993) finb uns
nod) mehrere anbere fogenanntc „iübifd)^teutfcf)c Sfalmen" oon 2. er=
60
5tm 29. Stprit 1739 reifte nun Sieberfufyt uon £errnt)ut ab,
äunäcrjft nacrj ültfarienbora, tuo er am 25. Suti Dom ©raten ßtnäen*
borf „fonfirmiert", b. f). in bie $arjt berer aufgenommen lourbe, bie
itjr ßeben bem SHenft be§ §errn in ber SSrüberfirdje ttnbmen
moHten. 2tm 23. 2luguft traf er in Slmfterbam ein. 93alb
barauf öerliefj £>ober biefe ©tabt unb reifte nadj Sftarienborn,
fo bajs nun Sieberfütjn allein feiner ferneren Arbeit entgegenging.
2)odj begleitete ifnt babei bie Ijeräticrje STeihtafyme ber trüber, mie
au§ einigen nod) t)anbfd)riftticfj erhaltenen 5lbfdjieb3üebern
f)eru>orgef)t. 3J?oltt)er fang Ünn:
2ieberftif)n! — 3)u ßeijft nun I)in
2luf ben bir Dorbeftimmten ^ßtan.
Unfer 2amm, — ba§ biet) annahm,
Stielt btc§ mit 3 eu S en 9 na ^ e an -
3ieb> an ben Jpelbenftnn,
2Btrb ü)m um ben Äreuägeroinn
3Son bem ©amen SHbrafyam,
£)er um feine ©nabe lann.
galten, bie glett^faltö im alten Serrntjuier ©efangbuct) (XII. 2tnf)ang,
3lv. 1994-2002; Bergt. auct> ©aat auf «poffn. 1879, 177—182) fielen, unb
auf bie mir fdjon in biefem 3uf<nwnenljang rjinttieifert, obrooljt fie au§ fpätercr
3eit flammen. ©3 finb folgenbe:
3lt. 1994 (in Sonbon gebietet): 2)er Thoia ift mein öerr unb ©Ott.
„ 1995 (©ctjroeibnit} 1743 am *ßurim) : ©elobei feift bu 3efu3 ©fjtift.
„ 1996 (©nabedE 1744): Sffienn einer ift mechulle [franf].
„ 1997 (©nabecf 1744, 18. Sptil am ©djabbcg): 2lm Scf>abbeS finb
mir fülle.
„ 1998 (Wartenbom 1744): SDer Thola fjat fein teures »tut.
„ 1999 (ju SBenigna ». 3inäenborf3 ©eburtgtag) : ®er Bore (©dfjöpfer)
ift erfdjienen.
„ 2000 (am £fjoma§tag 1744): 2Bie bin idE) bocf) fo fjerjlidfj frof).
„ 2001 (9Jtarienborn) : (Stjrifti 33lut unb ©ereajtigfeit; in IjebräifdEjer
Überfettung üon 2.
„ 2002 (Wartenborn): §err Qefu 6f)rift bein £ob; fjebräifdE) non 2.
gür bie beiben legigenannten 2ieber ift fein Saturn nacbjuroeifen. Sie
Datierung ber übrigen 2ieber naa) f)anbfct)riftltcE)en Angaben im Sefitj non
$rof. Salman.
©otteäfomm — au§ 2)at)ib3 (Stamm,
Senfe bod) an bein arme§ ©efdjtecf)!
S)a§ fo lang — burcb, eignen ©ang
©idj fyat r-erirret com 33unbe£>redjt.
©preng entjroei bie ßerfertür,
3iefj eä au3 bem £ob fjerfür;
Safe eS in ber üftägel 9M
©efyen feine ©nabenroaljl.
Unb ^ingenborf begleitete ßieberfüf)n unb feinen Steife-
geführten mit bem SSunfcfj:
■Mein lieber 23ruber Sieberlfüljn,
23om §eitanb überzeuget,
©ajj fid£) fein blutigeä Seimen
2ludj üor bie ^uben neiget:
©ei), fage feinem 3^ rae f/
3)er „®ott mit un§" fei tb,re.
2)er auf ©bräifd) ^nrnn*"" 61
Sft i£)re ©nabentüre.
3n biefem Sinn Jommt glücflic^ an
^m froren Stmfterbamme
Unb macf)t bem ^reunbe neue 33afyn.
Sringt eine frifdfje flamme
$u benen anbern feuern Ijin,
3Me fdjon bafetbften jünben.
®er §eiknb fdjreib' eö euct) in ©inn,
SBie tfjr mü&t überroinben.
2)a§ fdjönfte ber an Sieberturm gerichteten Slbfdjiebäüeber ift
aber ba§ öon Sofj. r>. SBattebitte. 1 ) <pier toenigften§ ein s itu§äug:
SDöte lange mähren bodj bie 3eiten,
2)a ber SWefftaS feine Seuten,
25a3 &xael noctj nitf)t fann fefjn!
S5ie Seele 9Jiop tjängt nodj immer
Unb Ijinbert feiner Sßunben ©ö§immer;
©o imifj fein SJoII rootjl irre gefyn.
2Bo ift bie geuerroolf,
Samit er biefeS SSoW — fonft geleitet?
2Benn bocb, einmal — ein ©nabenftrafjl
Sortjin ging' big in3 SßunbenmaU
*) 3m §errnf»uter ©efangbucf), 2lnb,ang X -Nr. 1508. Sergl. ©aat
auf Hoffnung 1880, 3 f.
62
2Bie »iele arme Blinbe Reiben
©efm roir fd^on in ben SBunben roeiben!
Sßie mancher roirb nodj Ijingeleit't!
2)a3 mad»t, bafj mir jurücfe gec)en
Unb auf bem Stamm ber ©nabe fielen:
2>er feljlt un§ nod) ju unfrer greub'.
©§ fommt nun auf bidj an;
Senn beine ©nabe ifann — ftclj beroeifen.
SBir jroeifeln nidjt, — bein 2lngefid)t
3ft bodj aurf) auf bieö SSoIf geridit't.
©ie finb ja bein Sßolf unb ©efd>(ed)te,
©efjören bir mit allem Steckte;
©3 jammert beine Äreujgemein',
©afe fie noch, gar nia)t§ t>on bir fetjen
yioa) roaö oon beinern SSolf oerftefjen
Unb beineä $reuje§ geinbe fein,
^ürroatjr, i>a3 madjt unö ©dmterj ;
2)rum roünfd)et unfer £erj: — Safj fie fefjen,
2>a& bu e3 bift, §err Sefu 6f>rift,
2)er ßönig alter 2j"ton ift.
©de bod) mit muntern ©abritten
Unb blafe bod; in il)rer bitten
3Kit beinern 2eben§obem brein,
2)a& fict) Xotenbeine rühren
Unb bie »ertjeifj'ne ©nabe fpüren.
©in jeber roill bein SBote fein;
©j> ift auf bid) geraagt.
2ßie bu e§ 3ugefagt, — fo beroeif bidj.
©oll einer jieljn, — geleite d)n
Unb madj' tf)n auf bein 2lmen fttfm.
2)u fjaft bidt) bisher beroiefen —
©ei miltionenmal gepriefen —
SBie'3 bie ©emein begehret fmt.
3)enn bu jcujleft itjre 3är)ren
Sieroeil bein ©eift aß i£)r Segef»ren
3r)r felbft erft r-orgebetet l)at.
ßommt, %\x\>tn, fü§t ben ©olm,
3)en Suben auf bem £f)ron. — §err ergebe
©ie auä bem Äolf 1 ) — jur äeugenroolf
Unb beinern ©iegelftirnencolf.
') ßolf (3. 3Jtofe 11, 30 bei £utr)er) = ttefeS Sßafferlod», grofee SBaffergrube.
63
f8on bem 3 u ft an0 oer Suben in 5lmfterbam, unter
benett ßieberfütm jettf feine Xätigfeit gu eröffnen im Segriff
ftanD, erfahren mir au§ feinen Seridjten 1 ) folgenbe3:
Sie Suben teilen fid) in Stabbaniten nnb Staraiten. (Srftere
tjalten näct)ft bei ©djrift ben Xalmub für 9tegel itnb 9tidjtfd)nur
itjreä ®lauben§ itnb £eben§. Severe oerroerfen ben Xatmub. Sn
Slmfterbam finb um 1740 bie Suben burd)get)enb§ Ütabbaniten,
bie portugififcJjen fomoljt at§ bie beutfd)en. Sodj finb manche
im ©etjeimen ben Staraiten jugetan, bie fid) aber nidjtg öffentlich
merfen laffen, ba biefe für Steuer gehalten fterben; e§ finb fonft
oerftänbige Seute, aber bodj al§ §eud)ler gu beurteilen, ha fie
fid) äujjerlid) gur ©nnagoge galten, nur um äujgerer 9iüdfid)ten
millen. Sarin finb aber Äaraiten mie Dtabbaniten eins, baf?
$efu§ nid)t ber äRefftaS fein tonne, weit e§ fid) nidjt mit ber
Vernunft reimen will, .ßttnfdjen ^ortugiefen unb Seutfcfyen
ift ber Religion nadj fein anberer Unterfdjieb, at§ baf$ bie
^ortugiefen einige anbere Zeremonien Ijaben al3 bie Seutfdjen.
Snbeffen Ijaben fie bod) einen fyeimtidjen £mJB gegeneinanber.
Sie 'ißortugiefen motten etmaä bornetjmer fein al§ bie Seutfdjen.
Senn fie fd) i-eiben fid) Oom «Stamm Suba tjer unb glauben, baf$
bciZ Überbteibfel oom @efd)led)t Saöib unter iljnen fei; bie
Seutfdjen aber follen nur Oon ^Benjamin Ijerfommen. ©ie fyaben
audj befd)toffen, fid) nidjt mit ben beutfd)en Suben ju Oertjeiraten.
Sie beutfdjen Suben Vftcgen oft gu fagen, bof} in Sfmfterbam fo
ein (£reb dxab 2 ) (ein gemifdjter Jpaufe) fei, meit atle§, ma§ nirgenb§
mef)r gebulbet roirb, (;tert)er lommt unb fyier greiljeit f)at. (§&
giebt fetjr öiele f)ier, bie fid) an anberen Orten t)aben taufen
laffen unb, nadjbem fie auf iljre 5lrt Söufje getan, mieber gum
Subentum gurüdgetreten finb, bie aber nidjt triet bei iljnen geartet
werben. Slud) oerfd)iebene ©erim (^rofettjten) ober (Sfjriften, bie
Suben geworben finb, fann man unter iljnen antreffen, meiftenä
öon ber römifeljen, einige aud) au3 ber lutfyerifdjen $irdje. Sie
Suben Ijaben grofje greifjeit in Slmfterbam, fo bafj fie alle§ ot)ne
a ) „ßurje ^ad^rid^t non bem gegenroärtigen guftanb ber ^uben in
älmfterbam unb meinem faserigen Umgang mit i^nen- a. 1740." (Un.=2lrdjh)
SR. 16, 9fr. 4. 21. 5. g.) — Sergleto&e bie Mitteilungen über bie ^uben in
SImfterbam aur 3eit be§ 2Riffionctr3 (Sljr. 3B. §. <ßcmli, in „5Wau)cmaet" 1893.
a ) SBergt. 2 2Rofe 12, 38. (2uu)er: ^Söbetoo«.)
64
(gctjeu tjerauäfagen, roa§ fie fiel) anberäroo nicfjt fjätten unterftetjen
bürfen. 3)a§ ift OieHeidjt infofern beffer, weil man babei ©e=
legentjeit tjat, ifynen it)re (Sinttmrfe unb irrigen begriffe 511
benehmen, $>a fte ftcf) fonft einbitben, fie gälten 9rect)t f bürften
aber nur nietjt reben.
(£§ giebt oiete ©efellfctjaften ober Gtjebrott) unter ben
Suben, bie §um 93eften ber Ungeteilten unb Firmen eingerichtet
finb, 3. 23. folcfje, bie SSaifenfinber oerforgen, anbere, bie arme
3ftäbd)en au§ftatten, roieber anbere, roetetje für Xotenbeftattung
forgen, unb bergteietjen üiele. @ie fommen teils täglicf), teils
be§ ©abbattjS ^ufammen unb Ratten ftd) einen Diabbi, ber itjnen
ein tjebräifctjeä 23ud) erHärt ober eine moralifdje ^rebigt tjätt.
Sie $ßortugiefen tjaben jinei, bie SDeutfdjen einen 9?abbi, bie fie
in allen §n)eifelr)aften gälten, roelctje itjre ©ebräudje betreffen,
um 9lat fragen. Sftact) bem IRabbi folgen bie 9ftct)ter, bie mit
bem 9kbbi in <Streitfacr)en fdjlidjten, unb bie ^5arnafim ober
SBorftetjer, bie alles regieren unb äugteict) für bie Firmen forgen.
©0 üiel oon bem äufjerlidjen 3uftanb oer Suben.
Stuct) oon it)rem inneren ßuftanb fei einiget Stjarafteriftifctje
furj angebeutet. 2Ber 'Oläm ha-bä [ba& eroige Seben] tjaben
mill, mufj an ben einigen ®ott glauben unb feine ©ebote Ratten,
meiere, 613 an ber ßatjt, im ©efeij 9J?ofi§ enthalten finb. Söenn
jemanb gefünbigt tjat, mujs er S£fct)ube ßöufje] tun, b. tj. 9?eue
unb £eib empfinben, faften, beten, Sttmofen geben, bie @ünbe
nicfjt metjr ttjun unb fid) ganj auf ®otte3 öarm^er^igfeit oer=
taffen. ®er grofje Sufjtag ift für bie Suben ber SßerföljnungS'
tag. 2)ie genannten Seiftungen roerben in gefteigertem ÜUfafj
erfüllt Oon ben ßfyafibim ober ^eiligen, meiere fief) aller roelt^
liefen ©efetjäfte enthalten unb gan§ ben £almubftubien unb
Sßujjübungen leben. '©iefe erlangen gteidj bie oberfte ber fieben
©rufen be§ $arabiefe§. ©oldje ^eilige ftetjen in tjotjem 9lnfef)en
bei ben Suben. @& giebt beren aber fefyr roenige, namentlidj in
Slmfterbam, ba tjier bie üftatjmngSforgen befonberS brücfenb finb.
Übrigens ftetjt e£ bei ben Suben aus roie bei ben ßtjriften.
2)ie meiften fteefen in ber größten Unroiffentjeit unb Aberglauben.
2)ie (Mefjrten finb aufgeblafen unb üotler ©inbilbung. ©ie
Stetctjen tjaben itjr Äanaan tjier unb fetjnen fict) itid)t nadj einem
anbern. £)atjer auet) ein ©pridjroort bei itjnen ift: Söer tjofft
65
auf bie Geulle [ßrlöfung], ber ift gemifj Mechulle [üerborben
im geittidjen; mörtlicfj: frant]. ®ie Firmen werben nie nücrjtern
Oon ben Sorgen ber üftarjrung, fo ba$ man e§ otme Sammer
nicfjt anfet)en fann. 2)abei oerfaffen [ie fid) noct) immer auf
bie $Sefd)neibung, ba§ ift für fie ber recfjte 'Iqqar [Jpauptfacrje].
@ie tun if)re Qbebde be§ ÜJ?orgen3 unb 5lbenb§, galten bie
©ebote, fo Diel Sftenfdjen möglidj ift r unb finb roeiter um itjren
$uftanb nicfjt bekümmert. $ur§, bie Stugen finb itjnen nic&t ge=
öffnet, irjr (£tenb einzufeuern £)arjer fjaben fie aud) feinen
.•pctlanb nötig, unb 3efu3 ift bei ifjnen fo oeradjtet, mie er bei
ben Triften unbefannt ift.
@o fal) e§ unter ben Suben bamal§ au§, metdje Sieber-
fiil)n jum Dbielt feiner 9J?iffion§tätigfeit erroürjlt tjatte.
3. $te Arbeit fitekrfüfjnS in ^oßanb unb (£nßlanb.
1739-1742.
9113 Ste&crfütjn in biefe Arbeit eintrat, ftanb er, ba ©ober feljr
balb abreifte, zunadjft in einer fremben <3tabt ganz allein, üftiemanb
mar bei itnn, ber ifjm einige Einleitung geben tonnte. 2)a
mürbe e§ ifjm ferner um3 §erz, unb er mußte zuerft ntd)t r mie
er ba§ Söerl angreifen foUte. 9lber er fetste fein Vertrauen auf
feinen Jpeilanb, unb biefer ließ irjn balb feine Jpitfe erfahren.
SSou ber in irjrer SBeife einzigartigen üDftffionämetrjobe, bie fid)
ßieberfütjn im Saufe ber Sarjre aneignete, fagte er batjer füäter, baß
er öom §eilanb fetbft barauf geführt morben fei. SSor allem lag
il)m baran, in Sefanntfdjaft unb 9Set!el)r mit ben Suben §u
fommen. $u oem ,8tt>ed befugte er regelmäßig bie ©rmagogen=
gotteäbienfte; täglidj mar er beim Sftorgen- unb Elbenbgebet
Zugegen. $)a§ len!te bie Stufmerffamfeit ber Suben auf feine
Sßerfon. $uerft mußten fie freiließ nid)t, roa§ fie auö bem
fremben (Srjnagogenbefudjer matten follten. Einige glaubten, er
fame fo fleißig, um ein Sßrofelrjt zu merben unb bann bie 93e=
fdjneibung anzunehmen; anbere, er fei im Sienft be§ $rof.
(Sallenberg gefommen, um SBüdjer aufzuteilen. SSieber anbere
Vermuteten, er fäme nur, fie auSzuforfcrjen, um bann ein S3udj
gegen fie z« fcfyreiben, mie ber befannte (Sifenmenger. Gnnige
aber mer!ten morjt, ba^ er nicfjt umfonft fo oft in bie ©tmagoge
fam unb bie SSefanntfcrjaft mit ben Suben fucfjte, fo ba^ itjn
5
66__
einmal ein Sube auf offener (Strafte anöadte unb anfdjrie: „$)u
fommft nur, um ben Suben beinen ©tauben ju bringen".
SDiefer Sube rjätte if)n fdjroer mifefyanbelt, menn nicfjt ein anberer
Sube, ber Sieberf üf)n rannte, ifm öon jenem befreit rjätte. SBenn aber
ein 3>ube irjn bireft nacrj feiner Slbficfjt fragte, fo antwortete Sieben
furjn ganj offen 1 ): „3dj bin ein Dtyb Säroel [greunb 33rael§]
unb fetje micfj nad) Suben um, bie |ir'a§ fm'fdjem [®otte3furd)t]
fjaben unb 'Oläm ha-bä fucfjen, mit benen idj öon ^e^en
reben fann". $)a§ gab Gelegenheit ju manctjer Unterrebung.
Um junätfjft ba§ Subentum redjt fennen ju lernen, natjm
Sieberftifjn balb nadj feiner Sin fünft einen Rabbi an, mit meinem
er aKerrjanb jübifcfje ©ctjriften la§. @o lernte er bie liturgifcfjen
unb bie ©ebetbüdjer ber Suben, bie SluSlegungen ber tjeiligen
©Triften, bie fjiftorifcf)en ©üdjer ber Suben, foroie itjre gegen
bie ßfyriften gerichteten polemifdjen unb moralifctjen ©djriften
fennen, unb er mürbe balb mit ber jübifdjen ©öracrje unb mit
ben ©itten unb ©ebräucfjen beS Subentumä beffer oertraut, al§
eä üieHeicrjt bie meiften Suben felbft roaren, fo bajj biefe ilm
oft für einen Suben anfatjen unb glaubten, er muffe ein
9Kefct)ummeb, ein abgefallener Sube fein. £)iefer tjäufige Um;
gang SieberfürjnS mit bem Rabbi blieb nicfjt orjne SBirfung auf
lefcteren. (£r überzeugte ficfj baöon, bafj Sefuö ber 9J?effia§ fei,
la§ aucf) eifrig ba§ Reue Xeftament. Slber bie ^arteiungen
unter ben (Srjriften maren itjm ein großer Stnftofj. @r äußerte ficfj
felbft barüber ju Sieberfütjn: „Sßenn idj nadj meiner Überzeugung
fjanbeln füllte, fo fönnte ict) fein Sube bleiben. 3Benn icfj aber
ein ©fjrift merben mollte, fo bin idj bei ben Suben öeracfjtet aU
ein üDcefdjummeb, unb bie (Sfjriften felber tjatten nidjtä öon einem
getauften Suben. Sei) mollte aber nodj ba£ alleä über miefj
nehmen unb öon meinem SBolfe au§zief)en, bei ifjm tieradjtet
unb berfcfjmätjt fein unb bei ben Stjriften nicfjtä gelten. Slber
roenn idj bebenfe, ju melier Partei foH idj gefjen, ju ben
Reformierten, Suttjeranern, Äatfjolifen, ättennoniten, fo meijs icfj
mir feinen Rat. (Sine jebe Partei öermirft bie anbere. Unb
bann, fefje icfj auf ben Sebenämanbel ber ßfjriften aller Parteien,
fo finbe idj e3 fctjledjter als bei ben Suben. 2)a£ mad)t midj
') Sigenfjänbige 2lufjeid)mmgen S.§ b\§ 1739.
07
oft ferjr tierlegen unb meifj mir feinen 9?at". Sieberfutjn erroiberte
barauf, ba§ er nicljt üiel mit (Srjriften unb Suben reben, fonbern
allein an SefuS ficrj menben fotle. SSenn er beffen ®nabe unb
Vergebung erlangt fjabe, fo mürbe er ifnn auct) fcfjou geigen
rönnen, ma§ er ferner gu tun rjabe.
®urcr) biefen 9tabbi mürbe Sieberfürjn in öiele ber oben er*
mahnten ®efellfcr)aften ober @r)ebrotl) eingeführt. Jpier narjm er ftd)
jumeilen bie $reit)eit, in alter 23efct)eibenf}eit eine $rage gu tun,
roa§ 9lnlaf3 gu Unterrebungen gab. 9lnfang§ rjörte er roorjl
manchmal einen fagen: „28a§ miß ber £e(eb [£>unb], ber
9?ebela [$ababer] rjier? 3)er !ommt nur, um alles auäjuforfcrjen".
9lber er blieb immer freunblict) unb fjerälid^ gegen fie unb mar
eublicr) allemal miHfommen in biefen SSerfammlungen. <3o
mürbe er orbentlicr)e§ 9J?itgtieb einiger (Erjebrott) unb beteiligte
fid) aud) an it)ren 2llmofen. Sabei liefe er e§ aber nicr)t be=
menben, fonbern er ging auct) in bie Käufer ber Suben felbft.
greitict) erlebte er hierbei manche betrübenbe ©rfatjrung; uor
allem fcf)mer§te e§ iljn, bafj er niemanben fanb, ber um fein
©eelentjeil befümmert mar.
Um ben ^5rioatöer!e^r mit ben Suben gu erleichtern, enthielt
ficf> Sieberfülm nac£> bem SSorbilb be§ 9lpoftel§, ber ben Suben
ein Sube gemorben mar (1. Stör. 9, 20), be§ ©enuffe£ foldjer
©peifcn, toelctje bie Suben üerabfctjeuen. Überhaupt üermieb er
alle§, roa§ bei ben Suben 2lnftoJ3 erregen tonnte, um allen alle§
5U merben.
Stuf fotctje SBeife gemann er fet)r batb ba§ Zutrauen berer,
mit benen er in Serüfjrung !am. @r genofj faft allgemeine
Zuneigung unb 5lct)tung, fo bajg itjm bie Suben ben ©fjrennamen
„9tabbi ©ctjmuet" beilegten, unter metcrjem er noct) nact)
100 Setzen bei ifmen befannt mar. 1 ) (Seine Xätig!eit be=
fctjränfte fid) aber nict)t auf s 2lmfterbam. SSielmetjr fatj er al3
Dbje!t feiner Söirffamfeit bie Suben in gang £>ollanb an, unb
feine Aufgabe fütjrte itjn batjer in bie uerfcfjiebenften ©täbte.
©elegentlict) einer folgen JJteife fjatte er in (Groningen (Megentjett,
in ber bortigen ©rjnagoge eine $rebigt gu galten, ba§> einzige
') ©intge 5ftad}ridjjt t>on bem gegenwärtigen ßuftanb *> cr 3»iben unb *>«"
SBemüfjungen ber SBrüber, ityre SBefeljrung au förbern. {UnM. 9i 16. 9lv. 7.)
c. 1780. Slrmfelb: 3injenborf unb Stefcetfüfm. 1873.
HS
üRal, bafj er e§ tat, benn fonft befdjränfte er fid) gang auf
^ßribatberfefjr, abgefer)en natürltd) öon ben aafjlreicrjen ^rebigten,
bie er für Triften £)telt, bie aber rjäufig aud) öon Suben befugt
mürben. SSom (September 1740 bt§ pr gleiten 3^it 1741 öer=
legte er feinen Sßofynfiij ganj roeg öon Slmfterbam, natfi Sei ben. 1 )
Sm (September 1741 2 ) reifte er nad) ©ngtanb, um unter
ben bortigen Suben ju roirfen. (£r fcfjeint fid) meift in Sonbon
aufgehalten gu Ijaben, fjat jeboc^ aud) einige anbere (Stäbtc befudjt,
j. S3. ©ober. Über biefen 2(ufentl)att Sieberfüf)n§ in Sngtanb
finben fid) leiber, ebenfo roie über ben in Seiben, feine ein*
gerjenberen SQcitteilungen. Soöiet gefjt aber au§ einigen furzen
Sftotijen Sieber rut)n§ 3 ) fjeröor, ba^ er aud) t)ier (gingang bei ben
Suben gefunben unb (Sinbrud auf fie gemadjt tjaben mufe; benn bie
Suben fagten: „©er l)at ben Xljola fo lieb". SBäljrenb biefe§
Slufentfjalteä örebigte er aud) in ber beutfd)4utt)erifd)en Äirdje
in ber (Saüotje gu Sonbon. Sine barauftjin erfotgenbe Berufung
gum ^rebiger an biefe ©emeiube letjnte er aber ab. 4 -) Sm
Mörit 1742 erlranfte er fcrjroer, unb ba§ mürbe ber Slntafj, bafj
er balb barauf ©nglanb mieber üerliefj.
4. XitUittynS Sätigfett aU ^tebiger öon 1742—51.
Slnfang (September 1742 reifte Steberfütjn nad) einjähriger
^ätigfeit üon Sonbon ab, berührte nod) einmal auf ber ©urctjreife
bie öerfdjiebenen (Stätten feiner SBirffamfeit in £>oflanb unb reifte
bann nad) 9J?arienborn unb £>errenl)aag (in ber Sßetterau).
§ier (in §.) nmrbe er am 10. üftoüember öon 23ifdjof äftüfler 51t
einem $re3brjter ber Sörüberfircfje eingefegnet, moburd) er bie
^Berechtigung §ur Sßerroaltung eines felbftänbigen $rebigtamte§
erhielt. (Sd)on einige Xage barauf üerliejj er <perreut)aag
mieber unb traf nad) längerem 5(ufentrjalt in ©otfja unb Sena
*) £agebudj=2lu§iug.
') 3)ajj 2. fdjon 1740 nad> ©nglanb abgeretft fei (Sfeenfelb, be Ic Slot),
ift unroalirfdjeinlid), obwohl ein f)anbfcf)riftlid£)er 2eben3abrif5 2.3 üon 1778
(nid^t con ifjm fclbft üerfafjt) unb üftadji:. a. b. SBrübergem. 1843 II e3 fo an=
geben. 3n fo lutjer 3eit roäre eine fo roeit oerjroeigte Sätigfeit faum benfbar.
2)er £agebucb/2Ui§sug nennt als Sog ber Slbretfe natf) 2onbon ben 5. ©ept. 1741.
8 ) VLnM. SR. 16. 9lr. 4. 21. 2 %.
4 ) Sjanbfd&rtftlidjer 2eben§lauf 2.3 vion 1778.
60
im $ebruar 1743 in <pcrrnf)ut ein. 2)odj mar feines 23leiben§
tjier nicljt lange; benn er mürbe 6alb naef) ©Rieften gefanbt,
mo er btö in ben S^oüember beSfelban SatjreS bie beiben neu
entftefjenben Sörübergemeinorte ©nabenfrei nnb ©nabenberg
einrichten f>alf nnb fie einige 3eit geifttict) bebiente. Sm
üftooember 1743 begleitete er ben ©reifen ginjenborf, melctjer
eine Steife nact) Siotanb unternahm, bis nadj Königsberg. $)ort
blieb er, fammette bie ben 23rübern befannten nnb geifte§=
oermanbten Steife unb üerfetjrte eifrig mit itjnen. (£rft im
gebruar be3 folgenben 3at)re§ 1744 ferjrte 3^ n ä en ^ or f fturtid.
©emeinfam festen fie nun iljre 9tücfreife über 23erlin nadj
£>errnt)ut fort, mo fie im Sftärj eintrafen.
."picr mürbe Sieberfüljn mit ber tebigen ©djmeftcr igelena
(£f)rift. Don 3)? et) er manu 1 ) am 28. $uni jur fjeiligen (Sf)e oer=
bunben. 2 ) (Sie mar 1718 in (Sibirien geboren, mo iljr SSater, ein
fcr)meöifd)er Offizier, in ber Verbannung lebte. SErotj irjrer förper-
ltdjen @cf)mäd)licf)feit unb SMnflictjfeit mürbe fie eine treue ©eljiifin
it)reö ©emat)l§ in feiner mecfyfetüollen Xätigfeit. SDrei Kinber
mürben Üjiteit gefcfjenft, oon benen aber nur ein @of)n, Sotjcmn
(Samuel, bie ©Item überlebte.
3n ben folgenben Safjren ift Sieberfüfjn balb rjier balb bort
im gciftlicfjen 9lmt tätig. 2öir folgen ifjm nicljt überallhin, ^umat
feine STätigfeit in biefer 3 e ^ wd)* eigentlich ben Suben galt.
(SrmäljncnSmert ift aber eine längere Steife nact) Württemberg
im Satjre 1745, 3 ) fofern er auf tf>r mieber meljr mit Suben in
S3erüt)rung lam. @r mürbe auf biefe Steife gefdjicft in erfter
Sinie, um unter ben (Srmecften in Württemberg $u arbeiten; er
befurijte jeboct) in allen ©tobten, mo er tonnte, aucr) bie Suben.
(Sr bradj am 16. gebruar 1745 bon SJcarienborn auf unb fam
^uerft am 17. nactj ^ranffurt am ÜJJcain. Sftocr) am felben
^acrjmittag tjatte er mit einem Suben, Seb ©om3, ein freunblidjeS
©efprädj über ba§ Sßurimfeft, nactjbem er if)tn ein ^urimlieb
borgefagt fyatte. (Sin SSermanbter jenes Seb ©om§ befudjte
') 3$r Sebenölauf f. UnM. SR. 22. 9 c.
2 ) $u biefer §od£»seit bietete Styriftian 9tenatu§ ». ginjenborf baö Sieb:
„2)a ift ein SBöglein, ba3 finget bir." (§errnf)uter ©efangbudi». 2ln&,ang XII.
yiv. 2166.)
3 ) ©rief £.§ an ginjenborf aus Tübingen com 18. 2Kär§ 1745.
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baraufrjin ßteberfüljn. $)er $ube [ragte erft, ob er aüe<§ mit ifnn reben
bürfte. Huf bie bejarjenbe Slntmort t)in machte er einige ©inmürfe
gegen ben SEfjote. Sieberlürjn gab auf aüeä Hntmort, unb jener ging
nid)t otjue 9türjrung fjinmeg. 21m ©abbat!), ben 19. gebruar,
befugte er in Jpeibetberg bie Subenfdjute unb mar fefjr belegt
über bie Äaltfinnigfeit, mit ber fie ifyre Q&ebete berricrjteten. (£r
banfte bafjer bem Jpeilanb, bafj er gu biefer $eit ein au§erroät)lter
©oj fei. 21m Sftacfjmittag beäfetben %age3 befudjte er einen
ehrbaren Suben, ^abbiSDabib, bei meinem er nod) metjrere
anbere Suben traf, <Sie famen auf bie Sßrübergemeine ju
füredjen, ba bie Suben if>n fragten, ob ber ©taube ber 93rüber
ein neuer ©taube märe. £>a er^tte er irjnen, bafj ber ©laube
ber Srüber öon ben Suben fjerfäme, bie ben Xfyole unb feine
SSerfe gefefyen fjätten, benen er nacf) feiner 3luferftet)ung er=
fdjienen unb bor "Deren 2Iugen er gen Jpimmel gefahren märe.
3)iefe Suben Ratten meiter unter itjren Sörübern bon bem SEtjote
gejeugt, unb fo märe bie erfte SBrübergemeine in Serufalem
entftanben. 93on t)ier au3 märe ber ©taube fru ben ©ojim ge=
fommen. £>ie Drbnung ber Vorüber gefiel ben Suben, bafj jene
aud) SBorfter)er, ^ictjter, Wiener unb 2llmofenbf leger t)ätten, mie
fie in itjren ©emeinben. <Sie riefen mandjmat auS: „(Sä ift
aHe§ gut, menn it)r nur nidjt alle§ au$ bem SEtjole machtet".
„ «Sie baten midj", fo ergäbt ßieberfüfjn meiter, „icfj foflte mit meiner
grau 5U irjnen fommen. 3tf) gab ifjr ben tarnen ßfjanne unb
ging abenbS mit ifjr rjin, ba fie eben <pambate matten, ba£ ift
eine ßeremonie, bamit fie ben @abbattj oon ben Söodjentagen
f djeiben. ©ie munberten ficf> über itjre Stractjt, bafj aHe§ fo
berborgen unb äüdjtig märe unb friegten einen rechten (Sinbrud
üon un§. (Sie fagtcn oft: „Sfjr fjabt gemifj 'Oläm ha-bä".
Steine grau badjte, bie Suben müßten ben SEtjole eben fo lieb
fjaben, mie fie, unb e§ fdjmerjte fie, menn fie maS miber itjn fjatten.
$)er <peitanb mar uns redjt natje bei iCjnen. 9tabbi <$)abib fagte
mir aud), bafj midj ber Sanbraf [^anbeSrabbiner], bei bem id)
bortjer gemefen, fet)r lieb tjätte".
21uf ber meiteren 9veife, meiere itju burdj berfdjiebene ©täbte
führte, mobei er im Auftrag ber 33rüber unter anberen ben
^robft ©enget befudjte, ift er menig mit Suben in 93erüfjrung
gefommen. 2t m 12. Wläxft langte er in Tübingen an. SDort
•1
bjelt er ftdj längere $eit auf, um unter ben (Srftetften ^u
ftirfen. 3m Sarjre 1746 arbeitete er in 9?ö§nilj unb 1747—50
biente er ber ©emeine in §errenrjaag al§ ^rebiger. ^adj
beren Sluflöfung (1750) fturbe er ftunäd)ft auf ein Satyr nact)
^eufatg a. b. Ober unb bann nadj $eift berufen, fto er öotn
23. ^uni 1751 an ba§ Sßrebigeramt üerftattete.
5. fitefierfitytt als ^rebiger in £cift 1751— 59. l )
3n biefer $eit natjm Sieberftttft ftieber ben früheren regen
s ^erfer)r mit ben rjollänbiftfjen Suben auf. 9ßät)renb er fid) um
feine§ 21mte§ ftillen jetjt nid)t fo fjäufig gu itjnen begeben fönnte
— bon längeren 23efucrjen unter ben Suben fterben nur ^ftei in
Slmfterbam berichtet — , fo fugten bie Suben it)rerfeit§ ifyn
bod) aufteilen in geift auf. tiefer Sßerfetjr befcfjränfte fidj aber
nicfjt bto§ auf ^Sribatbefucrje, fonbern aud) bie ^rebigten &ieber=
füfjnS übten eine gro&e 5tnäief)ungsfraft auf bie Suben au£ unb
mürben barum öfters bon ifjnen befudjt. (£r rjatte j. 95. einmal
in einer ^ßrebigt über äftan^ig freimiHige jübiferje ßuljörer.
greiliel) lam e§ aufteilen bor, baf$ fie, ftenn Sieberfüfjn ernftlid)
üon Sefu (Sfjrifto ßeugniS abzulegen anfing, ben @aal berliefjen.
Slnbere bagegen ftaren fef)r „attentive" unb unterhielten fidj
nacrjtjer nodj eingefyenb mit ifjm. 3)en Suben lag meift baran,
„ben ©runb ber Srüber" ju erfahren, üftacrj reidjgefegneter
Xätigf'eit reifte Sieberlüfjn am 6. Suni 1755 nadj §errnfjut,
fto er fid) bi§ (September 1756 auffielt.
3lurf) rjier bergafc er ber Suben ntcfjt. @o madjte er Dom
5. bi§ 12. Februar 1756 in ©efellfdjaft einiger ©ruber einen
93efudt) unter ben Suben in ^8 rag, um ben guftanb ber Suben
in Sörjmen fennen %a lernen. @cf)on in Sungbunglau traf er
eine Subemferjitle [®emeinbe] bon 100 Familien. @r fud)te ben
9?af [Rabbiner] auf, fonnte it)n aber nicr)t fbredjen, „ba er bom
oielen haften unb 93eten berrüdt ftar". Sie ^ebbejin [$rau
be§ Rabbiners] ftar fefjr betrübt, unb Sieberfürjn bezeugte irjr
fein äflittetb.
Sn ^ßrag befugte er berfdjiebentlicf) bie Subenftabt unb in
irjr bie Subenfcrjuten, beren e§ fjier neun gab. ?lud) ben JKaf
*) 9laty bem Diarium ber ©emeine in geift.
fudjte er auf, bei bem er ba» Obergeridjt berfammelt fanb. ©r
tarn mit irjnen in ein ©efbräd) über ben ©tauben ber Vorüber
unb beffen Verleitung bon Sefu§ bem SReffia§. SDie Suben
madjten üer[ct)iebene ©inroenbungen, namentlich gegen Sefu 5tb-
ftammung bon 2)abib, ba bie ©efctjlecfjtsregifter itidfjt ridjtig feien.
SBeiter lamen fie auf bie Geulla [©rtöfung] $u fbredjen, roobei
Sieberfürm bezeugte, bafj audj er an eine beborftetjenbe Geulla
ber Suben glaube, aber biefe roerbe eben bon Sefu tjerbeigefütjrt
raerben. 9'iact) einer längeren Unterrebung nahmen fie ^erjtictjen
?lbfct)ieb bon einanber. Slud) ba§ 93e§ rjasmibrafd) [Sernfjau*]
für bie Slinber befudjte £ieberfüt)n. @r rebete ^erglicr) mit
ben SHnbern, bafj fie Stinber be» 23un.be» feien, ben ber ©ott
2tbrar)am», Sfaafö unb Safob» gemalt rjabe, unb fie fjörten
aufmerffam 511. 9'iodt) an anberen Orten fudjte Siebertufjn bie
Suben auf, fo befonber§ auf bem jübifetjen SEröbelmarft unb auf
bem Subenfirdtjrjof. Überall mürbe er freunbtict) aufgenommen.
S^odfc) im ©ebtember be»felben Satjreg, 1756, fetjrte Sieber-
fütjn nad) Seift jurücf unb übernahm l)ier 311m groetten 2D?al
1756 — 59 ba» ^rebigeramt. (£r eröffnete loieber in berfelben
Sßeife, roie einige Sarjre ;*,ubor, auet) feine Söirlfamfeit unter ben
Suben, unb aroar fucfjte er bie»mal mieber tjäufiger bie Suben
in itjren eignen ©tobten auf, namentlid) in s 2lmfterbam. 2)en
Suben, bie irjn uon früher tjer fd)on rannten, mar bie $reube
über fotcfjen 23efudj au» ben 5lugen 5U lefen. $on §mei folgen
23efud)»reifen finbet fict) ein au§fürjrlidjer Söeridjt im £>iarium
bon 3 e i[i aug voelctjem ()ier gur ©(jarafterifierung bon lieber-
fürjn§ Söjätigreit noctj einiget im SÄu^uge folgen möge:
„®en 8. Oftober 1756 ging id) bormittag in bie Subenftabt
(in 5lmfterbam). SSiele, bie mid) fannten, grüßten mid) freunb-
tid): ,<3d)oIem [griebe, b. t). fei gegrüßt], s Jtabbi <3d)muel', unb
frugen gteicr), wo id) fo tauge gemefen märe. Sd) er^lte itjnen
bon meinem 95efud) in §errnt)ut, ba e£ benn biete fragen gab,
bie alle ben Urfbrung unb ©runb unfer ©emeine betrafen". —
,,Sd) tarn aud) au einen Ort, 100 id) einen berftänbigen unb
befdjeibenen Snben au» gürtt) antraf, ber mir burd) feine fragen
©elegentjeit gab, it)m bm ©runb unfrei* ©emeine auf eben bie
SGßeife 31t fagen, bajg er alfo bie üftadjricrjt mit nad) $ürtfj netjmen
fann. (Sin gemiffer 9?abbi führte mid) in fein £>au§ unb geigte
mir feine Stinber, bie idj 1739 unb 40 fel)r fleht geformt l)atte,
nnb bauou nun eine Socljter üertjciratet mar, bie fidj freuten
micfj 31t fcfjen unb fiel) nod) erinnerten, maö idj bamalä mit
if)nen gerebet Ijatte. 9(benb3 51t Anfang bcö 8abbatt>3 ging idj
in bie ©nnagoge ber beutfe^en Suben. !ftad) ber ©djulc gingen
fie in itjrc §ütten, meil ba3 &aubf)üttenfeft fjeute einfiel, mo idj
einige befudjte". — „2)en 9. am ©abbatl) ging id) früt) in bie
(Stjnagoge ber ^ortugiefen unb mürbe uon bieten gar freunbtid)
gegrüßt unb bemillfommt". — „2)en 11. Üftad)mittag3 ging id)
gu bem jübifdjen 23ucljf)änbter $ßr., mo eben eine (Sfjebre [®e*
fellfdjaft] mar, bie im Xalmub lernten. 3dj fam mit ilmen 51t
fpredjen üon ifjrer großen ©leidjgiltigfeit bei iljrer 3 U ^* un0
fagte: ,3(jr mijgt, baf} il)r nun fd)on 1700 3al)re in ber gudjt
feib unb ©ott eud) fo lange geljen täfjt. 3lber iljr gef)t bei ber
$ud)t fo t)in, unb ift niemanb oerlegen barüber*. SSenn nur
einige bie 93efümmerni3 in itjren §ergen fyätten unb gu ©ott
flehten unb meinten, fo mürbe er fid) if)rer annehmen unb fidj
il)nen offenbaren, marum fie fo lange in ber ßudjt finb. ©ie
mürben gang meid) babei unb fragten, ob mir nidjt aud) für fie
beteten, 3d) fagte: ,Sa, aber mir fäfyen aud) gern, menn fie
felber . . . ©ott mit ©rnft anriefen'. 9?ad)ljer ging idj nodj in
üerfdjiebene §ütten unb fal), mo eS Gelegenheit gab, mit ifynen
gu füredjen". — ,,©en 12. (Sin D'Jabbi, bem id) geftern bezeugt
fyatte, mie mir 33rüber gemijj miffen, baft 3efu§ auferftanben fei
unb nun lebe, faf) mid) auf ber «Strafte, naljm mid) beifeite unb
fragte gang treut)ergig: ,9i ©djmuel, mifjt ifjr ba§ gang gemifc,
bafj Sefu§ auferftanben ift?' Sdj bezeugte itjrn benn nochmals,
i>a$ mir e§ ebenfo gemifj miffen, al§ fie miffen, bafj ba§ ©efetj
9Jcofi§ mafyr ift. Sdj fam barauf gu einem anbern 9tabbi, beffen
Information in jübifdjen ©adjen idj 1739 unb 1740 mid) mit
meiern üftutjen bebient fyabe, unb ber nidjt oljne Überzeugung ift.
(£r brachte mir erft feinen ©oljn, hm id) 1739 als ein fteine§
£inb gelaunt, unb ber nun öerfyeiratet ift, mit bem id) mid) benn
aud) redjt fyergtid) unterrebete. <pernad) fam id) mit bem Sfabbt
baöon gu reben, bafj bie Srüber [bie ©tjriftgläubigeu] uon ben
Suben, bie an Sefum gläubig geroorbeu finb, ba^ ©efe| äftofiö
nodj immer gehalten tjätten. @r moflte mir ba§ ©egenteil geigen
au§ ®al. 5, 2, ba $aulu3 fagt: ,28enn if)r eud) befd)neiben lafjt.
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fo ift eucfj C£t)rt[tuö nichts nü|e.' 3d) roieS ibjm aber aitö ©al.
4, 8 nact), baf; bie ©alater ©ojim gemefen finb, unb au§ ber
3lüoftelgefcf)icr)te 15, bafj bie ©ruber Dort ben Suben ausgemacht
fjaben, bajj man ben ©ojim baS ©efetj nicfjt auflegen folte, unb
aus ®ap. 23, 24. 25., bafe bie ©rüber oon ben Suben baS ®cfei3
gehalten fjaben. ©r ban!te mir bafür unb jagte: ,%fyx f)abt mir
einen großen Slnftofj benommen, ben id) immer get)abt tjabe"'.
©on einem ©efudje in 9hnerSu>oort er§ät)lt Sieberfürjn
unter anberem: „2)en 3. S^ember 1756 früf) um 9 Utjr fam
idj ju einem Sfabbi, ber ficr) fetjr freute, mid) ju fetjen. (Sr fagte:
,3cr) tjabe fctjon lange gemünzt, einmal mit euer) §u füreerjen
unb bon eud) ju fyören, maS ber Sefob [@runb] eures ©laubenS
ift'. 3er) erjärjlte irjm benn, maS mir oon ben ©rübern aus ben
Suben empfangen tjaben. hierüber famen mir in ein langes
unb rjeraticfjeS ©efpräd) miteinanber. 2öir famen aud) nod) auf
anbere Materien, als öom ©efefc 9J?ofiS, tion ber Geulla, meines
irjm alles recfjt lieb mar, unb er bezeugte fiel) §ule|t redjt öergnügt
über meinen ©efuef). Sftacrjrjer bat mid) einer am (ScfjabbaS
9lbenb ju £ifcf). 3d) ging erft in bie @d)ule unb fpeifte tjernad)
bei irjm. Sftad) Xifd) famen nod) anbere baju, Männer unb
SBeiber. (Sie fragten mief) nad) unferm ©runb, unb id) gab
itjnen gehörige Slntmort. Sei ©elegenrjeit bezeugte id) itjnen,
bafj unfre ©ruber feine $urd)t oor bem SCobe rjätten, fonbern
reerjt feiig unb öergnügt heimgingen, unb baS fäme bal)er, roeit
mir miffen, bafj mir einen gnäbigen ©ort tjaben burd) Sefum
©rjriftum. ©ei biefem ©iSfurS fingen bie SSeiber gleid) an 51t
meinen unb roünfd)ten, tafo fie auef) möchten gemifj 'Oläm ha-bä
[baS emige #eben] l)aben. Set) geigte ifmen mit @efüt)l meines
§er^enS, mie man $u biefer ©nabe fommen fönnte, unb mie eS
unfre ©rüber erfahren tjaben. (SS raaren nod) üiele, bie miefj
5U ficf) moiriert tmtten; meil eS aber fdjon fpät mar, fonnte id) ju
niemanb mefjr gerjen unb mufjte meinen ©efucfj tjiermit befc^Uejgen".
Sn biefe $eit (1757) fallt eine ^orrefponbenj &ieberfüt)nS mit
ßin^enborf über feine SJciffionSmetfjobe, meldte üon gin^enborf
in berfdjiebenen fünften angefochten morben mar. £>ierbon
föäter ausführlicher. Sm ©emein Diarium üon $eift mirb in
ben legten Sauren ber üftame SieberfürjnS immer feltener genannt.
SluS meinem ©runbe, ift nicfjt erfidt)tlidt>. 1759 natjm er 2lbfct)ieb
(0
üon feinem bisherigen 91rbcitöfclb imb begab fid), nadjbem er
Äimor nod) einmal 9lmfterbam im üftouembcr befud)t rjatte, nacf)
Jperrnfyut.
6. SiekrfüljnS letzte SekuSjafirc 1759—1777.
3n Jperrnljut berlcbtc Siebcrfüfyn bie Saljrc 1759—65 unb
berfaf) b'a§ ?(mt etneö „(Sfyortjelfcrä ber üevfjeirateten @cfcf)roifter".
©eine SCätigfeit mar and) Jjier in erfter Sinte beftimmt burct)
fein Sinti, aber aud) ba£ Sntereffe ber Subenmiffion bertrat er
roeitert)in. Sftidjt nur naijm er fid) ber befudjenben Suben an,
fonbern er futfjte aud) bie ©lieber ber ©emeine gu roarmer
Siebe gegen ba£ arme Subcnbotf gu entflammen, roie auö
einigen nodj erhaltenen 9?eben t)erborgef)t. Iftamentlidj ift er*
roäf)nen§roert eine 9tebe, meldte er am 8. Dftober 1761, aU am
SSerföljnungStage, in Jperrntjut tjielt, 1 ) in ber er ben (Stjriften
ifyre ^ßflidjt gegen ba3 SSolf SSraet emft unb einbringlidj bor
klugen ftellt.
1764 bertrat Sieberfüfyn feine 3>ubenmiffton§arbeit aud) auf
ber ©rjnobe %\\ SRarienborn. 2 ) (5r legte biefer (Stjnobe auf Ü)r
Verlangen eine ©arfteÜung feiner äftifftonämetfjobe, roeldjc öer-
bäd)tigt roorben mar, bor unter bem Xitel: „Sturze !ftadjrid)t
bon ber 9J?etf)obe, roelclje id) bi§t)er in bem Umgang mit benen
Suben gebraucht rjabe, bie Sefjre bon Sefu ßljrifto ifjuen bei-
zubringen". 3 ) Sßir !ommen tjierauf in anberem gufammenfyang
not!) einmal jurüct.
Nadjbem fid) Sieberfürm 1765 junäcfjft in ©nabenberg acf)t
2öod)en aufgehalten tjatte, -$og er nad) S^eufalg a. b. Ober, mo er
1765—72 $rebiger mar. 4 ) (£r mar fcfjon im Saufe ber Safjre
511 einer unter ben Suben roeitt)in befannten $erfönlid)feit
gemorben, aufeer in §oüanb and) in 2)eutfd)Ianb, Söljmen unb
$olen. ®ie§ geigte fid) t)ier in üfteufalg fetjr balb. Senn nictjt
nur unterhielt er feinerfeitä einen regen Sßerfeljr mit ben Suben
') Un.=3l. 3t 16. SRt. 4. 31 6. ß. 3iemlidj ooßftänbig abgebrucft im
„§errnfmt" 1894. ©ept. unb 9la$t. a. b. SBrübergemeine 1837. I, 6. ©. 877.
9 ) 2Ut§jug au§ bem ^Broiofott ©ifcung 45. 27. 2tug. (im Un.=2l.)
3 ) SDiefer 2luffo| ift gröfetenteite abgebrucft in: 3latyx. a. b. Srübergem.
1843. II.
4 ) 35iarium ber ©emeine in -Jceufalj a. D.
7(3
her Umgegenb, fonbern er empfing aucl) garjlreidje 53efucfjc bon
burdjreifenben Suben, befonberä bon folgen, bie ftcE) auf bcm
2ßege jur 90?effe in granffurt befanben. 'Sie meiften waren
bolnifcrje Suben, aber felbft Suben au§ Sfrafau unb Ungarn
fanben ben 9Beg gu iljm. Slucfj feine ©otteäbienfte nmroen
aufteilen bon irjnen befucfjt. (Sine befonberä rege SBerbinbung
unterhielt er mit ben Suben ber benachbarten @tabt ©togau.
(Serjon jefjn S£age nad) feiner Slnfunft in Sleufatg eilte er am
1. Dftober 1765 fjinüber, um bie Suben au itjrem Säuberten-
feft ju befugen. ©otcrjer 93efucr)e 8ieberfürjn§ bei ben Suben unb
ber Suben bei ttjm werben im ©emeimSiarium bon 9^eufat§ fetjr
biete ermärjnt. 3n ben „9)?emorabiüen ber ©emeine üfteufalg"
bon 1767 finbet fitf) über btefe Söirffamfeit nocl) bie üftotij:
„Sie Äonnerjon mit ben Suben ift aucfj unterhalten worben.
Sie 5 ta 9 en ' ^ e ft c mancrjmal tun, geugen bodj bon einer
attention, bie fie auf unfere ©emeine t)aben. @ö finb aucl) ein
paar 9#ate einige in unferer SSerfammlung gemefen".
s <aU am 29. Stejember 1771 Sieberfuf)n§ ©attin nad)
27jarjriger, glücfftctjer (£t)e geftorben mar, mürbe Sieberfürjn bon
feinem $lmt abberufen. — S)er gange Slufentrjatt in üfteufatg
berlief für irjn äiemlicr) rutjig unb ungeftört. üftur einige Heinere
Reifen unb eine größere gur <©t)nobe in Warienborn 1769 unter;
brachen feine regelmäßige Arbeit. 3n ben legten Sauren fcfjeint
ber SSerferjr mit ben Suben etma§ fcrjwäcfjer geworben §u fein.
SBenigftenS mirb feiner im ©emein Diarium meniger (£rwäl)nung
getan. Sodj ift noef) ein Srief 1 ) bon £ieberfüf)n§ §anb an§
biefer 3 e ^ ermatten, in welcfjem er an bie Unität^'ätteften-
Äonferenj ein ©utacfjten betreffenb einen jubencrjriftlicrjen ©erjeim^
bunb in 3tmftcrbam abgibt unb bor inseitiger @inmifcf)ung in
jene Slngelegentjeit mamt. (£r riet bietmetjr an, bafj man abmarten
foHte, ob bon biefen Suben ein S3rief an bie Vorüber tarne. 2 )
2Tm 23. 9J?ai reifte Sieberfütjn über ©nabenberg nad)
§errnf)ut. Safelbft mürbe it»m ba§ 2Imt eines ,,©t)orl)etfer§
') Srief £iebertüf;ng an SßetruS »ö^ler b. 8. 2Rai 1773 (Un Mtfyv).
a ) 33ergl. tjierju ©. 2)alman : „2)oiumente etneä djriftltdfjen ©efyeimtmnbeS
unter, ben ^v!btn im adEitje^nten Safjrljunbert " (<3aat auf §offn. 1890, 18);
femer: ,,Aux Juifs Chretiens. Adresse fraternelle par G. K[rüger]." 1892, 92
unb baju ©. SDalman im £fjeol. Sitteraturblatt 1893. 3lx. 18.
ber SSitmer" übertragen, tuelcr)e§ er nod) einige Sarjre bettetbetc.
Sn btefer geit fdjrieb er, ber at§ !0?etfter in ber $inber=
ftatedjefe ferjr gefdjäfct mar, feinen „Hauptinhalt ber crjriftlidjen
JpeitSlefjreV) ein 23üd)lein, baZ feitbem, trenn audj merjrf adj
umgearbeitet, über 100 Sarjre in ben (Schulen ber SBrübergemeine
al§ bemärjrteS <pilf§mittel für ben Religionsunterricht gebraucht
morben ift. (Sine anbere grudjt ber bibtifdjen (Stubien biefeS
grünblidjen ®enner§ ber ^eiligen ©djrift mar eine öiet gebrauste
(Sbangelienljarmome, 2 ) bie nicfjt nur in ben Srübergemeinen feljr
üerbreitet mar, fonbern audj auf itjren <peibenmiffion§gebieten in
mehrere frembe ©pradjen überfetjt morben ift. 2)ie <5l)uobe
üon 1775 berief il)n aber nod) einmal als ^rebiger nad)
©nabenberg. §ier ift er nad) nur furjer 5fmt3tätigfeit einem
aftrjmatifcfjen Reiben, melcfjeS itjm fdjon einige Sarjre anfing,
erlegen. (£r entfcljlief am 9. 2luguft 1777 im Filter öon
67 ^arjren unb mürbe auf bem ©otteSader ber Srübergemeine
©nabenberg jur legten Rurje beftattet, mofelbft fein fd)lirf)te§
©rab nod) fjeute 31t fefyen ift.
IL £ie&erfül)n3 $ftffiott§metl)obe.
1. $te ber Slrbett SieberfityttS entgegcntretenben ©djttuerigfeiten.
(Sin äußerliches §emmni§ im SSerfetjr mit ben Suben mar
5unädjft irjre allgemeine 9lbgefdjloffenrjeit gegen bie (Srjrifteu, in
ber fte 511 bamaliger $eit nod) lebten. S)oc§ mußte Sieberfüljn
bie» ju überminben. ©djlimmer mar e3, baß bie Suben bon
irjren Rabbinern fdjon im §aß gegen t>a§> (Srjriftentum unb nod)
merjr gegen ßfjriftuS felbft aufer^ogen mürben, gerner rjemmte
bie berfdjiebene Auslegung ber ^eiligen ©djrift; benn bie
Suben gelten an ben bon ben Rabbinern gelehrten, nadj Sieben
') Sie 1. 2lu3gabe fü^rt ben %M: „Sie 2ef)re ^efu ©Ijrifti unb feinet
Slpoftel. Sarbo 1774". Sie 2. 2(u3gabe: „Ser Hauptinhalt ber Sefjre 3jefu
Gtjrifti jum ©ebraucb, bei bem Unterridjt ber S"S en ^ m ^ cn eoangelifdjen
39rübergemeinen. 33arbn 1778". Sie letjte, erroeiterte 2luSgabe ift betitelt:
„Hauptinhalt ber djriftlidjen §eil3leljre, jum ©ebraudj u. f. n>. ©nabau 1877".
2 ) „Sie ©efdjiajte unferS §eilanbe§ 3 e f» S^riftx au3 ben 4 ©oangeliften
äufamtnengejogen". Sarbt) 1769.
füljnS Überjeugung ober fatfcfjen Auslegungen feft, namentlich
bei ben mefftanifdjen SßeiSfagungen. Sa-^u tarn baS ftarre $eft=
galten ber Smben an ifjrem ©efetj unb bie $urcr)t, btefeö mit
bem Übertritt gum (Sfjriftentum gang aufgeben ju muffen.
(Sntmutigenber aber als alles bieS mar bie religiöfe ©leict) =
giltigfeit unb (Stumpfheit ber Suben. $)iefe fjatte roorjl jum
Xeil itjren ©runb in iüjrer gebrücften unb t>erad)teten (Stellung,
ta fie allgemein als minberroertigeS äftenfdjengefcrjledjt betjanbelt
mürben. (Sie gingen faft unter in SftarjrungSforgen unb fannten
oielfadj feine rjötjeren Sntereffen. 3umal bie jübifcEje grauen-
melt mar bamalS mie tjeute faft unzugänglich ober religiös tm*
felbftänbig. Sie Sßeiber fagten: „2Benn mein äJcann glauben
moHte". 1 ) (Snbltdt) maren bie ßtjriften felbft ein nictjt geringes
£>inberniS ber Subenbefetjrung; benn anftatt burct) baS Sßeifpiel
itjreS (SfjriftenroanbelS bie Suben an^ief^en, gaben fie itmen
oiel Anftofj, inbem bie Suben in ifyrem fiebert mefjr 23öfeS als
©uteS faljen, fo bajj fie fagten, bei ben (Etjriften fäfje eS fdjlimmer
auS als bei itjnen. 9ted)net man bagu bie ßerfpattentjeit ber
ßfjriften in jatjlreicrje Sctrctjen unb (Selten, bie einanber in ber
uncrjriftlidjften SBeife befetjbeten, fo berfterjen mir, bafj bie Stirdt)e
als fotdje feine 9tn§iel)ungSiraft auf bie Suben ausübte.
2. Allgemeinem über £ie&er?üf)n8 SÖKetlwbe.
3m Eingang ber „Surfen ^adtjrtdtjt üon ber 9)?ett)obe"
fpricfjt fict) Sieberfüfjn sufammenfaffenb über bie ®runbfä£e einer
redeten 9J?iffionSmett)obe folgenbermafjen auS: ,,©S fommt in
bem Umgang mit ben Suben atleS auf Sßriüatgefbrädje an, roeit
man tjentjutage ebenfomenig in einer jübifdjen (Srjnagoge auf-
treten unb brebigen fann, als in einer lutfjerifdjen ober anberen
Äirctje. ÜJcun ift eS ein großer Unterfct)ieb, menn man baS
(Sbangelium brebigt unb menn man nur bribatim mit itjnen
rebet. $sn einer ^rebigt rebet man auS ber $ülle feines ^er^enS,
mie eS einem %ü ber Stunbe gegeben mirb; in $ribatgefbräd)en
aber mit itmen ift eS fetjr nötig, bafj man ficr) einer folgen
SJcetfjobe bebient, rooburct) aller Disput abgefcfjnitten, bie
SBafjrtjeit itjnen beutlitfj beigebracht unb aller Anftojj babei auS
*) Äurje 9?oHjcn oon Siefcerfüfyn.
79
bem SBege geräumt wirb. — Scf) jage babei jum üorau§, bafj
man fiel) nidjt mit einem jeben in ein ©efpräd) oon Sefu ßljrifto
einlaffen fann, Jonbern nur mit folgen, meldje entmeber felbft
eine Unterrebung fudjen, ober mo man fonft fein 83ebenfen finbet,
bafj e3 übet angemanbt fein möcfjte. Unb babet muffen fie
fütjlen, tafa man felbft eine brennenbe Siebe gu feinem §eilanb
unb eine mafjre Siebe gu feinem SBotf 3§rael fjat". 1 )
2)anacf) tjat Sieberfütjn feinen $riüatOerfef)r aucr) tatfädjlicr)
fonfequent unb meifterrjaft eingerichtet. 2)a§ SSertrauen ber
Seute gu gewinnen, barauf tarn itjm gunäctjft alles an; barum
fam er jeber fucfjenben «Seele mit geminnenber greunblicrjfeit
entgegen in einer SBeife, bie itjm überall leicfjt ©ingang öer-
fc^affte. ©o fam e£, bajg er allezeit, morjin er immer fam, ein
mitlfommener ©aft mar. (§r liefe fie in ber STat füllen, bafj
er oon einer brennenben Siebe gu itjnen unb oon einer [jerglictjen
Sorge um il)r (Seelenheil erfüllt mar. „Unb bafj icf) ein großer
Dfjeb SiSroel [$reunb, Siebljaber 33vaet3] bin, geben mir alle
^nben ßeugniS, bie mief) fennen".
2)en ©runbfatj, fidj bei folgen ^rioatgefpräerjen auf feinen
„3)i3put" eingutaffen, rjat Siebcrfüljn ftreng burdjgefütjrt. üftidjt,
al§ ob er feine 9tebe unb ©egeurebe gugelaffen fyätte; nur
öermieb er tfjeologifdje ^Dispute unb fpitjfinbige bogmatiferje unb
e£egetifcr)e Streitfragen. £)enn e§ mürbe tro| einer aufeer=
orbentlidjen Scrjlagfertigfeit unb umfaffenben Kenntnis be3
^ubentum§, bie erforberlid) gemefen mären, um allen (Sinmänben
gu begegnen, boerj eine Einigung in folgen fragen faum gu
erzielen gemefen fein, meil „bie Suben au3 bem @efei3 unb ben
^ropfjeten nierjt mefjr gu überzeugen finb, ba bie falfcrje 2lu3=
legung ber Rabbiner bei ifjnen aüe§ gilt unb fie nidjt oon
berfelben abgubringen finb". 35arum fjätt fidj Sieberfulm in
allen Unterrebungen an ben $ern feinet @üangefium§ unb
lenft immer fofort mieber gu btefem gurüd. @g fommt itjm
nidt)t in erfter Sinie barauf an, bie tief eiugemurgelten $lu=
fdjauungen, in benen bie ^uben aufgeroacfjfen finb, gu gerftören,
fonbern er fängt mit ber pofitioen SSerfünbigung beS (Süangeliumä
') Seit folgenben 2luSfü§rungen tft £ie&erruljn3 eigener 2Iuffa§
über feine attifftonSmetfiobe oon 1764 31t ©runbe gelegt; au3 Üjm finb audj bie
Zitate entnommen, foferrt nicfjt auSbrütflid) eine anbete Quelle angegeben ift.
SO
an. £)ann, glaubt er, roerben fid) bte bem (Srjriftentum fremben
unb roiberftrebeuben jübifctjen 9lnfd)auungen fd^on bon felbft um=
geftalten, roenn nur erft ba§ ©üangetium in ben £>ergen 311
roirfen anfängt.
Sieberlutjn fnüüfte fogar gern, roo e§ anging, an bte
jübifctjeu Sßorftellungen an; aud) benutze er Sieberoeifen unb
©örüd)roörter, um, bon irjnen au§get)enb, feine cfjriftlicrjc SKer=
fünbigung boräubereiten unb einguleiten. Q. 33. bewertete er
öfters bie SSorfteüung ber Suben, ba^ mit bem 7. ^aljrtaufenb
nad) ber ©djöbfung ber grofte ©abbat!) anbridjt; jefct leben fie
im 6. ^afyrtaufenb, b. t). am $ re it a S bor bem ©abbatrj; au
bemfelben muffen fie fid) gum ©abbat!) ruften, unb §roar follen
fie bie§ tun, inbem fie „burrf) itjren ©lauben 511 leben anfangen". 1 )
3. $nfjalt ber SBerfitnbigung £ie&erfüf)tt$.
a. SefuäßfjriftuS, ber9J?effia3 unbGsrtöfer. Sieberfül)u
tjat, roie er felbft fagt, feine „9)?etrjobe", roogu er aud) ben Snfyatt
feiner SSerfünbigung rechnet, nid)t Don fid) felbft, fonbern er ift
einerfeitS Don bem Jpeilanb felbft barauf geführt roorben, anberer-
feit§ rjat er fie öon ben Slboftetn gelernt. Unb groar beruft er
fid) meift auf bie 9lpoftelgefd)id)te, guttäten aud) auf paulinifdje
Sötiefe. 2öie bie 51boftel, fo berfünbigt aud) er al§ ba3 (Srfte
unb Setzte Sefum ben ©efreugigten unb 5luferftanbenen,
ttetdjer ber öon Särael erttartete Ü0?effia§ ift. (£r t)at un3 burd)
feinen %ob erlöft unb burd) il)n allein erlangen mir ®nabe unb
Vergebung ber ©ünbe. „3)tefe ^erfünbigung machte bei ben
Suben ben meiften (Sffeft auf il)r £>erg". 2 ) „SSon biefem $unft",
fagte er barum, „taffe id) mid) nid)t abbringen; unb roenn fie
mid) in eine anbere äftaterie fjineingiefyen ttollten, g. 33. öon ber
Xrinität, fo geigte id) ifjnen, ba| man babon nid)t miteinanber
reben fann, bi§ man erft an Sefu§ ben äfteffiaS glaubt". Sßie
beroeift nun Sieberfüfjn biefe SSafyrfyeit, bafj Sefu§ ber ©efreugigte
ttirflid) ber 9tfeffia§ ift?
1. ©er 3Sei§fagung§bettei§. liefen öerfudjte ßieberfüfjn
fctjon auf ber 9tofe mit ben ©algburgern burd) ©eutfcglanb.
■) »rief SieberfüfjnS. 19. Sejem&er 1739.
2 ) Siarium »on 3etft. Dfto&er 1756.
Sl
(£r fam aber febr balb baüon ab unb mid) bamit and) bemühter*
mafjen Oott ber aöoftotifd)en SOcctljobc ab; beim „e§ ift roof)t $u
merfen, hak §u ben Reiten Sefu unb feiner Slpoftet bie Suben
alte biefe SSetefagungeu be§ Sitten $Teftamente§ üon bem äfteffia
uodj oerftanbett unb erftärt fyaben, unb fiel) alfo bte Sfyoftet
gegen fte barauf berufen fonnten. Slflein nadjbem bte ungläu-
bigen Suben gefetjen fjaben, bafj bie (Stjriften biefe ©teilen gegen
fte anführen unb gebrauten, fo fjnben fie biefelben berbretjt unb
auf etma§ anbereS gebeutet. Unb babei bleiben auefj bie heutigen
Suben, unb meint man ttjnen einen ©prud) anführt, fefyen fte
gleicl) nad) ben 9tanbgloffen iljrer Rabbiner, ma§ bie bagu fagen".
2. ©a§ ©elbftjeugniS Sefu. „£)a icfj nun geferjen",
fdjreibt ßiebertülm, „hak utatt über bie ©rflärung biefer unb
jener 9£ei§fagung gleicl) in £>i§put fommt, fo bin tef) enblid)
buref) bie ©ttabe beS £>eilanbe§ barauf gefomnten, biefe Sßafyrfjeit,
bajs Sefu§ ber SD?effta§ ift, nur mit bem Argument allein 311
bemeifen: meil er e§ felber gefagt tjat. 2)er §o£)epriefter fagte
&u Sefu: ,%d) befdjmöre bicr) bei bem lebenbigen ©Ott, bafj bu
un§ fageft, ob bu feift (5f)riftu§, ber 'Sofjit @otte§'. 3efu§ ant*
mortete: ,3a, id) bin'3,' unb barauf mürbe er getreust". $)a=
gegen fonnten aber bie Suben nun leidjt einmenben, ba§ 3efu3
nidjt t>a§> ^ecljt gehabt fjabe, fo öon fief) §u reben unb fiel) at§
ben 90?effta§ t)in§uftelteit. (£§ fommt bafyer meiter barauf an,
bie ©laubmürbigf'eit unb 2Sal)rf)eit biefer 3lu§fage Sefu 511
ermeifen.
3. S)er 5luferftef)ung§bemei§. Söenn 3efu§ auferftanben
ift bon ben Xoten, fo mufe aud) alle§ ba§ matjr fein, ma§ er
über ftdj felbft gefagt tjat, alfo audj, bafj er ber 9fteffta§ ift.
„2)enn menn 3efu§ ein Übeltäter gemefen märe, mie bie Suben
baöon galten, ber um feiner ÜÄiffctat millen geplagt unb üon
©ott gefcfjlagen unb gemartert morben, fo fjätte ifm ©Ott nidjt
aufermedet unb baburd) gerecf)tfertiget. ©in $ube fagte einmal
in einer ©efellfdjaft: ,2öa§ ift'8 benn ntefyr, menn er aud) auf=
ermedet ift?' @§ antmortete it)tn aber gleich ein anberer Sube
felber: ,2öenn t>a% matjr ift, fo ift alteS marjr, ma§ er gefagt
fjat.' (£§ bleibt ifjnen alfo nid)t3 anbereS übrig, als bie
©emifefjeit ber Stuferftetjung in .ßmeifet j« gießen. 2)at)er fragen
fie gleich : ,<pabt 3t)t3 benn gefetjen, bafj SefuS auferftanben ift?'
82_
2)ie Slntmort tjierauf ift: ,<pabt if)r benn gefeiert, bafj ©ort btö
©efetj burdj 2J?ofen gegeben fmt? unb itjr glaubet e§ bodj. ©o
glauben nur, bafj SefuS auferftanben ift, ob mir e3 gleid) nidjt
geferjen rjaben. @3 finb nidjt etma nur ein paar 3Seiber, mie
iljr jaget, fonbern alle feine Sünger unb 500 üon unfern erften
trübem gemefen, benen er erfdjienen ift, unb bie foldje§ bezeugt
unb mit Sßunbern beftätigt Ijaben. SSon biefen ift cS auf un§
gefommen, unb nur trüber miffen gemife, bafj 3efu§ auferftanben
ift. jDie ?tpoftel be§ £>errn traben in allen itjren ^rebigten an
bie Suben itjnen bejeugt, baf? ©ott ben Sefum, ben fie gefreu^igt
fjatten, üon ben £oten aufermedet unb bamit ermiefen, baf] er
ber 9Reffia3 ift, wie man au§ ber 9lpoftetgefd)icf)te ferjen fann'".
4. SßemeiS ber inneren ©rfaljrung. 3efu§ ift unfer
SWeffiaö unb (Srtöfer; er ift für un§ geftorben, bamit mir burclj
itjn Vergebung ber ©ünben unb ©nabe empfangen folten. £>er
©ang be§ inneren £eben§ ift aber nun ber, baft mir itjn nicljt
etjcr al£ unfern perfönlidjen 9#effia3, (Srlöfer unb £>erru
erfennen uub an itjn glauben, elje mir nidjt bie fünbenüergebenbe
©nabe an un£ fetbft erfahren Ijaben. ©arum beginnt Sieberfüljn
feine SSerfünbigung bamit, bajj er bie Seute ju beut ©ünber=
fjeilanb ruft. „Sin jeber ©ruber, ber ftd) in feiner Wot gu Sefu
gemenbet unb burdj itjn ©nabe erlangt tjat, ift gemifj oerfidjert,
baf} er lebt", ©iefen 2Beg fotlen bie Suben audj getjen.
2)atjer fudjte Sieberfüfjn in ben Suben ba3 ©efüljl ber
eigenen ©ünbljaftigfeit unb (SrlöfungSbebürftigfeit 31t meden,
morau3 bie ©efjnfudjt nadj einem gnäbigen ©Ott folgen follte.
2)enn für'3 erfte mar ein foldjeä Semufjtfein bei ben Suben
noct) nidjt üortjanben. SBietmefjr ttagt Sieberfütjn oft über bie
grofee @leid)giltigfeit unb Staltfinnigfeit ber Suben unb barüber,
Saft fie jum größten STeil fo ganj in 9?atjrung§forgen aufgingen.
2)arum legte er üjnen bie $rage üor, ob fie üerfidjert mären,
bafj fie Vergebung ber ©ünben unb alfo einen gnäbigen ©ott
unb 'Oläm ha-bä [emigeä ßeben] Ratten. @r er^ä^tte itjnen
bann einfältig, mie er feine gufludjt allein %ü Sefu genommen
unb burdj itjn ©nabe bei ©ott gefunbeu tjätte. (£r tjatte oft
©elegentjeit ba^u, 1 ) benn häufig mürbe er nadj bem „©runb
2 ) Sicmum von 3eift 175(3. „Sejudf) in <ßrag" 1756.
83
bcr Srüber" gefragt, unb er pflegte bavauf ju antworten, inbem
ev einfad) erjäfjlte, tüte er unb bie Vorüber ifjre§ ©laubenS
leben. 3sn biefem gufammentmng ^^ er aDev auc § QU f oa§
©erid)t ©otte§ t)in, unter roeldjem bie Suben offenbar ftünben,
um fie gur 23u£se unb ©inferjr 31t mahnen. Sei ben ßfjriften
fei e£ fo, bafc, ruenn einer tueifg, bafj ©ort mit irjm nicf)t
aufrieben fei, er feine 9\itf)e ^abe, bi§ er Vergebung gefunben.
Sie Suben aber ftänben nun fdjon feit 1700 Satjren unter ber
ßuerjt ©otte§ unb mären nicfjt Oefünunert barüber, fonbern
oielmerjr fo leidjtfinnig. Söenn fie ernfttidt) um ©rtöfung fterjen
wollten, roürbe fidj ©ott irjnen offenbaren unb irjnen ben Don
itjm gewollten 2Seg weifen. 2lucrj gibt Sieberfüljn ben Snben
%a bebenfen, was benn bie Urfadjc iljrer fo langen gerftreuung
fei. 1 ) „2>enn bie babtjlonifdtje ©efangenfdjaft, fo eine ©träfe ber
Abgötterei war, tjat nur 70 Saljre gewährt, unb bie romifdje
^erftreuung bauert nun fetjon 1672 Storjre, ba fie bod) nad) ber
babtjlonifdjeu ©efangenfdjaft ficr) nicfjt met)r mit Abgötterei t»er=
fünbigt tjaben. ©ie wiffen barauf nidjtS 9vecfjte§ gu antworten,
ob fie gteid) bie wafjre Urfactje, bie Verwerfung Sefu, nierjt
einferjen wollen", ßieberrurjn mürbe nierjt mübe, bie Snben
immer wieber auf Gfjriftuö rjinguWeifen unb auf bie innere @r«
faljrung feiner SSirfungen im eigenen §ergen at§ ben einzigen
2Beg, um ber (Srlöfung burd) (Sl)riftu§ gewiß 51t Werben, .ßwar
manbte ein Ütabbi bagegen ein: 8 ) „Sßenn ein $önig einen <5ot)n
tjat, unb idj !ann §um Stönig f eiber fommen, ob'3 mc£>t beffer
märe, al§ menn icfj erft ^u feinem 2>of)n ginge". „92ßenn aber",
antwortete Sieberfürjn, „ber Äönig ein ©ebot gibt, bafj man erft 5U
feinem ©orm gefyen fofl, fo muß man§ tun, unb ba3 ift ©otte§
©ebot, baß mir glauben an ben tarnen feinet <Sorjne§ unb
unfere gufluctjt gu itjm netjmen".
5. Sie ©ottfjeit ©rjrifti. „fttep ift ben Suben an*
ftöfjiger, aU baf? ber SQ?e[fta§ (§5ott fein fotl, benn t>a% fönnen
fie nid)t mit ifjrem bornerjmften ©laubenäartiiet reimen: ,£>öre,
S^raet! 3ar,0e ift unfer ©ott, SarWe allein.' (5. Stfof. 6, 4.)
Allein in biefem $unft laffe icf) mid) nidjt mit i()nen ein,
') Äurje Sßac^rid^t 1740.
*) Siarium doh 3etft. Sejember 1756.
6*
s4
fonbern bleibe nur babei, bafc 3efu3 bon ©ort gum <perrn unb
§eilanb gemadjt ift". 1 ) Sieberfütjn mie§ e§ auäbrüdtid) al§ ein
Derferjrteä SSerfafjren ab, roenn man mit ber 25elet)rung über bie
2)reieinigfeit ober über bie ©ottfjeit (Sfyrifti ober Dergleichen
bogmatifdjen «Sätjen beginnen roollte. (Sr foracf) ftd) Darüber
folgenbermafjen au§: „SKancIje 93rüber tjaben audj gemeint, man
foße bei ben Suben babon anfangen, bafj 3efu3 ber «Schöpfer
fei, ber für un§ tjabe fterben rooHen, unb roenn fie ba$ erft
glaubten, fo tonnten fie aud) teidjt glauben, bafj er auferftanben
fei. Mein biefe Setjre, bafj Sefuö ber ©djööfer fei, erregt bei
ben Suben gleid) SDt&put, meit fie in bie Materie üon ber
SDreieinigfeit hineinführt, baoon man bei ben Suben nie anfangen
mufj. (£3 !ann aud) niemanb efjer biefe ßetjre glauben, al§ mer
erft glaubt, bafj Sefu§ ber 9J?effia§ ift, ber un§ burd) feineu
%ob mit @ott berfötjnt tjat. SSenn ein Sube ficf) erft §u Sefu
menbet unb ©nabe burd) itjn erlangt fyat, fo roirb er itm aud)
balb al§ feinen §errn unb ©ott erfeunen". „St'urj, icf) berfünbige
itjnen Sefum ben gefreu^igten, baj? er ber 9#effia§ ift, ber für
un§ üüftenfd) geworben unb geftorben, unb un§ mit ©Ott ber=
fötjnet rjat, ber auferftanben ift unb gen §immel gefahren, ju
bem mir un§ menben muffen, menn mir mollen 'Oläm ha-bä
Ijaben. Unb mer ba§ glauben lann, ber glaubt tjernad) aüe§,
roa§ 3efu§ gelehrt tjat". <3o oerftanb e§ Siebertütjn, bei feiner
(Sbangelium§berlünbigung immer bom Zentrum be§ d)riftlicr)en
©laubenä au^ugerjen. 2)a§ befte ßeugniä bafür tjat if)m ein
Ssube au3gefteüt, melier fagte: „ffllit eud) fann man nidjt an=
fangen. Stjr tjabt nur ©inen ^ßunft unb babei bleibt il)r".
(Sin anberer fagte: ,,3d) berftetje eud) gut, ma§ ifyr moüt; mir
foHen erft bom Sltebl) Setf) [ober ?{^ß] anfangen, el)e mir in
bie Äabbala [®et)eimtef)re] ober ©ottfyeit eingeben", ©obalb
ßieberfüfjn biefe eine grofte £mubtfad)e feftgelegt tjatte, gab er
ben Suben gern manches anbere $u, roa§ fat)ren ^u laffeu für
fie infolge itjrer ganzen 2)enfung§art junäcgft ferner fein mufjte.
(£r lam ifynen fo meit at£ möglid) entgegen, fo lange nidjt bie
©runblage be§ @tauben§ baburd) etma§ einbüßte.
b. Sie (Srlöfung 3§rael3. (£in fotdjer Slnftofe für bie
Suben mar bie Sefjre ber Triften, bafj ber 9J?effia§ fd)on ge=
l ) ßurje ?toc§ridjt 1740.
85
foinmen fein folltc, mtifjrenb bod) Särael nocfj nidjt au§ feinem
Golus [©efangenfcrjaft] befreit fei. ©iefen Stnftofj uermocfjte
aber Sieberfütjn auf ©runb feiner 2lnfd)auung oom 9J?effia§ uub
ben a ttteftameutücr)en 2Sei§fagungen $n befeitigen. Soor altem
gab er ben Suben $0, bafj nocrj nidjt alle Sßeiäfagungen erfüllt
feien, welche üon ifjrer (Srlöfung an§ ifjrer gegenwärtigen
©efangenfdjaft fyanbeln. $)ie SSeiSfagungen ber ^roötjeten finb
mörttid) ^u oerfterjen, unb nicfjt geiftlicfj gu beuten, tooburcf)
mantfje 9lu§leger ben ©djmierigleiten au§ bem SSege getjen
toollen. ©er ÜDJeffiaS mufc bemnacfj nod) !ommen unb feine
Aufgabe an %Zx:ad erfüllen. 3ugteid) aDer * eDen * e Triften
ber Überzeugung, balg ber Sfteffiaä in ber *ßerfon Sefu ßfjrifti
bereite auf (Srben erfdjienen ift. ©arum mirb ber SfteffiaS,
metdjen bie Suben nod) ermarten, ebenberfetbe 3efu§ fein. „(£r
wirb nneberfommen unb fein liebet SSolf S^raet ertöfen unb alle§
an itjnen trjun, worauf fie tjoffen. ©er <peitanb bezeugt folcfje§
felber, bafj er ba$ 9?eid) bem 3>§raet aufridjten werbe, aber bie
gcit tö'nne er irjnen nidjt fagen". Unb -$war erwartet Sieberfütju, J )
„bajg ber SD?effia§ bie Suben einft wieber in ba3 Sanb Kanaan
bringen werbe, al§ wobon alle ^robfjeten aufcer Sonaä beuttief)
gewei3fagt tjaben". ©ort wirb ber wieberfommenbe Sfteffiaä,
SefuS (Srjriftu§, „ein f)errticl)c§ SRcidt) aufridjten unb etlidje Don
benen, bie errettet finb, gu ben Reiben fenben, iljnen feine
•perrlicrjfett 511 offenbaren, ©iefe $eit liegt aber nod) in ferner
^u!unft. fragten fie nadj bem 93ewei3, wo eS ftefjt, bafj ber
SDfeffiaö zweimal fommen foll, fo fütjrte ^ieberfüfjn einige
©teilen an, bie oon ber SSieberfunft ßfjrifti tjanbeln. ^reilid^
oerftanben ifjn bie Siuben nidjt immer gan§ rictjtig; benn einer
fagte einmal: Sieberfütjn tjätte fo einen SOftttelweg zwifdjen
(Srjriften unb Suben. 93ei biefem fünfte, an meldjem Sieberrüfjn
mit ben Suben in ber Verwertung ber altteftamentlidjen 2ßei§-
fagungen übereinftimmte, tonnte er fiel) ofjne ©efafjr auf biefelben
berufen. ,,©a$ ©tiftema", fagt er, 2 ) „fo id) bon ben testen
Reiten f)abe, itadtj ben ^ßrobrjeten unb ber Offenbarung SofjauniS,
fommt mir ferjr gut unter irjnen ju ftatten, beim icfj bin eines
J ) Äurjc STCadjndjt 1740.
2 ) SBrief 00m 9. Sesem&er 1739.
86
grofjen Dispute, ben fonft bie (Sänften mit ben Suben rjaben,
überhoben". 3>m übrigen Dermteb er e£ möglidjft, ba§ Sitte
Sleftament ^croHäUjiet)en; benn, fo lange er bei bem <pauptpunlt
ber $erfünbigung ßrjrifti blieb, fo lange braudjte er aud) feinen
©prud) aus bemjelben anzuführen unb umging fo bie ejegetifcfjen
(Streitfragen.
c. Die Söebeutung be§ ©efe£e§. Sieben bem §inmci§
auf ben §eilanb unb ber burd) ttjn gu erlangenben <Sünbeu=
Dergebung lag Sicbertür)n an, ben Rubelt bie falfcljen ©tütjen
ifjrer eigenen ©eredjtigfeit %ü netjmen, bie fie an ber (Srfenntni§
(£Ijrifti rjtnberten: „Die Suben rürjmen fid), ba§ fie ©ott merjr
bienen, al§ alle anberen Völler, inbem fte 613 ©ebote Ijaben,
mätyrenb ben anberen SSölfern nur bie 7 ©ebote üftoaljs gegeben
finb. SSeit fie bie Sefdjneibung, ©abbatl) u. f. m. galten, barauö
fdjliefjen fte, bafj fte ©ott lieb rjaben muffen. Denn fie fagen,
menn mir ©ort nietjt lieb Ratten, mürben mirä un§ in feinem
Dienft nidjt fo fauer merben laffen. Diefer äufjerltd) gefetjlidjc
©otteäbienft unb ifyrc Dermeintlidjen Söufeübungen am SBer*
föt)nung§tag, ba§ finb il)re ^aupiftüljen". 1 ) Sofern nun bic
Suben auf bie 3>nnef)altung ber ©efetje§Dorfd)riften i£)r ganzes
SSerbienft ftellten, fud)te Sieberfüfm Unten biefe ©tütje 51t nehmen.
2lber gtetdföettig lueife er aud) ben Subcn entgegettäutommen.
(Sr meift barauf l)in, bafj man irjneu einräumen muffe, bafj fte
ifjr ©efet} beibehalten tonnen, menn fie an Gf)riftu3 gläubig
merben. Da§ nimmt Dielen ?lnftoft meg. „Die Suben glauben,
3>efu§ fönne barum nid)t 9D?effia£ fein, meil er i>a$ ©efet} Der;
änbert unb aufgehoben fyabe, meld)e§ ifjnen bod) Don ©ott felbft
gegeben morben. Die Sadje aber Derljätt fid) alfo: $efu§ rjat
nirgenbä erftärt, ba$ ba§ ©efetj bei ben Suben aufgehoben fei.
Die Reiben aber finb nid)t an ba% ©efetj gebunben, meil irjnen
fold)e§ nidjt gegeben unb alfo aud) nidjt aufzulegen ift. Unfere
erften trüber, meldte lauter Suben maren, rjaben ba$ ©efeij bei-
behalten, mie au§ ber 2lpoftelgefdjid)te (20, 23—25) beutlidj #1
erferjen ift. f^otgtief) tonnen aud) bie Suben, bie in ber legten
3eit an 3efum gläubig merben, itjr ©efetj beibehalten, fo lauge
] ) Jtucje 9lad&tic$t 1740.
87 _
bi§ if)nen ©Ott ctmag anbercS offenbart. (So mirb ^mar bagegen
cingeroenbct, tt>aS $aulu§ an bie (Mater fdjreibt: ,9Senn irjr
eud) befdjneiben laffet, fo ift eud) (EtjriftuS nid)t§ nü£e'. Mein
bie (Mater maren Vorüber oon ben ©ojim, mie au§ Aap. 4, 8
gu erfel)en ift. 2>a eifert $aulu§ mit 9ted)t, nad) bem ©cfjlufc
be* ©tinobi gu Serufafem, bafj fie fid) nid)t erft füllten befermeiben
laffen". SScber f ollen alfo bie Subett ben ©ojim ba3 ©efe£
aufbringen, nod) foü man e§ ben Suben nehmen: nur follen fid)
biefe nicfjt einbilben, baft fie nod) einen SSor^ug tjaben. „$)enn
bie ©credjtigfeit fommt nierjt auä bem ©efefc, fonbern bei ben
Suben unb Reiben au§ bem ©tauben an Sefum".
d. 2)a§ SKolf ©otte§ unter bem ©ojim. (£in ttidtjt
geringes <pinberni8 für bie Stoben ift ferner "DüZ falfcfje 93itb,
mcld)e§ fie oon bem (£l)riftentum fid) maerjen. @ie fetjen eben
menig maf)re<S Sljriftentum. (Statt beffen ferjen fie unter ben
(Erjriften bie oerfdjiebenften Parteien, bie einanber Raffen unb
oerruerfen; fie ferjen fircrjlidje Spaltungen unb ©treitigfeiten ; fie
fefjen, bafj bie ßfjriften fetbft nicfjt nad) irjrer Setjre leben. S)a3
bringt fie oft in SSertegenrjeit, ober fie roenben mit 9ted)t gegen
ben 9J?iffionar ein, bafj e& ja bei ben (Styriften fcfjtimmer §ugerje
at§ bei iljnen. ©arum ermahnt #ieberfüt)n mieberrjolt feine
$Mtd)riften, burd) einen oorbitblicrjen djriftlicfjen SSanbet bie3
Ärgernis ^u befeitigen. darauf hielte j. 23. aud) feine 9?ebe an
bie (Gemeine in Jperrnrmt öom 8. Dftober 1761 (oergt. ©. 75),
in ber er unter anberem fagte: „(Sben barum (meil bie Suben
üon bem fd)ted)ten SSanbel ber ßtjriften oft abgeflogen roerben)
fann eine fotcfje ©emeine, bie tfjrem §errn unb §eilanb in allen
©lüden ätjnlid) ju werben fud)t, mancfjem eine ©elegenljett ju
feiner (Srrertung merben. . . . (£3 tjat mir mefjr at§ (Siner in
$eift gefagt: ,©o mie e§ bei eud) (in $ti)t) ift i°ß te e ^ D "
un§ fein; aber e3 fdjeint, ©ort ift eud) nätjer aU un§'. £)a3
ift aud) eine wichtige ©acb,e, unb id) glaube, bafj aud) mand)er
baburd) wirb geredet merben, ftcf) in feiner 9?ot 51t Sefu ju
menben, toenn er fietjt, mie gut mir e§ bei unferem iperrn unb
Jpeilanb ()aben. ©ie finb fel)r attent auf unfere ©emeine u. f. w."
?lnbererfeit§ fudjte aber Sieberfüfyn nun aud) ben Solid ber
Suben oon ben Unöoiitommenrjeiten ber (Srjriften ab^ulenfen auf
t>a% warjre Sßefen ber d)riftlid)en ©emeine. „$)a ift e§ nun
8S
nötig, bcifo bie Suben einen redeten begriff Dom SSolfe ©otte§
unter ben ©ojim betommen, bctmit ba§ 9(rgerni§ aufhöre, luelcr)e§
fte an ben (Sfjriften tjaben. Sie ftofjen fiel) unter anberem gar
fefyr an ben bieten Parteien unter ben ßfjriften. 3Sie id) anno
51 nact) $eift ^ am ' fragten fie micf) gteicfj, ob unfer ©taube
mieber ein neuer ©taube fei. 3>cr) bin atfo barauf gebracht
roorben, it)nen eine roafjre Sbee Don bem SBolfe ©otteä im neuen
S3unbe beizubringen, unb fonbertid) bon ber 93rüber=@emeine. —
S)ie erfte 23rüber-®emeine ift gu Serufatem geroefen, lange bor
ber gerftörung be§ Tempels unb tjat au3 lauter Suben be*
[tauben, raelc^e gegtaubt, bafj 3efu3 ber 9J?effia§ unb fein Xob
ifjre 93erföt)nung fei, unb babei ba§> ©efetj 9J?ofi§ gehalten fjaben.
!tf adjbem ©Ott aber ben 93rübern au§ ben Suben offenbaret tjat,
bafj Sefuö aud) für bie ©ofim geftorben fei unb fie audj burd)
ifjn feiig werben tonnen, fo fjaben bie 93rüber au£ ben Suben
irjnen fotdjeS berfünbigt, unb bie armen ©ojim tjaben fictj fetjr
gefreut, bajj fie aud) %tii an ber ©etigfeit burdj ben 9tteffia§
tjaben füllten. $la&) ber $eit ftnb bie Srüber bon ben ©ojim
ober bie ßrjriftert in großen SSerfaH geraten, mie bie ÄHnber
3§rael gur $eit be§ ^robtjeten @liä. 9Bie aber ju ber geit
©ott unter bem SBolfe $3raet 7000 Seelen fannte, bie iljren
(Sinn nidjt bor 93aal gebengt Ratten, fonbern bei bem magren
©ott S^taet» geblieben untren, fo f)at ©ott unter ben ßtjriften
nodj biete taufenb «Seelen, bie bei ber Sefyre bon Sefu geblieben
unb in allen Parteien, morinnen fte ftcfj berteilet (mben, gerftreuet
finb. 3 lt biefen gehören aud) bie 23rübers©emetuen, roetdje nod)
biefelbe Serjre, bie fte bon ben 93rübern au§ ben Suben empfangen
tjaben, beroafjren unb barüber tjalten, mie bie Suben über btö
©efe§ 9J?ofi3. 3öir tjaben alfo unfere gange Sefyre unb äußere
SBerfaffung bon ben 33rübern aus ben Suben, unb barum tjaben
mir fie tjerglid) lieb unb merben un§ fet>r freuen, menn mir
einmal mieber Srüber ait§ ben Suben feljen merben, bie an
Sefum glauben unb itjn lieb fjaben. Söenn fie nad) bem Untere
fdjieb jmifdien un§ unb ben anberen Parteien unter ben (5t)riften
fragen, fo fann td) itjnen benfelben nidjt anber3 beutlidj madjen,
al§ bafj bie Gtjriften alle mit bem üDfonbe befennen, bafj Sefu§
ber 50?effia§ ift, aber nid)t tun, ma3 er faget, unb alfo feine
©ebote nidjt galten. ©ie ©ruber aber glauben mit bem Jpergen
S9
an Scfum unb fudjen aud) ber &et)rc Sefu gcmäfj 511 (eben unb
bcm (Sjcmpet iljreS dhelöferS 31t folgen".
Sieberftifyn rannte fo gut mie jebermnnn foitft bie natürlidjc
Abneigung ber Subcn gegen bie ©giften, melcfje gumctft in ber
©rjieljung ber Suben in djriftenfeinbfidjeit 9(nfcr)auungen iljren
©tunb |st @r liefe e§ ftd) bat)er fct)r angelegen fein 5U geigen,
haft ein fttct)t)altiger ©raub für btefe Abneigung gegen bie £et)re
Gfjrtfti nidjt oorfjanben fei, inbem er iljnen nadjmieS, bafj bie
©ruber au§ ben ©ojim gar feine anbete £el)re tjätten, als bie,
metct)e iljnen bie ©rüber au§ ben Suben beigebracht Ratten.
®iefe aber r)ätten mieberum nictjtö anbereS gelehrt, als roa§ fie
fclber gehört unb mit itjren Slugen gefetjen tjätten. ©ie finb
bie $eugen oer äBittfamfeit unb 9luferftet)ung Sefu gemefen. —
3)urd) biefe Verleitung l)offte Siebertutjn ben Suben bie <3actje
oerftänbticfjer unb gtaubmürbiger ju machen.
e. gufunftägebanfen. ^.^ ^^ ^.^ ^.^ j onimen ^
"öa bie Suben irjre ©crjulb er!ennen, ben Jgerrn fudjen unb fagen
werben: Äommt, mir mollen mieber §um §errn äurüdfetjreu.
(Sr tjat un§ §etrtffen f er mirb un§ aud) feilen". Sann merben
nad) SieberfüljnS Meinung bie ßt)riften au§ ben Suben unb
biefenigen au§ ben ©ojirn gefonberte ©emeinfdjaften neben ein=
anber bilben. ©0 fdjrieb er 3. 58. an ©pangenberg: „SSenn ber
£>err einmal bie £)ede üon iljnen nehmen unb fiel) iljnen offen-
baren mirb, fo mirb fiel) i>a§> ©otf ©otteS mieber in bie ©rüber
au§ ben 3>uben unb bie ©ruber au§ bem ©ojim abteilen". 1 )
®iefe ßeit liegt aber in unbeftimmter ßufunft, unb man mufj
fie gläubig abmatten; benn 8efu§ üermeift eS auefj ben Jüngern,
a(§ fie 3ett un0 @tunbe miffen mollen. 5)at)er gab fief) lieber-
füljn für bie näcfjfte gutunft feinen großen Stlufionen tjin. (St
etmattete nod) nietjt eine 9)?affenbefet)rung, menn et aud) bie
Hoffnung auf eine fotetje in fpäterer geit nierjt aufgab, $ür
bie ©egenmart befdjieb er fict) bei ber Hoffnung, bafj ber §err
itjm noct) bie $reube bereiten merbe, it)n menigftenS „(Srfttinge"
auS feinem SSolfe fet)en 51t laffen. (£r ermartet, i>a$ ^unäctjft
„ber §eilanb noct) eine ©emeine oon ©rübem au§ ben Suben
fammetn" 2 ) merbe. 9J?it biefer ©emeine t)at er aber nicfjt jene
') SSrief an ©pangenberg, 3. ©ept. 1760.
2 ) ^rotofoll ber ©nnobe 1764. ©i§ung 45.
90
jubendjriftlidje 9?olföfird)e im 9tuge, fonbern l)ier fcrjiuebt ifjm
ber ©ebanfe üor, ba$ bic fid) bcfer)renben ©rftliugc anö beit
Subett innerhalb i()re§ jübifdjen 93olf§tum§ unb im 9?af)men bcr
@t)nagogengemeinbe eine jubendjriftlicrje ©emeine bilben foflten,
mie einft in ber 3eit ber lirgemeine in Serufalem. 2>arum
forberte er audj, bafj man üon feiten ber ©ruber neben bcm
(utrjcrifdjen unb reformierten in ?Imfterbam einen fclbftänbigen
jubencrjriftlitf)en Tropus anerkennen fofltc. ©inen intereffantcn
(Sinbtid in biefe ©ebanfen gemährt ein 93rief £ieberfüb,n§ an
$etru§ 53öb,ler, l ) morin er ficfj fotgenbermafjen au§fpricrjt: „©afj
fie (b. fj. bie Suben, bie fid) (Srjrifto proenben) eine Verneine
für ficr) bleiben unb irjre eigene §au§t)altung fjaben, ift gan^
redjt. SBir muffen fie and) gern babei laffen unb feine ©ireftion
über fie fucfjen. «Sie muffen fid) aucf) ju feiner crjrifttidjen
Partei fügen, aud) nidjt gu ben 23rübern, benn unter un§ finb
fie audj nidjtS nülje. ®at)er bete id) aucf) lange nictjt metjr in
ber Sitanei: §ote nocb, üiele rjerju unb fegne fie unter un£,
foubern: bringe nod) niete uorfjer 51t beiner (5rfenntni§, bi§
enblicf) bie $üfle ber Reiben eingeben foH (nidtjt: eingegangen ift),
unb afäbann ba£ gange S^taet feiig roerbe. £)enn, menn fie
bagu fommen unb bic 3at)l ber ©laubigen notl macfjcn roerben,
fo mirb ba% ber Reiben ^eidjtum fein, 9töm. 11, 12. Scfj fjabe
immer bie Sbee gehabt, bafe, menn erft einige Suben ben §eilanb
erfennen, unb bei ifjrem SSolf bleiben, atSbann eine Trennung
unter ifjnen entfteljen mirb, mie 5U ber Styoftel Reiten". (Stfergl.
Ijier^u gin^enborfS Stellung 51t biefer $rage ©. 38 ff.)
III. ^Beurteilung ber s Mffton3ntet(jobe £tefcer=
fütjn§ burd) feine 3 e ^9 enö ff en -
3)ie in ben üoranftefjenben Sluöfütjrungen in iljren jpaupt^
5ügen bargeftellte S)?etl)obe Sieberfüljnö mürbe non .ßingenborf
unb anberen örübern ntc£)t unbeanftaubet gelaffen. Sieberfürm
bemürjte fid) eine Uebereinftimmmig tyerbeijufüfjren, inbem er ^u
jeigen fucrjte, bajj bie öebenfen unbegrünbet mären unb teilmeife
') ©naben&erg b. 8. 3Wai 1773 (Umtät3=2trd)i»).
91
auf SDftfjtoerftänbnte beruhten. 1 ) tiefem Stadjrocte biente nament*
lief) Sieberfüfjrtä mcljrfadj zitiertet 8luffa$ über [eine SKifftonS*
metfjobe, ben er ber ©tmobe Don 1764 oorlegte, unb bie baran
fid) fnüpfenben iBetl;anbtiittgeit über bie „Subenfadje". ?(udj
fcfjon bie (gtjnobe Don 1740 rjatte fiel) fur^ mit biefem £t)ema
bcfdjäfrigt (©ifcung 12). (Snblid) gehört in biefen gnfammenfjang
ein üöriefmedjfet ßingcnborfS unb Sicberfüljnö aii§ beut Satyre
1757, ber fpe^telt biefen ©cgenftanb betraf.
Sicbcrfüljn beftanb feincSmegä ()artnäcfig auf feiner äftetrjobc
ölS ber allein äuläffigen, fonbern er erflärte fid) üon uornfjerein
bereit, fie aufäugeben, roenn fie i§m at§ unrichtig nadjgemiefen
mürbe. SBenn er alfo auef) nict)t Mgemeingittigiett feiner
Itfetfjobe beanfprucfjte, fo münfd)te er boef) anerfannt §u ferjen,
bafj er für feine ^ßerfon mit beftem SSiffen unb ©emiffen gerjanbeft
Ijabe, unb bafe ber Snljalt feiner SSerfünbigung fcfjriftgemäfj fei.
£>er fdjmermiegenbfte SBormurf mar ber, meldjer gegen feine
Slrt ber SBerfünbigung uon ber ^erfon ßrjrifti erhoben mürbe.
SSir fatjen, bafj er immer auf ben Xob ßfjrifti jurüdging, momit
für itjn bie 5luferftef)itng gang unmittelbar jufammentjing. liefen
©efreuäigten oerfünbigte er al§ ben SfteffiaS unb als ben Gsrlöfer,
burd) ben aflein ©ünbenoergebung unb ©nabe bei ©ott %\x er=
langen ift. Unb bann erft erftärte er, bafj biefer (StjriftuS ©Ott
fei. ©abei pflegte er fid) in 9lnlerjnung an ^autuS fo auS^u-
brüden, ba^ ©ott biefen SefuS aufermedt fyabe. $)iefc SluSbrutf^
meife mürbe oon ben Srübern mifjoerftanben, fo bafj mir in bem
^rotofoö ber ©tjnobe oon 1740 bie üftotia finben: „Sieberfürjn
ift in biefer [ber 3uben=] &a<fyt nid)t §u trauen, meil er ein
t)cimlid)er ©ocinianer ift".
tiefer SSormurf, baf; er ein ©ocinianer fei, mürbe ifjm oon
ba an öfters gemadjt.
3injenborf fcfjrieb itjm barüber folgeubermafjen : „3dj fann
biefe Wettjobe ^u biefer $eit gar nidjt leiben unb bin getuifc,
bafj alle auf bie 5lrt befehlen Suben ©ocinianer finb. 3d)
mürbe mid) moquieren über einen, ber jmeifelte, bafj mein (Schöpfer,
menn er Ijat fterben wollen, nidjt auferftanben märe. 2)a3 wär'S
alle§. 3Bollen fie \)tö ntcfjt glauben, fo lafc fie bleiben, mo fie
J ) einige yiatyvify. 1764. § 6.
92
finb". — darauf ermiberte Sieberfürju: „@inb beim bie biet
taufenb Suben, bie burd) biefe 3J?ett)obe §um ©tauben an 3efu§
gebracht morben, ©ocinianer gemefen ? 2Senn man biefe 9J?ett)obe
bei ben Reiben ober ßtjriften brausen motlte, mürbe e§ fetjr
abfurb fein; aber bei ben Suben ift'3 roa§ anbetet. 2)a§ rjabc
icf) au§ langer Gürfarjrung. Sßenn einer, ber glaubt, bafj SefuS
ber ©crjöpfer ift, lote id) unb alte Vorüber glauben, ^meifetn
mottle, bafj er auferftanben märe, mürbe id) mid) aud) nioquieren.
s 2lber bei einem Suben, bem nid)t§ anbere§ beigebrad)t ift, at§
ba^ 3efu§ fdjon lange öerfault unb oermeft ift, ift'3 roa§ anbere§.
(Sin Sube !ann burcr) biefe 9D?ett)obe §um ©tauben fommen, bafj
3efu3 fein Jperr unb ©ort unb ©ctjöpfer ift".
Sßon bem Suben, ber bie ©inroenbung madjte, roarum man
nictjt ju ©ott felber, fonbern erft gu Sefu getjen muffe, fagte
ginjenborf: „$)a§ ift eine braoe (Sinroenbung; ber 3ube ift ge==
fcrjeut". — ©arauf entgegnete aber Sieberfürm: „£)ie (Sinroenbung
ift fcrjledjt, fobalb man rjört, bafe ba§ ber Sßitle @otte§ unb fein
©ebot ift, bafj mir f ollen gu bem fommen. $5a§ behaupte ict)
bei ben Suben". gingenborf: »3»d) roeifj, bafj ba§ bie erfte
@pracr)e mar, ha bie Styoftel nocf) ©ocinianer maren. nonsense!
3d) fjabe e3 Sftadjt mieber §u nehmen, f)at (Sr gefagt. Sd)
meifj, bafj er auferftanben ift, meif 3 it)n beliebt t)at, unb geftorben,
meil er gemotlt rjat". — Sieberfürm: „S)a§ ift meine Meinung
gar nidjt, bafj bie 9Ipoftet nad) ber 2tu§giefjung be§ rjeiligen
©eifteä noct) ©ocinianer maren. Set) fann alfo ba§ nidjt für
nonsense galten, menn bie Slpoftel fagen, bafj ©Ott Sefum
aufermedt rjat. 3ft benn ^ßaulu3 ein ©octnianer gemefen, ber
an bie 9tömer fdjreibt (9, 5): ,£rjriftu§ ift ©ott über altes,' unb
(6, 4): ,baJ3 er aufermedet ift burd) bie <perrlidjfeit be§ SßaterS'?
Sdj glaube, e§ ift ift beibeS mafjr, ma§ ber <peüanb fagt: Sd)
rjabe e§ 9Jcact)t mieber ju nehmen, unb ma§ bie 9fyoftel fagen:
©ott fyat itjn aufermedet".
(Sin ©djein t>on <3ociniani£mu§ tonnte ja babnrdj ermedt
merben, bafj £ieberfütm auffaÜenb öiel üon ber 51ufermedung
(Srjrifti burd) ©ott rebete, oon ber ©ottrjeit ßrjrifti bagegen juerft
fctjmieg unb erft jum ©tauben an 3efu§ al§ an ben üfleffiaS
gu führen fudjte, morau§ ber ©taube an bie ©otttjeit (Srjrifti
oon fetbft folgen mürbe. Jpier liegt offenbar tatfädjtid) nur ein
9H_
9J?if3öerftänbni§ bor, unb bie SDifferena ^hjifc^en ßinjenbotf unb
Sieberfttyn ifi nur fdjeinbar fo grofj. $)enn ber Mtefyunft bon
SieberfüfjnS 93erfünbigung mar tatfäd)tict} SefuS at§ ber gefreugigte
©ottesforjn; bie Betonung ber 9Utfermedung Sefu mar nur SD?ittet
jum $to2d. S)urd) bie 9(ufertoedung fyabe ©ott Sefum als ben
SWeffiaS unb als ba§, \va$ er öon fid) aufgejagt unb geteert
fyatte, beftätigt. 2öer alfo bie 9lufermedung Sefu glaube, ber
befenne fid) bamit pgteid) gu alten feinen Serjren, b. t). gur
9J?effianität Sefu unb 511 bem £>eit, ma§ un3 burdj fein Seben,
Seiben unb (Sterben gu teil mirb. 2Xuf ben 23emei§ ber Slufs
erftefutng fommt barjer aunädjft alle§ an. liefen füfjrt Sieberfürjn
1) auf rjiftorifcfjem SSege: $)er Stuferftanbene ift bon bieten
^tugenäeugen gefetjen morben, weldje Suben waren; 2) auf@runb
ber inneren (Srfatjrung: Sefu§ ift für jeben, ber an irjn glauben
mitl, nod) fjeute auf bem 2öeg ber inneren ©rfarjrung gugänglid).
?luct) barin glaubte man (Sociniani^muS ju erfennen, bafj
Sieberfüfjn bei feiner SBerfünbigung uidjt mit ber ©ottrjeit (Sljrifti
anfing. 1 ) Söenn bei ber ^rebigt öon Sefuä at§ bem 9J?effia§
unb öon feinem STobe ber übrige ßljarafter (Stjrifti, b. rj. feine
©otttjeit berfdjmiegen mirb, fo fönne ein Sube ©tiriftum für nicfjtS
anbereS al§ einen grof3en ^ßroptjeten anfeilen. Safe fo biete
Suben bie Sßrebigtcu Sicberfüljnä befugten, fei ein 53emci3 bafür,
taft Sieberfürjn feine ^rebigtmeife naef) ben Dljren ber Suben
mobilere unb nidjtö bom §eilanb at§ unferm ©Ott unb (Sdjöbfer
gerebet fjaben fönne. ®iefe 9J?etrjobe, bie SBatjrfyeit bem ber=
breiten «Sinne ber Suben fa^lidE) 31t maetjen, fei frjftematifd) er=
bacfjteä Stfenfdjenmerf, mäfyrenb bodj ba§ (Sbangelium eine Xorfyeit,
aber auef) ©otteäfraft fei, bie ^erjen ju ergreifen unb aud) bie
©enftoeife §u änbern.
3)em erften ©ebanfen, bafj bie Suben in (5t)rifto nur einen
großen $robt)eten ferjen mürben, begegnet Sieberfürjn mit ber
Gsrflärung, ba$ ba§ feine notmenbige $olge fei. Sm übrigen
aber unterfcfjeibe er ^mifdjen ^ßrebigt unb ^ribatgefbräd). Sn
ber ^ßrebigt rebe man au3 ber gütte ber SjcxftnZ, unb man
berfdjmeige nicfjtä. Snbegug auf le|tere3 ift fid) Sieberfüfjn bemüht,
bafe er etjer ju biet al§ p menig getan fyabe, fo bajj e3 ifjm einige
') ^ßrotofoll bet ©pnobe 1764. Sessio XLV.
©rüber fogar oerbadjt tjaben, bafe er bei fotcfjen Gelegenheiten
fo frafe merbe. (£r Ijat j. S. oft, wenn er Suben in feine ^rebigt
fommen fat), ba§ Sieb fingen laffen: „Söer an bem Äreu5e ift
marjrer ©ort". Unb wenn er bann ernftltdj oon Sefu (Stjrifto 51t
reben anfing, fam e§ aufteilen oor, bafe bie Suben beStjalb ben
(2aat üerliefeen. S3ei ben ^ßriüatgefprädien bagegen, meint Sieben
fütjn, liege bie ©actje anberS. £>a muffe man bei bem Stob
ßfjrifti anfangen unb erft bann erllären, biefer ©eftorbene ift
©Ott, ber <pimmet unb (Srbe gefcfjaffen tjat. S£)enn fange man
mit ber ©ottfjeit (Stjrifti an, fo lämen bie Suben fogleid) mit
atlert)anb ©inroürfen. 9J?an muffe jene 9tfett)obe befolgen, um
im ^riüatgefpräd) nid)t§ ju ocrberben. 5luf birette $™Q e n anU
mottete Sieberfufjn gan^ offen, fetjrte aber fogleid) mieber j$ur
SBerföljnung jurürf, „ba ü)tn bie 2öatjrl)eit 51t grofe ift, a(3 ba$
er fie burd)bi»putieren laffen mitl".
3ßeiterljiu finbet ^tnjenborf auct) baran etroa§ auSjufe&en,
bafe Sicberfüt)n ben Suben jugefteljt, bafj ber 9Ö?effta§ "od)
fommen unb fie au§ tf)rer ©efangenfdjaft ertöfen merbe. Bingen-
borf glaubt ätuar aud), ba^ bie Sßetefaguugen ber ^Sropfyeten
nod) in Erfüllung gcrjen merben. $lber er fietjt biefe 51rt ber
Sßerlünbigung ßieberfüt)n3 nur aU ein Sftittet an, um fid)
mögtidjft üiel Singang bei ben Suben unb Seifall berfelben ju
fidjern. SDarum erflärte er: 1 ) „3d) frage einen Quart nad) bem
Söeifaü ber Subcn otjne ^erj". Sieberful)n aber beteuert bagegen,
bafe er bamit nur tyabt fagen motten, bafe er jeben S£)i§put 311
Oermeiben fudje, worauf fefjr Oiel anfäme. SDarnit gibt fid)
giu^enborf aber nid|t aufrieben, fonbern er ift ber §lnfid)t, bafe
Sieberfürjit bon bem ©tauben au§gelje, e§ ftede im Stopfe. 2 )
£)a§ !önne and) roatjr fein, Wenn fie (bie Suben) mit Seuten gu
tun fyaben, bie au§ ber fjebräifdjen 93ibel mit irjnen biiputieren.
S£)er SBatjrtjeit nad) aber ftede e3 nid)t im $opfe. „Unfer $tan
unb Set)re ift für-*: SBir oerfteigen un§ nid)t weiter, al§ bafe
ber ©djöpfer ber §eitanb ift. Sßir fd)enlen ifynen alle ©inftdjten
unb ©etjeimniffe, menn fie nur in bem einzigen fünfte erft mit
un§ fagen: SBo mären mir bod), menn fein ipeitanb mär!" —
') SBriefroed^fet ginjenborfS unb SteberfüljnS 1757.
8 ) SBergl. ©t^aroe: ©amuel £ie6er!üf)nS 2Riffion3metfjobe unb if)re
©egner. ©aat auf Hoffnung 1888. 111.
95
<£>ter Hegt ber eigentlid)e tteffte ©runb be§ ©egenfafceä äioifdjen
ginäenborf unb ^ieberfütm.
(£3 ift nad) aüebem eine 9fteinung§oerfdjiebent)eit 3tüifd)en
beiben Männern üorfyanben foroof)! in ber S0?etf>obe ber Ver*
fünbigung, at3 audj in ber Sefjre, bie man furj in fotgenber
28eife formulieren fnun. 3 unac §ft f)infid)tlidj ber Sftetljobe
moltte gin^enborf fid) für§ erfte auf bloße SSerfünbigung beä
§eilanbe§ an f)eil§oerlangenbe (Seelen befdjränfen mit §intan=
ftellung aller anberen feiner Huffaffung nad) nidjt im engften
3ufammenf)ang bamit fteljenben SSatjrtjeiten. Sieberfürjn bagegen
legte ©eroidjt auf Vertünbigung ber neuteftamenttidjen ©djrift^
maljrljeiten oom 9J?effta§. Unb babei fcfjeute er aud) nidjt
üerftanbeämäßige Erörterungen berfelben al§ Vorbereitung auf
tiefere (SrfenntniS unb @rfat)rung. SDiefe SSerfcCjiebentjeit erftärt
fid) jum Xeit barau§, haft gin-jenborf f* art ÜOm fattjerifcfjen
Peti3mu£ beeinflußt mar, roärjrenb man Sieberfüfjn, ber einen
oie( gemäßigteren (Stanbpunlt öertrat, merjr alö ©crjrifttljeologen
mit reformiertem ©infdjtag beaeicrjnen fann. $tber nidjt nur in
ber S0?ett)obe tarn bie§ jur ©eltung, fonbern audt) im Snfjatt
ber £e()re, fofern ginäenborf * n äumeitgerjenber SBeife ben ©otjn
(Sottet auf Soften be3 SBaterS betonte, Sieberrüfjn bagegen
burd) feine fdjriftgemäßere Sefjre ©ott bem Vater beffer geredjt
mürbe.
3n ber grage nad) ber Beibehaltung be3 ©efetjeS feiten^
ber Subendjriften berührten fid) ßinjenborf un0 Sieberfütjn.
5(üerbing§ beftanb aud) tjier eine tfjeoretifdje 2)ifferen,v 3)enn
#ieberfüt)n cjielt biefe Beibehaltung für normal unb berechtigt,
gin-jenborf aber raotlte fie nur erlauben au§ Sulbfamfeit gegen
bie @djmad)f)eit ber $uben. 3n biefem ©inne fagte er audj:
„9J?ögen fie boefj iljr ©efelj mitbringen, wenn fie nur an "Om
§eilanb glauben; menn fie nur bie Befctjneibung o()ne §änbe
unb baS ?(btun be§ fünbigen Seibeä im ^leifd) burdj ben Seidjnam
Sefu annehmen".
üBenn audj, mie au3 bem ©efagien (jeroorgerjt, gingenborf
nidjt in jeber §infidjt mit Sieberfüljnä Sftetljobe einüerftanben
mar, mußte er bodj feine Arbeit 51t fd)ä§en. <2o äußerte er fid)
in ber Dfobe öom 12. Dftober 1739: „Unfer Bruber Sieberfürjn
arbeitet mit oölliger $ßleropt)orie unb nidjt ofjne oielen ©egen
96_
unter ben Suben in 9lmfterbam". ?ll§ ginäenborf l 758 - alfo
ein Satjr nad) bem oben ermähnten Sßriefmecrjfet, nacfj §oHanb
tarn unb Sieberfürm fiel) längere $eit bei ifjm in £eerenbt)f
auffielt, tjat ßinjenborf nidtjtö uon jener SOftftftimmung merfen
laffen, fonbern ein fdjöneS (Sarmen §u Sieberfütjnä ©eburtätag
am 23. 9J?ärg 1759 gemacrjt, morin er ftct) gegen Sieberfütjn fo
erflärte, „bajg biefer fein Jpei'ä babei füllen fonnte". 1 ) Unb in
einer ^ebe jum 3at)re§fd)luJ3 1759 tonnte .gingenborf auf grunb
eigener s <!lnfdjauung ber Arbeit Sieberfüfmö au§fpred)en: „Die
Strbeit unter ben Suben ift and) fortgegangen, unb idj fjabe fie
in feinem Saljre angenetmier geferjen als in biefem. @§ ift bei
irjren Sefudjen in geift oft grünblicFje Sftadjfrage gefdjeljen, unb
e§ ift ein merftidjer Unterfdjieb gegen alle bisherige. Snfofern
glaube idj gemifc, bajj ©ruber (Samuel feinen 3roecf errjält, bafj
in ber ganjen jübifcfjen Nation, fomeit er gelangt ift, eine
attention ift auf baä, ma§ ber liebe ©ott in 3 u fwnft tun mirb".
Die enbgiltige (Sntfcljeibung biefeS (Streitet erfolgte aber erft
nacfj bem Xobe ßin^enborfä auf ber ©tjnobe 1764 auf ©runb
jenes 9luffa§e3 öon Sieberfütju über feine „Sftetljobe". „Diefer
9luffa£ mürbe mit öiel SSergnügen angehört", Reifet e§ im
^ßrotofotl. Da§ 9tefultat ber SluSeinanberfetmng mürbe in
folgenbe fedj§ @ä£e äufammengefafet: „1. Der ©rjnobuö ift über-
zeugt, bah 93ruber Sieberfürjn in ber Serjre üon ber ©otttjeit
oon ben gefunben SSorten unb (Sinn ber fjeiligen ©djrift nicfjt
abmeicfjt. — 2. (£r fyat feine SJcetrjobe bem ©rjnobo barlegen
foüen, unb berfelbe ift barüber erfreut. @r beruft fiel) auf bie
93?etf)obe ber 2lpofteI. Da aber, mie er in feinem $luffa$ jeigt,
ber Stpoftel Sfletfjobe, bie Suben au§ ©teilen be§ Sitten £eftamente§
ju überführen, barum nidjt merjr t)inlänglid) fei, meil fie feitbem
alle ©djriftftetlen gu uerbrerjen gelernt, fo ift audj toiber feine
Sftetfjobe ein^umenben, baft bie Suben au3 bem Umgang mit
©ocinianern gelernt, böfe folgen barau§ ju gießen, liefern
Übel ift forgfältig oor^ubeugen burefj eine forgfältige Defloration,
t>ab ber <geitanb ©ort ift. Sebocr) mit ber üftobification, bafj
fie biefeä nicfjt etjer glauben fönnen, fo roenig aU bie un=
befehlen (Srjriften e§ glauben, al3 bi3 fie irjn mie SlrjomaS auS
') SBrief 2ie&erfü§n§ an ©pangenfcerg 3. ©eptemfcer 1760.
07
feinen Sßunben fjaben f ernten lernen. — 3. $)er ©tjnobuS
beSapprobiert biefe SD?etf>obe nictjt; e3 ift eine gute unb 30 Satjre
lang bemätjrte äftettjobe, aber nictjt bie einige, nnb mir muffen
bem Zeitigen ©eift nictjt ©djranfen fetien ober anbere ©rüber
an biefe üftettjobe binben. (£§ fommt barauf an, ob fiel) ber
§eitanb jur ©aetje befennt. Söenn ein Sube burd) biefe 9)?etrjobe
gläubig ift, fo ift e§ in bem $aH bie rectjte 9J?etf)obe. ^ängt'ö
ein anbrer ©ruber mit einer gegenteiligen äftetfjobe an unb bringt
bem Suben ju Anfang lauter SSatjrfjeiten, baian er fiefj ju
Xobe ärgern möcfjte, ber <peitanb aber befennt fict) baju, ber
Sube befeljrt fiefj, täfjt fiel) taufen unb leibet barüber, fo ift
biefeS bie rectjte unb einige SKettjobe in bem $aH. ©ruber
£tebcrfü()n$ SWettjobc ift bie befte 9ftetf)obc für irjn; fie ift aber
mie ein ©emetjr, bas nictjt jeber brauchen fann, benn e3
fupponiert einen 90?ann, ber in ber Sctjrift bemanbert ift unb
alle 9?itu§ unb Streitigfeiten ber Suben meifj. «Setbft bie
9lpoftel f)aben ^meierlei SOfettjoben gehabt. *ßaulu§ unb 2lpoHo,
bie in ber rjcitigen ©ctjrift mäctjtig maren, fjaben bie Suben
bamit eingetrieben, anbere tjaben itjnen btojj üerfünbigt, roaö
fie geferjen unb erfahren tjatten. Slber beibe§ ift ifjnen tnS §er§
gefahren unb tjat fict) als ©otteäfraft bemiefen. — 4. $)ie
Sftetfjobe, fiel) mit bem ©ortrag nactj bem auditorio 51t richten,
unb menn man ^um (Stempel einen Suben fietjt, oon ber
©emeinc ju abftraljieren unb bem einen 9J?enfctjen ju fagen, roa3
feiner (Seele tjeilfam fein fann, ift nictjt §u beäapprobieren.
9J?an l)at e§ ja oft in föerrnrjut getan, menn Offiziere auf bem
Saal gemefen. £)er feiige jünger (ginjenborf) l)at oft äftaterien
auögefütjrt, bie nur für ben einen fremben gutjörer paßten, unb
;$ur Urfactje angegeben: £>ie ©emeine tjabe alle £age genugfam
unb tjabe feinen ©ctjaben baüon, menn fie einmal nictjtö t)öre,
maS auf fie paffe. ©er 9#enfctj aber fomme in feinem &eben
nictjt mieber, ba muffe man fict) ber ©elegentjeit bebienen. 9J?an
meifj and), mie oft er feinen ßmeef erreietjt tjat. — 5. ©er
%i\be bleibe ^mar noct) immer ein Dbjeft be§ (&tbetö unb ber
Hoffnung; ifjre $eit fetjeint aber noct) nictjt ba $u fein. Snbeffen
ift'£ gut, bafc praeparatoria gemaetjt merben. (Sine Jpaupt-
präparation ift bie ©emeine, ba fie ©rüber fetjen, bie in ber
%at bemeifen, ma§ fie glauben. SDaS maetjt (Sinbrucf, mie
7
98
3tnjcnbotf gefungen: 2Ber bie SBafjrrjeit nicrjt glauben fann,
per ferje nur bie Äinber ®otte§ an. — 6. 9la<fy 93ruber Sieben
fürjnS Sftettjobe merben ben Suben mandje Sbeen au§ bem 2öeg
geräumt, babei fie fid) jonft aufhalten. <5ie ift bodj gan^
anberS al§ ber [<peiben=] äftiffionare if>re. ©ie rjören, ta§> fie
fonft nidjt gefjört fjaben. @ie t)Qt feinen (Schaben, jonbern
üßutjen, mennS aud) fein anbrer märe, al3 bafj fie in ityrem
©ernüt ftut^ig merben unb ber <Sact)e meiter nacfjbenfen. SBie
eä ber rjeilige ©ctft madjen ruirb, menn irjre $eit fommt, baS
moflen mir irjm überlaffen. @r fann atöbann gan-$ fim^lc
Vorüber brauchen, bie bie 2Baf)rt)eit anber§ Vortragen".
,,93ruber Sieberfüljn erftärte fid) fjierauf, roie er öon ^per^en
glaube, bafj eines einfältigen öruberä SBorte ebenfo gefegnet
fein tonnen, menn ber fyeilige ©eift batnit ift, unb bafj er feine
9J?etr)obe nidjt für bie alleinige fjalte, unb bafj er öollfommen
aufrieben fei, meint ber Sßerbadjt gegen ifjn aufhöre, meines irjtn
auef) nochmals Dom ©vjnobo oerfidjert mürbe".
Somit mar ber triebe gefdjloffen unb bie ©acfje erlebigt,
„äurSatiSfaftion be3(5tm.obi fomofyl al3 be3$8ruber$ £ieberfüf)n".
Raffen mir ^um ©ctjlufj nod) einmal furj bie djarafteriftiferjen
3üge ber 9D?iffion§metf)obe Sieberfül)n3 jufammen.
1. öebeutfam ift in erfter Sinie, bafj Sieberfüfm bei feiner
SSerfünbigung immer üon (SfjriftuS bem ©efreu^igteu unb 9luf-
erftanbenen ausging unb itjn al§ ben 9J?effia£ für Suben unb
Reiben in ben 9J?ittetpunft ftellte. 2>a§ 3 eu 9 n ^ bom @ünber=
fjeilanb mar unb blieb irjm bie §auptfad)e. 2)em gegenüber
trat bie grage, melcfjer d)rifttid)en Äonfeffion bie fid) beferjrenben
Suben etma beitreten fällten, gan^ in ben §intergrunb. Unb
menn bie Suben i]ieberfüt)n fragten, ju mem fie ficf> roenben
füllten, ba bie ©giften in fo üiele ©eften »erteilt unb fo öerberbt
feien, fo antmortete er, bafj fie fiefj ntdt)t ju ben öerberbten
(Srjriften, fonbern ju ®ott unb bem £>etlanb befefjren unb be-
fennen müfjten.
09
2. Sieberfüfjn trat atfo bireft mit bem (ütoangelium an bie
Suben tjeran, ol)ne erft ben Ummeg über ba3 5tlte Xeftament
gu machen; benn er fyielt e§ gerabeju für unangebracht, bie
Suben erft burcfj ben altteftamentlictjen 9fteffia§beroeiS über-
zeugen ju rooüen, ba er au§> ber ©rfafjrung gelernt rjatte, bafj
bie roenigften unter ben jübifdjen 3uf)örern bie Berechtigung
beSfelben überhaupt anerfannten, fobatb fte bemerften, bajj bie
Beroei§füt)rung auf 3efu§ abhielte. S)arum fetjte Sieberfütjn an
bie ©teile bcS attteftamentticfjen einen neuteftamentlidjen 9Weffia§=
belueiS, ber fid) auf bie $atfad)e ber 9luferftef)ung Sefu grfinbete,
unb in engfter Sßerbinbung bamit einen 23emei§ au§ ber
Verfönlicfjen inneren ©rfarjrung be§ frommen ßtjriften tjerauä,
ber in Gfjrifto feinen Gürlöfcr gefunben fjat. ,,3ct) fjabe be§
£>eilanbe§ ®\\afoc an meinem iper^en erfahren", bezeugte Sieben
fü£)n ben Suben, „id) tjabe in il)m ©nabe unb Vergebung,
triebe unb ©eligfeit gefunben, unb barum treibt micr) bie Siebe
51t euer), benen biefe§ ©lücf noef) nietjt guteil geroorben ift, um
e£ euer) gu bringen. $)ie Siebe, bie id) üon meinem £>eilanbe
erfahren tjabe, unb meine Siebe $1 ifnn maetjt mief) 511 einem
Oheb Jisrael [$reunb 3&rael§], 511 einem, roeld)em ba§ §eil
biefe£ armen unb oertaffenen SBotfeS am §ergen liegt". $>er
Sinbrucf, ben fold)e§ geugniö SieberfütjnS macrjte, fprictjt auS
bem SSort eineö Suben: „$)er tjat ben Xl)ola [®ef reinigten] fo
lieb; toenn itjr itjm lange äutjört, fo madtjt er, bafj itjr alle ben
Xfyoia liebfriegt".
3. Wuffaüenb ift e§ bei Sieberfüt)n§ Sttettjobe, bajj er eine
eigentliche mifftonarifcfje $rebigttätigfeit nietjt ausgeübt fjat. (5r
begrünbet bie3 bamit, bafj ein Sljrift nidtjt in einer (Srjnagoge
5um Dieben jugetaffen mürbe, unb bafj man anbererfeitS in
d)riftlicr)en Eirenen menig auf jübifcfje ftvfyönx rechnen tonne.
2)arum betonte er um fo ftärter bie eifrige Pflege perfönlictjen
$riöatt>erfef)r§ mit einzelnen ©eelen als ba§ roidjtigfte
SKittel, um tiefer auf bie Subentjergen einmirfen ju !önnen. @r
felbft tjat fid) aud) in ber %at biefe§ Mittels mit großem
©efcfjtcf unb fid)tlid)em (Segen in auägebetmteftem äftafje bebient.
(Sbenfo mie bie eigentliche $rebigt lag itjm aud) ein drängen
jur Xaufe ganj fern. datier fommt e£, bafj mir au£ ber $eit
feiner 'Sätigfeit nur bon einer Subentaufe in $eift unb aufjerbem
7*
100
üon bem Xaufunterricrjt eines 3ubenmäbcf)en§ t)ören. ßieberturju
ging nur barauf au§, ben göttlichen ©amen au^uftreuen; ba§
heitere 2öact)§tum ftellte er ©ort ant)eim.
4 ©in meitereä beacfjten3merte§ Moment i[t enblict) bie§,
bafj ßieberfüt)n auf bie Sebeutung be3 XatgeugniffeS im
Seben unb SBanbet einer üon lebenbigem ©tauben erfüllten
ßtjriftengemeinbe unermüblicr) t)inroie§. ©aburd), bafe er felbft
aü^eit Ijeiter, freunbtid) unb liebeüofl ben 3uben cntgegcnfam
unb fein perfönticfjeö ßrjriftentum auet) mit ber %at beroie§,
entlocltc er itjnen bie $rage: „2öa§ maefjt euer) ©ruber fo
glüdlid)?" 91ntvuort: „S)er ©eelenfrieben, ben mir bei unferm
§errn unb "peitanb gefunben t)aben". Unb eben metl biefe§
3eugni§ ber Xat, bae> Vorleben eine§ ed)ten (SrjriftentumS, ein
fo mict)tige§ 9Jättel ^ur ©eminnung ber Suben ift, bie mitten
unter Stjriften leben, fo unterliefe e§ Sieberfütjn auet) nicfjt, bie
©tjriften immer mieber auf bie Söictjtigfeit biefer irjrer Aufgabe
t)inäumeifen.
2)iefe ebengenannten $üge üon ßieberfürjnä 9ftiffion5mett)obe
fönnen noer) jetjt für bie $rarj3 ber Subenmiffion al§ beacr)ten§-
mert gelten. 1 ) Su äroei anberen fünften bagegen, bie auet) bei
Sieberfürjn eine grofee 9toüe füietten, nämlict) in ber Slnerfennung
ber ©iltigfeit be3 ©efetseä auet) für bie Stjriften au§ ben Suben,
unb in ber 5lnerfennung ber nationalen 3ufunft3t)offnungen
33rael3 üertrat Sieberfürjn eine ftarf jubaifierenbe ?lnfcfjauung r
gegen bie mand)e SSebenfen ertjoben werben tonnen, ©ennod)
mirb Sieberfüfm trotj abmeidjenber 51nfict)ten in fotetjen einzelnen
fünften immer al§ leud)tenbe§ Seifüiet eines Subenmiffionarä
baftefjen, ber in üorbilbticfjer Sßeife bemüt)t gemefen ift, ben
Suben ein Sube gu werben.
— «^t£^«-*--
') $)a& fie tatfäc^Iic^ nod) in neuefter Qtxt eine roeitgeljenbe 33eacb>ng
gefunben h>ben, baoon seugt bet »on ^Srofeffor fernem erftattete 69. 3a^ re ^ :
beriet be3 S3erein3 ber greunbe 33rael6, abgebrueft in „Ser $reunb ^SraelS",
1900, 4. £efi, ©. 49 ff.
JVn^ancj.
€\tiavatuvt ttn& Quellen *tfactytt>eis 31t 6em 5luffai$
itf>e* CieberJütyns Ceben tm& ItHv&n.
©ebrutftc £itteratur: %. 3)eütjfd): Saat auf Hoffnung,
I, 4. @. 28- -31.
ß. Sljenfelb: ©raf ^insenborf unb (Samuel ßieberfüljn.
Stöln 1873. Subenmiffionäbeftrebungen ber Srübergemeinbe in:
©ibre (Smctt) 1871, §eft 5 unb 6.
SRolhrifc: «Samuel #ieberfül)n, ber Subenmiffionar ber
Srübergemeine. 3n: „$l)öbe". Statenber unb Satjrbud) be§
£iafoniffenl)aufe§ gu ®re§ben. 1888. <S. 39—53.
8eben§lauf be§ SBrubetö ©antuet Sieberfüfyn. ^arf)=
richten au» ber Srübergemeine 1843, II.
$reb. Secfer (Sfjame: (Samuel £teberfürm3 SubenmifftonS*
metl)obe unb if)re ©egner. Saat auf Hoffnung, 1888, 103 ff.
3- $• $1. be le iftoi: 2>ie euangelifdje ßfyriftenljeit unb bie
Suben. I, 359 ff.
<£>anbfd)rifuuJje Duellen: £eben§laufbe§ Sruberö (Samuel
Sieberfütjn. 1778 (Unität§=2(rd)iü 5U £errnl)ut. $ubrif 22. 9. c).
5lu§^ug auZ einem (eigenfyänbigen) MS. be§ fei. M. (Samuel
Sieberfülm, entfyaltenb biograptjifcfje fur^e Zotigen bi§ 1764.
(Sßrof. 2)alman gehörig.)
§lufseid)nungen Sieberfül)n§ über fein Seben unb llm=
gang mit ben Suben bis 1739 (Unität^2lrd)it>, 9iubrif 16. 4.
51-®).
Äurje 9^ad)rid)t öon bem gegenwärtigen $uftanb ber
Suben in Slmfterbam unb meinem bi^tjerigen Umgang mit
if)nen. a. 1740 (Unität^lrdjiü, 9tubrif 16. 9?r. 4. % 5. 3.).
102
Shir-^e Kadjridjt oon ber SKetfyobe, roelcfje idj btefjer in
bem Umgang mit Suben gebraucht Ijabe, bie Serjre üon Seju
Sfjrifto ifjnen beizubringen. 3Rarienborit 1764 (Unität3=9lrd)iu>,
Kubrif 16. Kr. 8).
©inige Kad)ricr)t Hon bem gegenwärtigen ßuftanb ber
Suben unb ben Semütjungen ber SBrüber, ifjre Sefefjrung
ju förbern. Dfjne Saturn, faum üor 1780 (Unitätö = 3trdt)tt»,
Kubrif 16. Kr. 7).
öefudj unter ben Suben in $rag. gebruar 1756 (©igen-
pnbig öon Sieberfüfjn. Umtäte Strdjio, Kubrif 16. Kr. 4.
% 10. D.).
?üi§ bem £>iario Oon ,ßerjft. öftober unb ^De^ember 1756
(Unität^Slrcfjit), Kubrtf 16. Kr. 7. 33. 4 unb 5).
Slu^üge au§ ben Diarien üon $eift unb Keufalj; ge^
fammett bon (5. K. SKarr, ($rof. Kaiman gehörig).
Kcbe SieberfüfjitS am 8. Dftober 1761 (SBerföfjnungStag).
Unität^lrdjiü Kubrif 16. Kr. 4. St. 6. tf. Slbgebrudt, m$m&
meife, im „§errnfjut" 1894.
9lu§ bem Sßrotofott ber (Stinobe ju 9J?arienborn 1764.
Sessio XIV, 27. VIII (UnitätS^rdjto Kubrif 16. Kr. 4.
% 7. &).
Güinroenbungen ßinsenborfg gegen #ieberfül)n§ SD?etf)obe
unb Sicberfüf)n§ ?tntroorten barauf (Unität3;$lrd)to, Kubrif 16.
Kr. 4. SB. 7).
örief e SieberfütmS, ginaenborfo <Spangenberg#, $)ober§ u. a.
(Unität^lrcfjiü, Kubrif 16).
©inige t)anbfd)rtftüct)e Kopien ber genannten <3d)riftftüde
unb fonftige Kotigen finben fid) in: <parf: Sammlungen
(Duellen jur neuen 23rübergefd)id)te) 93anb C. ©. 382 ff. unb in
Acta historico-ecclesiastica @. 334 unb 468 (im Wrdjio
be3 tfjeologifdjen ©eminar§ ju ©nabenfelb).
*m-
Sdjriften bcs 3nflttntum 3ubaicnm in ßerlin.
§crau§gegcbcn »on Sßrof. D. §erm. 2. ©traef in ©rof;=2id)terfelbe W.
3. 6. §inrict)ä'fcrjc Sucf^anblung in Seipjig (9?r. 4, 11 »ergriffen)
[außer Wr. 14, 17. 21, 22, 31],
2. Strack, §. 2., (Einleitung in ben £f)almub, 3. Aufl. (2lnaftaitftr)cr
5Reubrurf mit SKadjträgen .) 1000. (144 ©) 2 SR!. 50 $f.
[CSrftcc Serfucf), objettib unb iDtfieiifcfjnftlid) iibev bnfi (Sniijc be§ Xfjatmub» git
belehren.]
3. — , Somo, SWiftfinatraftat „SßerföljnungStag", herausgegeben unb erflärt.
2. «Hufloge erfdjeint 1903.
5. — , 'Aboba 3ara, ÜJMfcf)natraftat „©öfcenbienft", herausgegeben unb
erflärt. 1888. (36 ©•) 80 $f.
6. — , «ßirqe Abotf), „Sie Sprühe ber SSäter", ein etljifdjer Sötifdjnatraftat,
berauSqcqeben unb erflärt, 3. roefentlidj oerbefferte Auflage. 1901.
(58 ©.) 1 m 20 n
7. — , ©cbabbatb, SPiifdinatraftat „©abbatb", berauSgegeben unb erflärt.
1890. (78 ©.) 1 m 50 m-
31. — , Sie ©prüaje SefuS', beS ©ofjneS ©trad)S. $er jüngft ge*
funbene IjeBräif^e %e%t mit Anmerfungen unb SBörterbudj. 2eip^ig 1903,
21. Seifert 9tod)f. (VI, 74 ©.1 1 W. 50 ?f.
14. — , 2>aS Slut im ©lauben unb Aberglauben ber äRenfdjljeit.
SfHit befonberer SBerüdffidjtigung ber „SolfSmebijin" unb beS „jübifdjen
SBIutrttuS". 8. Auflage (18.— 19. Saufenb). SKünc^en 1900, ©. ö.
Secf. (224 ©.) 2 SDK. 50 $f.
15. — , S)ie guben, bürfen fie „SSerbredjer uon EReligionSroegen" genannt
roerben? („^almubauSjug".) 189 i. (34 ©.) 40 $f.
28. — , ©inb bie IJuben Serbredjer oon «HeligionSroegen? (Bfleifcb/
befubelung; ©eljeimfdjriften unb ©eften; ©ittenlefjrc in ber ©egenroart.)
1900. (38 ©.) 50 $f.
1. Dalman, ®. (®. 3Harr.), 3übxfct)cä ftrembenred&t, antifemittfdje
«Polemif unb jübifcf,e Apologet«. 1886. (80 ©.) 1 £0».
12. — , 3übtfdj=beutfdje SBolfSIieber auS ©allsten unb SRufelanb, 2. AuS=
gäbe. Berlin 1891. (82 S.) 1 35». 50 $f.
13. - , Sefaja 53, baS Spropb^etenroort »om ©üb.nleiben beS §eiISmiitlerS
mit befonberer 33erüdEficb,tigung ber fwnagogalen 2itteratur, 2. Ausgabe.
Berlin 1891. (60 ©.) 1 3Kf-
17. — , Sübifdje SRelobien auS ©alijien unb atufclanb. £um erften üßale
aufgejeidjnet. 2eipjig, SRobolSft) 1893. 1 ÜJW. 20 «Pf.
18. — , ÄursgefafeteS öanbbud) ber «JKiffion unter ^Srael. 1893.
(144 © ) 2 m. 40 $f.
24. -, ©Ijriftentum unb ^ubentum. 1898. (32 ©.) 50 $f.
9. de le Roi, Sol», ©efdjicfjte ber eoangelifdjen ^ubenmiffion feit
@ntfteb,ung beS neueren SjubentumS, 2. Ausgabe. 1899. (816 ©.) 11 50».
21. — , gerbtnanb ©b.riftian ©roalb. @in 2ebenSbilb auS ber neueren-
Subenmiffion ©üterSlob, 1896. (164 ©.) 2 2»f,
BRIGHAM YOUNG UNIVERSITY
3 1197 22397 7320
101
22. de le Roi, Sofj., 9JI. ©. ailejanber, ber erftc eoangelifdje Sifdjof oon
Serufalem. ©üterStotj 1897. (232 ©.) 3 9JH.
26. — , Sfaa! *>a (Sofia, ber boßanbifdje ©£>rift unb Dichter au§ 3§rael.
1899. (42 ©.) 60 $f.
27. — , Subentaufen im 19. ^a^t^unbcrt. @in ftatiftiffj)er Sßcrfutf».
1899. (72 ©.) 75 $f.
8. Becker, SBüb,., Swtnanuel £remelliu§. ©in 33rofeIi)tenIeben im
Settalter ber Deformation, 2. Auflage. 1890. (60 ©.) 75 <ßf.
16. — , gerb. 2ßülj. SJedfer. (Sine £elbengeftalt in ber gubenmiffion be<3
19. 3ab,rr)unbertS. 1893. (72 ©.) 80 $f.
20. Bieling. 3t., j$riebrid><pänbef3, ein treuer 3euge ®oüt§ an görael.
1894.' (öO ©.) 75 $f.
10. Laible, <peinr., 3efu§ 6r)riftu§ im £f)almub. 9JJit 2lnljang oon
©. Sahnan: Sie ttjalmubtftfien Serte. 2. Auflage. (Slnaftatifd^er 9leu=
brud.) 1900. (122 ©.) 2 3Rf. 40 $f.
19. Saphir, 2lb., 6briftu§ unb bie ©djrift, 4. 2lu§gabe. 1894. (150©.)
1 SR.
23. Berliner, <panama§ [©. 9R. 2oetoen], Ha-podeh uma?i;il. Ser
©rlöfer unb @rrelter. Seben, Säten unb Servren be§ HReffiaS Seftfma.
[3n iübifrjb=beutfrjjer ©ora$e. ©efrönte ^reiäfdjrift.] 1898. (122 ©.)
1 3Ri. 50 $f.
25. Weichmann, griebr., Sa§ ©d) ächten. (Sa§ rituelle ©djlatfjten bei
ben Suben.) 9Rit einem SSorroort oon ^ßrofeffor §. 2. ©trad. 1899.
(48 ©.) 60 W
29. Protokolle ber in ßöln a. m>. com 6. bt§ jum 9. Dftober 1900 aB=
gehaltenen allgemeinen aRiffionälonferenj für bie 2irbett ber eoan=
gelifdien Äird&e an 3$rael. 1901, (99 ©.) 1 SRI. 50 $f.
30. Schärf, Xljeob., Saä gotteibtenftüdje 3ab,r ber SJuben. 1902.
(142 3.) 2 3Rf.
Sentfdje Stöclgefcttfdjaft, ©. in. &. £., i'etyätg, £o$|»talfir. 10.
HHe flunffBtf&er-lltBef
Sie ganje ^eilige ©djrift nadj ber beutfdjen Überfettung oon D. SRarttn 2utf)er.
ffsS^->s Surcfygefeljene 2Iu3gabe. <^->s^
§erau€gegeben oon
D. Dr. ^ermann 2. ©traef, Sßrofeffor ber Geologie an ber Unioerfität
ju Serlin, unb Dr. guliuS ßurtf), Sßrebiger.
<Pradjtiüeri=ftormat, Umfang 1050 ©eiten Ser.t, 271 Slbbilbungen (152 tafeln)
oon 63 SReiftern, tote : SRaffael, Jtjtan, ^Saolo SBeronefe, SUtbenö, 2Ubr. Sürcr u. a.
ÜJHt stpofrnprjen, gamiltenajrontd unb 2Bibmung§bIatt. Sie ßinbanbbecfe tft
ein Äunfttoerf (fünf *ßorträt§).
3)ie gaiijc heilige ©dirift
^rocfjreinbanb mit reicher ©olbureffung
portofrei
SoHSauggabe mit Siotfdjmtt . 15 33».
StebfjaberauSgabe m. ©olbfd^n. 20 3J».
2uru§au3gabe 25 2RI.
SaS neue Seftamcnt
flcbunben
79 Shntftbcilnncn
33ott§auägabe 3 3JW.
SßradjtauSgabe 5 2Rf.
2 ©jemplnre portofrei.
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Iirutf oon ißaul Senfe in 92ie§ft).